Individualisierender Unterricht als Arrangement des Umgangs mit Leistungsheterogenität

„Viele LehrerInnen bemühen sich zwar um einen methodisch abwechslungsreichen und schüleraktivierenden Unterricht. Innere Differenzierung ist (…) in der Schulpraxis aber (noch?) kaum verbreitet; die konzeptionell angelegten Möglichkeiten werden lediglich in bescheidenen Grenzen genutzt“ (Trautmann/Wischer 2011, S. 123).

1. Warum tun sich Lehrkräfte im Umgang mit einer heterogenisierten Schüler*innenschaft und einer individualisierenden Öffnung des Unterrichts schwer?

Die Herausforderung der Heterogenisierung ist für viele Lehrkräfte kein einfaches Spiel, welches sie zu lösen haben und stehen oftmals vor der Angst vom Scheitern. Sie stehen vor der Frage, wie es möglich ist jedem/r Schüler*In einer Klasse individuell gerecht zu werden und nach richtigem Einsatz zu fordern und zu fördern.

Das Hauptdefizit ist es, dass nötige Konzepte und Unterrichtsmaterialien fehlen, um einen individualisierenden Unterricht, sowie neue didaktische Methoden zu ermöglichen. Der dadurch entstehende Druck für die Lehrkräfte, lässt einen negativen Begriff der Heterogenisierung erwachsen.

2.  Wie würden Sie sich selbst zu dieser Anforderung positionieren?

Ich denke,  dass es vielen Lehrer*Innen schwer fällt, von einem fest verinnerlichten etablierten Schulunterricht los zu lassen und sich dem individualiserenden Schulunterricht zuzuwenden,  da dieses Unterrichtskonzept noch unausgereift und unsicher erscheint.

Es muss ein pädagogischer Wandel stattfinden, welcher die Heterogenität der Schüler zulässt und diese als Gewinn für den Schulalltag sieht. Hierzu müssen die didaktischen, methodischen und pädagogischen Kompetenzen von Lehrkräften erweitert werden, beispielsweise durch geeignete Fortbildungen, damit Vorurteile und Angst vor dieser neuen Struktur genommen werden können.

Ich denke, dass es uns, der voraussichtlich zukünftigen Generation an Lehrkräften wesentlich einfacher fallen wird dieser Heterogenisierung gerecht zu werden, da wir durch entsprechende Seminare oder auch der Ringvorlesung-  „Umgang mit Heterogenität“ unmittelbar nach dem Studienbeginn mit dieser Thematik konfrontiert werden und davon sicherlich profitieren in Hinblick auf das spätere Berufsleben.

Heterogenitätskategorie Geschlecht/ Gender in der Schule – im Spannungsfeld von Inszenierung und Zuschreibung

Wilfried Bos stellt in der Begleituntersuchung zu IGLU 2003 fest, dass Jungen sich in der Tendenz – im Vergleich mit der weiblichen Gleichaltrigengruppe – signifikant weniger sicher in Schule fühlen, deutlich weniger gerne zur Schule gehen und eindeutig häufiger das Gefühl haben, dass sich die Lehrkräfte nicht/wenig um sie kümmern. Wie erklären Sie sich diese Ergebnisse und wie könnte man diese Situation verbessern?

Meiner Meinung nach existieren hierfür mehrere Faktoren.                         Zum einen besteht in Schulen ein extremer Mangel an männlichen Lehrpersonen, vor allem in Grundschulen. Es ist jedoch sehr wichtig, dass SchülerInnen sich gleichermaßen an einem weiblichen, sowie männlichen Vorbild orientieren können. Während der Schulzeit befinden sich alle SchülerInnen in einer fortlaufenden Entwicklungsphase und gerade bei Lernschwierigkeiten oder anderen Problemen können bei Jungen verstärkt Unsicherheiten auftreten, wenn ihnen eine männliche Bezugsperson fehlt, da es Jungen oft schwerer fällt sich einer weiblichen Lehrperson zu öffnen.

Desweiteren bestehen noch immer geprägte Vorurteile über die Fähigkeiten und das Verhalten von Jungen und Mädchen. Mädchen seien kreativer,  sprachlich begabt, motiviert und konzentriert im Unterricht. Hingegen seien die Jungs  stets technisch interessiert, in naturwissenschaftlichen Fächern leistungsfähiger und zeigen im Gegensatz zu den Mädchen öfter störendes Verhalten.  Dieses primitive Denken kann  dazu führen, dass Jungen sich in der Schule weniger wohlfühlen, wenn sie andere Interessen oder Fähigkeiten mitbringen oder sich ungerecht behandelt fühlen. Damit meine ich nicht, dass dieses Unwohlsein zwingend der Handlungsweise von Lehrpersonen zuzuschreiben ist, sondern auch allein durch die Verinnerlichung dieser Klischees durch die Gesellschaft, was mit unter zu diesen Unsicherheiten führen kann.

Es wäre daher sicherlich eine große Bereicherung, wenn es an den Schulen zukünftig mehr männliche Lehrpersonen gäbe, welche auch die allgemeinen klischeehaften Vorstellungen über Männer von Dominanz, Stärke und Coolness lösen würden.

Ob Lehrer oder Lehrerin sollte man im Unterricht darauf achten verschiedene Themenfelder des Unterrichts so zu gestalten, dass die vielfältigen Interessen von Jungen und Mädchen gleichermaßen vertreten sind. So könnte man bei  Aufgabenstellungen verschiedene und frei wählbare Möglichkeiten anbieten ein Thema auszuarbeiten.

Außerdem sollte man mit Hilfe von Medien dringend Aufklärung darüber verschaffen, dass trotz allem jeder individuell ist, es keine „Gender -spezifischen Interessen“ geben muss und das ein geeignetes Vorbild nicht immer dem eigenen biologischen Gender entsprechen muss.