Mit Blick auf mein bereits durchlaufendes Orientierungspraktikum, war ich an einer sogenannten Europaschule eingeteilt worden, an der vor allem das Leitbild von gegenseitiger Akzeptanz, Achtung der Persönlichkeit und des friedlichen sowie höflichen Umgangsmiteinander angestrebt wurde und somit nach den KMK-Empfehlungen der „Interkulturellen Bildung und Erziehung in der Schule“, das Anderssein der Anderen annimmt, wie auch mit Wertschätzung begegnet (vgl. KMK 1996, S.3). In der Schulklasse, die ich für die ersten Wochen begleitet habe, war eine hohe Diversität, vor allem in Bezug auf die sprachliche Vielfalt erkennbar. Täglich hatte das ‚Kind des Tages‘ im Morgenkreis die Chance, in der jeweiligen Sprache, allen einen Guten Morgen zu wünschen und somit parallel dem Rest der Klasse einen kleinen Einblick zu gewähren. Besonders die Lehrkraft wirkte sehr bemüht und notierte, über den Schulalltag hinweg, Auffälligkeiten hinsichtlich grammatikalischer Fehler, um einerseits anschließend diese im Blick behalten zu können und andererseits bei größeren Problematiken nach Fördermöglichkeiten zu suchen. Jedoch war der nötige Bedarf an Unterstützungsmaßnahmen durch den Mangel an den jeweiligen Fachkräften nicht realisierbar. Allumfassend spiegelt die Diversität die Realität wider und stellt simultan die Aufgabe jeder einzelnen Schule dar (vgl. KMK/HRK 2015, S.2), wie es auch an der Grundschule anhand der Bemühungen offenkundig sichtbar war, sodass ich die gesammelten Erfahrungen, durch die Anerkennung der Heterogenität innerhalb der Klassengemeinschaften, in Bezug auf die Interkulturelle Pädagogik einordnen würde, auch wenn durch den signifikanten Mangel an Lehr*innen und weiteren Fachkräften, die erforderliche Unterstützung nicht zu realisieren war, wurde durch Einbezug der Mehrsprachigkeit, als Ritual in den Morgenkreis, eine Vermittlung zwischen den Kulturen, wie auch der Austausch untereinander angeregt.
Eine denkbare Beobachtungsaufgabe für die noch folgenden Praktika, wäre der Aspekt des Umgangs mit soziokultureller Heterogenität, mit Fokus auf die damit einhergenden möglichen negativen Auswirkungen. Dabei lässt sich analysieren, inwiefern Lehrer*innen Diskriminierung aufgrund von soziokulturellen Aspekten zwischen den Schüler*innen mitbekommen sowie in welchem Maße im Falle dessen, reagiert und gehandelt wird.
Als Ansatzpunkt für mögliche Programme zur grundsätzlichen Weiterentwicklung von Unterricht bzw. Schule im Allgemeinen, würde ich die Lehr- sowie Fachkräfte in den Fokus rücken, sodass diese durch Weiterbildungen in Bezug auf die soziokulturelle Heterogenität sensibilisiert werden und weiter zur selbstständigen Reflexion des eigenen Handelns, wie auch die persönlichen Einstellungen und damit einhergehenden Auswirkungen dessen auf die institutionelle Diskriminierung sich bewusst werden (vgl. Karakasoglu/Mecheril 2019, S.113).
Literatur
Karakasoglu/P. Mecheril/J. Goddar (2019): Pädagogik neu denken! Die Migrationsgesellschaft und ihre Lehrer_innen. 1. Aufl. Beltz Verlag. Weinheim S. 113
Kulturministerkonferenz (25.10.1996 i.d.F. vom 05.12.2013.): Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule. S. 3. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1996/1996_10_25-Interkulturelle-Bildung.pdf (letzter Zugriff 24.04.2023).
Kulturministerkonferenz/Hochschulrektorenkonferenz (2015): Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse. S. 2. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2005/2005_04_21-Qualifikationsrahmen-HS-Abschluesse.pdf (letzter Zugriff 24.04.2023).
2 Antworten auf „Umgang mit soziokultureller Heterogenität in Schulen“
Hallo Annika,
deinen Beitrag habe ich als sehr interessant empfunden. Die von dir genannten Erfahrungen betonen die aktuelle Relevanz von Heterogenität in der Schule.
Ich habe ähnliche Erfahrungen in meinem Orientierungspraktikum in einer Grundschule gemacht. In meiner Klasse im Praktikum hat die Lehrerin immer darauf geachtet, Respekt und Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Nationalitäten zu vermitteln. So gab es in meinem Praktikum ähnliche Situationen, die einen Austausch zwischen Schüler*innen verschiedener Kulturen innerhalb der Klassengemeinschaft begünstigten, wie z.B. das Vorlesen aus einem interkulturellen Bilderbuch. Auch bestimmte kulturelle Lebensweisen von Schüler*innen wurden thematisiert und den Mitschüler*innen verständlich vermittelt.
Zudem wurde das Fach Religion während meines Praktikums in der Schulklasse eingeführt. Hierbei wurde deutlich, dass das Fach nicht konfessionsbezogen gestaltet wird, sodass die Schüler*innen im Kontext von soziokultureller Heterogenität ein Bewusstsein für verschiedene Glaubens- und Weltanschauungen erlangen können.
Die Lehrerin in meiner Klasse hat beispielsweise auch in dem Fach Deutsch vermehrt Förderungsmaßnahmen ergriffen, wenn z.B. Kinder mit Deutsch als Zweitsprache andere Lernvoraussetzungen mitbrachten. Ich stimme dir jedoch auch zu, dass in Bezug auf den aktuellen Lehrermangel eine Umsetzung von Förder- und Unterstützungsangeboten nicht bzw. nur teilweise möglich ist.
Heterogene Klassengemeinschaften stellen heutzutage den Normalfall dar, da Kinder sich bereits im Grundschulalter „durch gesellschaftliche Individualisierungsprozesse, durch die differenzielle Übertragung des kulturellen und sozialen Kapitals ihres elterlichen Milieus und durch psychische und körperliche Entwicklungen [unterscheiden]“ (Heinzel 2008, S. 133).
Als besonders interessant empfinde ich auch deine Beobachtungsaufgabe. Diesbezüglich könnte man auch beobachten, wie die Unterrichtsgestaltung dazu beitragen kann, bestimmten Vorurteilen und Stereotypen entgegenzuwirken.
Für weitere Praktika könnte man auch beobachten, wie differenziert Lehrkräfte ihren Unterricht und ihre Lernangebote für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache ausgestalten und in Bezug auf Mehrsprachigkeit, inwieweit diese bewusst mit in den Unterricht integriert wird und welche Vorteile daraus gezogen werden können.
Deinen Ansatzpunkt, die Lehr- sowie Fachkräfte in den Fokus zu rücken, finde ich auch sehr wichtig. Nach Karakasoglu (2019) ist es unter anderem die Aufgabe von Lehrer*innen, „eine Haltung zu entwickeln, die […] dazu führt, dass sie sich zu migrationsgesellschaftlichen Realitäten immer wieder auf einen aktuellen Wissensstand bringen; und ebenso wie die Quellen ihres Wissens immer wieder kritisch die vermittelten Inhalte und Annahmen hinterfragen“ (Karakasoglu 2019, S. 27). Dazu gehört auch, dass Lehrer*innen sich selbst kritisch reflektieren hinsichtlich ihrer eigenen Einstellungen und Normalitätserwartungen (Folie 27).
Zusammenfassend kann diesbezüglich festgehalten werden, dass die Bildungsarbeit in der Schule in Bezug auf Rassismus und Diskriminierung eine große Bedeutung zuteil wird, wenn es „um Fragen nach Sensibilisierungen, Irritationen von Selbstverständlichkeiten oder auch einen Zuwachs an Fakten- oder handlungsbezogenem Wissen geht“ (Fereidooni & Hößl, S. 8).
Literatur:
Karakasoglu, Yasemin/Mecheril, Paul/ Goddar, Jeannette (2019): Pädagogik neu denken! Die Migrationsgesellschaft und ihre Lehrer_innen. 1. Aufl. Beltz Verlag. Weinheim Basel.
Fereidooni, Karim/Hößl, Stefan E. (2021): Rassismuskritische Bildungsarbeit. Reflexionen zu Theorie und Praxis. Wochenschau Verlag. Frankfurt am Main.
Heinzel, Frederike (2008): Umgang mit Heterogenität in der Grundschule. In: Ramseger, Jörg/Wagener, Mattthea (Hrsg.): Chancenungleichheit in der Grundschule. Ursachen und Wege aus der Krise. 1. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.
Liebe Annika,
dein Blogbeitrag hat mich sehr abgeholt und spiegelt ebenfalls sehr vieles von dem wieder, was ich selber auch schon in Praktika beobachten und mitnehmen konnte.
Das Konzept und die Werte nach denen an deiner Praktikumsschule gehandelt und gelehrt wurden, standen auch an den Schulen im Vordergrund an denen ich war. Ebenfalls war auch dort jeder Lehrkraft klar, dass sie es mit sehr heterogenen Lerngruppen zutun haben. Dies ist wichtig, denn“ Kinder unterscheiden sich bereits im Grundschulalter durch gesellschaftliche Individualisierungsprozesse, durch die differenzielle Übertragung des kulturellen und sozialen Kapitals ihres elterlichen Milieus und durch psychische und körperliche Entwicklungen. Gleiche Anforderungen an Kinder mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen verstärken jedoch Leistungsunterschiede und ungleiche Bildungschancen“ (Heinzel, 2008, S. 133). Dementsprechend müssen sich alle Lehrkräfte auch wirklich bewusst sein, in was für einer Lerngruppe sie sich befinden und wie dort der Unterricht zu handhaben ist.
Wie in deinem Beitrag beschrieben ist es natürlich enorm schwer, in einer sehr heterogenen Lerngruppe, jedem Kind die Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen das es wirklich benötigt. Dies würde zum Teil wirklich nur mit einer permanenten Doppelbesetzung an Lehrpersonal funktionieren.
Jedoch ist eine permanente Doppelbesetzung leider nicht die Realität, weshalb grundsätzliche didaktische Maßnahmen wie z.B. der offene Unterricht fast schon ein Muss sind! Das Prinzip des offenen Unterrichts bietet ein „individualisiertes, kooperatives, selbstgesteuertes und binnendifferenziertes Lernen“ (Budde, 2018, Abschnitt 4). Jedes Kind soll somit in seinem eigenen Tempo und auf seinem eigenen individuellen Niveau arbeiten und lernen können. Auch soll „der Projektunterricht mit seinen Möglichkeiten zum selbsttätigen, entdeckenden und partizipativem Lernen“ neue Perspektiven für die Kinder darbieten und sie somit besser fördern (Budde, 2018, Abschnitt 4).
Solch ein Projektunterricht kann meines Erachtens ebenfalls gut genutzt werden um den Kindern auch untereinander die soziokulturelle Heterogenität näher zu bringen.
Dabei würde sich eventuell auch deine oben genannte Beobachtungsaufgabe einbauen lassen. Denn bei einer aktiven Konfrontation mit der soziokulturellen Heterogenität der eigenen Lerngruppe, könnte es im schlimmsten Fall zu Diskrimierungen unter und zwischen den Kindern kommen. Hierbei könnte man dann direkt sehen ob und inwiefern die Lehrkräfte solche Diskrimierungen bemerken und anschließend auch weiter verfahren.
Um für solche Fälle bzw. für die heutzutage immer größerer werdenden soziokulturellen heterogenen Lerngruppen geschult zu sein, bin ich ebenfalls der Meinung den Fokus auf die Lehrkräfte zu setzen. Wie auch in deinem Beitrag schon erwähnt ist ein deutlicher Weg die Sensibilisierung von Lehrkräften für den Umgang mit Heterogenität. Ebenfalls wären allgemeine Projekte an den Schulen wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ eventuell auch noch eine Möglichkeit. Natürlich lösen solche Projekte nicht die Problematik der Leistungsungleichheiten perse, jedoch werden innerhalb der Lerngruppen bessere Verhältnisse geschafft welche dann auch zu besseren Leistungen der Kinder führen können. Denn eine Lerngruppe welche sich in einer Harmonie und ohne jegliche Diskrimierung bewegt, schafft ein deutlich besseres Lern- und Arbeitsumfeld.
Heinzel, Frederike (2008): Umgang mit Heterogenität in der Grundschule. In: Ramseger, Jörg/Wagener, Mattthea (Hrsg.): Chancenungleichheit in der Grundschule. Ursachen und Wege aus der Krise. 1. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.
Budde, Jürgen (2018): Heterogenität in Schule und Unterricht, Bundeszentrale für politische Bildung
https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/266110/heterogenitaet-in-schule-und-unterricht/ (letzter Zugriff 30.04.2023)