Deutsch inklusive
Neulich beim Abendessen: Mein spanischer Mitbewohner fragt nach der Bedeutung von Mehrgenerationshäusern.
„Das sind Hausprojekte, in denen Kinder und Jugendliche, junge und ältere Erwachsene zusammenleben“
– „Also Familien?“
Was für Pablo eine merkwürdige deutsche Marotte ist, nenne ich Wohlstandsverwahrlosung. Und frage mich, warum Institutionen ersetzen, was eigentlich Sinn und Aufgabe der Gesellschaft sein sollte: die Teilhabe aller am gemeinsamen Leben.
Alle. Das meint wirklich alle. Jugendliche mit schlechtem Gedächtnis. Mit Sehbehinderungen. Mit einer Vorliebe für kreatives Schreiben. Mit Lese-Rechtschreibschwäche. Mit wenig Geld für Bücher. Mit Beherrschung der Rechtschreibregeln. Mit Einwanderungshintergrund. Es gibt viele Gründe, warum SchülerInnen mit verschiedenen Voraussetzungen den Deutschunterricht betreten. Und es gibt noch mehr Gründe, warum sie alle zusammen am Unterricht teilhaben sollten.
Im Deutschunterricht zeigen sich die unterschiedlichen Gegebenheiten der SchülerInnen bereits im Erschließen der Texte. Wer Schwierigkeiten beim Lesen hat, einzelne Wörter nicht versteht oder den Inhalt nicht erschließen kann, der kann in der anschließenden Diskussion nicht folgen und geht dem Unterricht verloren. Stattdessen muss ein inklusiver Deutschunterricht darauf ausgerichtet sein, den SchülerInnen die Hürden zu nehmen, welche ihnen zum Erschließen der Texte im Weg stehen. Hierfür können LehrerInnen auf differenzierende Materialien zurückgreifen. Denkbar sind Texte in gesprochener Form, die SchülerInnen mit Sehbehinderung oder Leseschwäche vorliegen. SchülerInnen mit begrenztem Zugang zur deutschen Sprache könnten hingegen mit anderen Texten arbeiten. Um eine Diskriminierung dieser SchülerInnen als „dumm“ zu verhindern, muss verständlich gemacht werden, dass es sich bei diesen Texten nicht etwa um kürzere, sondern schlichtweg um andere Texte handele, welchen einen neuen Input ermöglichen und somit den Gesamtunterricht bereichern.