Abschlussreflexion

(Fragen siehe Veranstaltungsblog)

1)

Eine der wichtigsten zentralen Erkenntnisse aus der Ringvorlesung konnte ich aus der Vorlesung von Prof. Dr. Florian Schmidt-Borcherding zum Thema „Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg“. Hier wurde anhand mehrerer Grafiken und Studien der Zusammenhang zwischen Intelligenz, Vorwissen und schulischer Leistung aufgezeigt. So ist einer Grafik von Langfeldt zu entnehmen, dass der Einfluss von Kompetenzen und Vorleistungen, beziehungsweise Vorwissen, auf mathematische Schulleistungen in der Primarstufe deutlich höher ist als der kristalliner Intelligenz (Langfeldt 2014, S. 40). Kristalline Intelligenz beschreibt dabei die Bedeutung der Lebenserfahrung auf intellektuelles Handeln, ist also nicht genetisch bedingt (Gruber/Stramouli, S. 36).

Aus diesem Sachverhalt ist zu schlussfolgern, dass der Generierung von (Vor)wissen im Unterricht eine wesentlich zentralere Rolle einnehmen sollte als die Förderung „intelligenter“ oder „begabter“ Schüler*innen.

Schmidt-Borcherding stellt in seiner Vorlesung anhand der dargestellten Ergebnisse „Reaktionsformen“ für die Gestaltung des Unterrichts für Schüler*innen mit heterogenem Vorwissen vor. Bei der pro-aktiven Reaktionsform sollen einzelne Schüler*innen durch eine adaptive Gestaltung des Unterrichts gezielt gefördert werden. Ausgehend von dem Bewusstsein, dass nicht alle Schüler*innen Gleiches leisten oder lernen können, muss die Lehrkraft Leistungsgrenzen der Lernenden frühzeitig diagnostizieren und optimistisch interpretieren, um im Anschluss differenzielle, individuelle Lernziele festlegen zu können (Weinert 1997, S. 52).

Bezogen auf mein Hauptfach Pflegewissenschaft bedeutet das für die Lehre, dass diese, trotz festgelegter Anforderungen für die Erreichung des Berufsabschlusses, deutlich individueller und an die Lernerschaft angepasster gestaltet werden muss. Es müssen pädagogische Maßnahmen ergriffen werden, um die Auszubildenden als Individuen wahrzunehmen und sie gezielt, unabhängig ihrer „mitgebrachten“ Intelligenz, dazu zu befähigen, ihr Berufsziel zu erreichen.

Persönlich möchte ich mich daher auch mit dem Lerncoaching beschäftigen, um diese gezielte Förderung in meiner beruflichen Praxis besser umsetzen zu können.

Die zweite Erkenntnis entstammt aus der Vorlesung von Prof. Dr. Andrea Daase zum Thema Mehrsprachigkeit. Sie stellte heraus, das Mehrsprachigkeit, beziehungsweise die Abweichung der Erstsprache von der Unterrichtssprache, oft als didaktisches Problem angesehen wird, dass sich Lehrkräften „in den Weg stellt“. Vielmehr sollte Mehrsprachigkeit jedoch als individuelles Potential erkannt werden (Fürstenau 2011, S. 34). Lehrkräfte sollten hier einen ressourcenorientierten Ansatz verwenden (so Daase), und Wege finden, wie die Erstsprache auch aktiv genutzt werden kann, um Bildungsziele zu erreichen.

Für die Pflegewissenschaft hat dies eine besondere Bedeutung. Patient*innen, die sich aufgrund ihrer stationär behandlungspflichtigen Erkrankung im Krankenhaus in einer sehr vulnerablen Situation befinden und zusätzlich sprachliche Verständigungsprobleme aufweisen, profitieren in außerordentlichem Maße von medizinischem Fachpersonal mit weiteren Sprachkenntnissen als der deutschen Sprache. Eine gute Kommunikation in solchen Situationen erspart betroffenen Patient*innen viel Leid.

Mehrsprachigkeit stellt also besonders in der Pflege ein sehr großes Potential dar, welches unbedingt im Unterricht mit gefördert werden muss.

2)

Der Umgang mit Schüler*innen mit Deutsch als Zweitsprache stellte in meiner Ausbildung meiner Meinung nach ein großes Problem dar. Die Lehrkräfte wehrten sich hier vehement, Hindernisse, die durch Sprachbarrieren auftreten könnten, überhaupt anzuerkennen geschweige denn Hilfestellungen anzubieten. Besonders schade empfinde ich es aufgrund der in Aufgabe 1 bereits angesprochenen Erkenntnisse aus Prof. Daases Vorlesung, da Mehrsprachigkeit ja auch eine Ressource darstellt, die jedoch gefördert und eingesetzt werden muss.  Stattdessen wurde das „Problem“ verlagert und die betroffenen Auszubildenden ausgegrenzt und in Sprachkurse geschickt. Inklusion hat hier also nicht stattgefunden.

Ebenfalls bereits in Aufgabe 1 angesprochen, empfinde ich den Stellenwert von Intelligenz im Unterricht im deutschen Schulsystem, wie ich es während meiner Schulzeit in Bayern kennengelernt habe, als zu hoch. Trotz der mittlerweile ausgebauten Durchlässigkeit des Bildungssystems wird Schüler*innen bis heute noch vermittelt, sie seien „zu dumm“ für ein Gymnasium oder nicht intelligent genug, um einen höheren Abschluss als den Hauptschulabschluss zu erreichen. Dies wurde auch in Kommentaren einiger Kommiliton*innen zu den Blogbeiträgen deutlich, die hier ihre eigenen (und erschreckenden) Erfahrungen deutlich gemacht haben. Hier stellt das pro-aktive Reagieren (siehe Aufgabe 1) und das Differenzieren im Unterricht eine wichtige Aufgabe dar.

3)

In der Ringvorlesung wurden Themen wie Antisemitismus, Inklusion, Hass gegen Migrant*innen und sexuelle Diskriminierung behandelt. Die jeweiligen Vorlesungen waren jedoch sehr darauf ausgelegt, für die entsprechende Thematik zu sensibilisieren. Dieses Ziel wurde meiner Meinung nach immer erreicht, jedoch wurden konkrete Fallbeispiele (mit Ausnahme der Vorlesung zu Menschen mit Behinderung und Inklusion) und der Umgang mit der konkreten Thematik meist nur als Fragestellung innerhalb der Blogbeiträge zurückgegeben. Beispiel: Vorlesung Antisemitismus, Frage 3, „Ein Elternteil spricht Sie persönlich als Lehrkraft darauf an, dass ein Schüler Ihrer Klasse von verbalen antisemitischen Übergriffen betroffen ist. Überlegen Sie, wie ein konstruktiver Umgang mit dieser Situation aussehen könnte.“

Fragen solcher Art empfinde ich als hoch komplex, da sie neben einer Sensibilisierung des Themas außerdem Erfahrung, sowie kommunikative und vor allem pädagogische Fähigkeiten verlangen. Gerne hätte ich hier konkretere Vorschläge zum Umgang bereits während der Vorlesungen gewünscht, besonders, da der Titel der Vorlesung ja „UMGANG mit Heterogenität …“ lautet.

Beim Thema Antisemitismus wurde beschrieben, dass dieser heute oft fälschlicherweise als berlinspezifisches/großstadtspezifisches Problem wahrgenommen wird. Hier wäre der Umgang aus rechtlicher Sicht noch interessant gewesen, da gerade in kleineren Städten Antisemitismus verdeckter stattfindet und daher vermutlich auch schlechter strafrechtlich zu verfolgen ist. Ich empfinde es jedoch auch wichtig, Jugendlichen klar zu machen, dass sie sich mit Antisemitismus strafbar machen und welche Konsequenzen dies haben kann.

 

Literatur:

Gruber,H.; Stamouli,E.(2020).Intelligenz und Vorwissen. In: Wild, E.; Möller, J. (Hrsg.): Pädagogische Psychologie, 25–44. Heidelberg: Springer-Verlag.

Langfeldt, H-P. (2014): Psychologie für die Schule. Weinheim: Bertz Verlag. 2. Auflage.

Fürstenau, S.; Gomolla, M. (2011): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Weinert, F. E. (1997): Notwendige Methodenvielfalt: Unterschiedliche Lernfähigkeiten der Schüler erfordern variable Unterrichtsmethoden des Lehrers. In: Friedrich-Jahresheft: Lernmethoden – Lehrmethoden – Wege zur Selbstständigkeit, 50-52. Seelze: Friedrich-Verlag.


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