Ich sitze in dem großen grauen Schaukelstuhl am Fenster, die Beine im Schneidersitz und darauf mein iPad. Gerade bin ich fertig mit dem Text für‘s Seminar morgen geworden. Meine Augen sind noch etwas müde, der Kaffee wirkt dem aber gut entgegen. Gestern Abend war länger, als ich gedacht hätte, und umso schöner. Draußen schneit und regnet es im Wechsel und aus dem Wohnzimmer höre ich die Stimmen von meinem Mitbewohner und seiner Freundin. Dazu kommen Beats aus meinem iPad, mit Texten über das Lieben und den Frühling und über Städte. An meiner Wand hängen seit zwei Tagen ein paar Poster, eine Uhr, ein Bullaugenspiegel und eine Fotografie aus dem Urlaub mit Janne und Anja vor vier Jahren. Mein Handy ist mittlerweile aufgeladen und auf dem Sperrbildschirm sind ein paar Mitteilungen zu sehen. Ich hab noch ein paar Dinge für die Uni zu erledigen, möchte dann eine Maschine Wäsche anschmeißen, meine Haare waschen, Sport machen und heute Abend wirklich mal pünktlich zur Chorprobe sein.
Vor fünfzehn Wochen kannte ich nichts von dieser Situation. Der Sessel gehörte noch der Frau aus diesem weißen Reihenhäuschen, die ihn eigentlich zum Stillen gekauft, aber dafür dann doch nie wirklich genutzt hatte, und die sich endlich zwei Katzen geholt hatte. Die Menschen, mit denen ich den Abend gestern verbracht und so genossen habe, waren an anderen Orten und ich hätte kaum etwas mit ihnen assoziiert, wäre ich ihnen irgendwo begegnet. In dieser Wohnung wohnte eine andere Konstellation von Leuten, in anderer Beziehung zueinander stehend. Und die Wand hatte eine andere Farbe, ein graublau, behangen mit anderen Bildern, und es waren andere Gedanken in diesem Zimmer. Die Person, bei deren Nachrichten ganz viel in mir passiert, war vor fünfzehn Wochen noch nie in meinem Kopf gewesen und die Mitteilungen auf meinem Handy hatten einen anderen Inhalt. Das Lied, das ich auf Dauerschleife höre und mit diesem Abend vor ein paar Wochen verbinde, war damals noch unveröffentlicht, vielleicht noch nicht einmal geschrieben. Ich hätte nicht gewusst, wie ich zur Chorprobe komme, welche Orte sich gut zum Joggen eignen oder wo die Kaffeebohnen sind.
Bei so vielem habe ich mich damals gefragt, wie es wohl wird und jetzt sitze ich hier und schaukle und so viel davon ist irgendwie geworden. Hat sich verändert und entwickelt und eingerichtet. Und genauso geht es weiter – wie sieht all das und noch viel mehr in weiteren fünfzehn Wochen aus, oder in drei, ja, nur schon nach der Probe heute Abend? Das Leben ist wirklich wirklich spannend und ich bin mittendrin und meine Güte ist das spannend.