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  • Wenn der Englischunterricht zur Bühne wird – Zwischen Anerkennung und Druck

    Wenn ich an meinen Englischunterricht zurückdenke, fällt mir als Erstes ein: Ich war immer die, die am meisten geredet hat. Ich habe mich ständig gemeldet, war immer aktiv und genau deshalb wurde auch sehr viel von mir erwartet. Eine bestimmte Lehrerin hat das besonders deutlich gemacht. Sie hatte hohe Erwartungen an mich und ließ mich das auch spüren.

    Ich erinnere mich daran, dass ich oft den Druck gespürt habe, im Unterricht dauerhaft zu glänzen. Wenn ich mich mal etwas weniger gemeldet habe, wurde das sofort registriert. Während es bei anderen Schülerinnen und Schülern kein Thema war, wenn sie eher ruhig blieben, wurde bei mir sofort hinterfragt, ob ich „nachgelassen“ habe. Ich hatte oft das Gefühl, dass von mir eine konstante Leistung erwartet wurde, fast wie ein Standard, den ich nie unterschreiten durfte.

    Der Grund dafür war, dass Englisch meine Muttersprache ist. Das wussten die Lehrkräfte  und daraus entstand automatisch die Erwartung, dass ich immer perfekt sein müsste. Ich durfte mir eigentlich keine Schwächen erlauben, obwohl Lernen doch genau das braucht, dass man Fehler macht und daraus lernt.

    In der Vorlesung von Fischer und Giesler (2025) wurde das Thema „Sprachrichtigkeit“ als zentrales Spannungsfeld im Englischunterricht dargestellt. Es wurde kritisch hinterfragt, inwiefern das Ideal eines fehlerfreien Native Speakers Schülerinnen und Schüler unter Druck setzen kann. Ich habe genau das erlebt. Ich war zwar in einer privilegierten Position, weil ich die Sprache fließend sprechen konnte, aber gerade deshalb wurde meine Leistung nicht als normal, sondern als Maßstab betrachtet. Fehlerfreies Sprechen wurde nicht nur erwartet, sondern vorausgesetzt.

    Trotz des Drucks habe ich auch gute Erfahrungen gemacht. Besonders hilfreich war es, wenn Aufgaben individuell auf mich abgestimmt wurden. Gerade in den ersten Jahren war der reguläre Stoff für mich oft zu einfach. In solchen Fällen habe ich zusätzliche oder erweiterte Aufgaben bekommen, die mich mehr gefordert haben. Auch in anderen Fächern wurde manchmal auf meine sprachlichen Voraussetzungen Rücksicht genommen, indem mir Dinge erklärt oder übersetzt wurden. Solche Formen der Anpassung habe ich als sehr hilfreich empfunden.

    Ich finde es wichtig, dass man auf die individuellen Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern eingeht, ohne sie damit alleine zu lassen. Denn genau darin liegt laut Dose (2019) auch eine zentrale Herausforderung im inklusiven Englischunterricht: individuelle Förderung darf nicht zu Ausgrenzung führen, sondern sollte so gestaltet sein, dass alle Lernenden aktiv teilhaben können.

    In der Vorlesung wurde das ebenfalls betont: Individualisierung kann dann inklusiv sein, wenn sie nicht in Vereinzelung endet, sondern gemeinsames Lernen weiterhin möglich bleibt (vgl. Vygotskij 1987; Fischer und Giesler 2025). Ich sehe das genauso. Es bringt nichts, wenn jeder nur für sich lernt. Lernen braucht Austausch, vor allem im Fremdsprachenunterricht, der auf Kommunikation angewiesen ist.

    Was den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Unterricht betrifft, da habe ich persönlich in der Schule noch keine Erfahrung gemacht. Privat habe ich aber zum Beispiel Duolingo benutzt. Ich finde, dass solche Tools sinnvoll sein können, vor allem um auf das eigene Lerntempo einzugehen. Aber ich denke auch, dass der Kontakt zu anderen und das gemeinsame Sprechen im Fremdsprachenlernen nie fehlen sollte. Technik kann unterstützen, aber nicht ersetzen, was echte Interaktion leisten kann.

    Verwendete Quellen:

    • Dose, Jan (2019): Inklusiver Englischunterricht. Eine empirische Studie zum Status quo in der Sekundarstufe I. Wiesbaden: Springer.
    • Vygotskij, Lew (1987): Ausgewählte Schriften. Band 2. Arbeiten zur psychischen Entwicklung der Persönlichkeit. Köln: Pahl-Rugenstein.
    • Vortrag: Fischer, Lea und Giesler, Tim (2025): Englischunterricht zwischen Selektion und Inklusion. Ringvorlesung „Heterogenität in der Schule“.
  • Mehrsprachigkeit im Schulalltag: Potenziale statt Defizite sehen

    Es passiert leider immer wieder: Mehrsprachige Schülerinnen und Schüler sollen trotz gymnasialer Eignung auf eine Oberschule gehen, nur weil ihre Deutschkenntnisse angeblich nicht ausreichen. Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich problematisch. Schule sollte doch gerade der Ort sein, an dem sprachliche Entwicklung gefördert und nicht durch starre Maßstäbe verhindert wird.

     Daase (2025) betont, dass Bildungssprache nichts ist, was Kinder von zu Hause mitbringen müssen. Sie muss in der Schule erlernt und aufgebaut werden. Wenn Kinder, die fachlich mitkommen und sozial integriert sind, wegen sprachlicher Feinheiten ausgeschlossen werden, zeigt das, wie defizitorientiert unser Bildungssystem oft denkt. Statt Ressourcen zu stärken, bauen wir Hürden auf.

    Ich habe selbst erlebt, wie es ist, mit einer anderen Erstsprache nach Deutschland zu kommen. Am Anfang hatte ich einen starken Akzent, und obwohl ich grammatikalisch korrekt gesprochen habe, wurde ich oft nicht richtig ernst genommen. Einfach, weil es ungewohnt klang. Das war ziemlich frustrierend. Zum Glück gab es Lehrkräfte, die mich unterstützt und mein Potenzial gesehen haben aber eben auch andere, die mich unterschätzt haben. Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, sich ausgeschlossen zu fühlen, einfach weil ich sprachlich noch nicht „mithalten“ konnte. Erst durch Freundschaften habe ich mich wohler gefühlt und genau diese sozialen Kontakte haben mir wiederum geholfen, schneller Deutsch zu lernen.

    Eine weitere Herausforderung war meine Mehrsprachigkeit selbst. Ich spreche insgesamt vier Sprachen, und je mehr ich mich auf Deutsch konzentrieren musste, desto mehr hatte ich das Gefühl, in den anderen Sprachen nachzulassen. Das war ein Balanceakt, für den im schulischen Alltag wenig Raum ist. Busch (2013) beschreibt, wie wichtig es ist, dass Schule die Mehrsprachigkeit von Kindern nicht nur duldet, sondern aktiv einbindet. Genau das ist bisher noch zu selten der Fall. In diesem Zusammenhang frage ich mich auch, warum in den meisten Schulen nur Sprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch als Fremdsprachen angeboten werden. Natürlich sind diese Sprachen wichtig aber sie decken nicht die Vielfalt ab, die unsere Gesellschaft längst prägt. In der Vorlesung wurde zum Beispiel ein Kind erwähnt, das gerne besser Polnisch lernen wollte, aber dafür keine Möglichkeit hatte. Ich glaube, dass solche Angebote nicht nur den sprachlichen Fähigkeiten zugutekommen würden, sondern auch der Identitätsentwicklung. Es würde den Kindern zeigen: Deine Sprache zählt auch im Klassenzimmer.

    Mir gefällt zum Beispiel der Gedanke, Eselsbrücken in anderen Sprachen zuzulassen. Wenn ein Kind durch ein Sprichwort in seiner Muttersprache einen Sachverhalt besser versteht, warum sollten wir das nicht nutzen? Es zeigt: Deine Sprache ist nicht im Weg, sie hilft dir beim Lernen. Gleichzeitig merke ich, dass mir noch konkrete Methoden fehlen, um mit sprachlich heterogenen Gruppen gut zu arbeiten. Ich wünsche mir Strategien, die alle Kinder mitnehmen, ohne jemanden zu überfordern oder auszuschließen. Fürstenau (2011) stellt heraus, wie wichtig es ist, Schülerinnen und Schüler an die Bildungssprache heranzuführen, ohne sie dabei zu entmutigen.

    Wir leben längst in einer mehrsprachigen Gesellschaft. Es ist Zeit, dass Schule das auch anerkennt. Sprache sollte kein Grund sein, jemanden auszuschließen. Es muss als Teil der Lebensrealität unserer Schülerinnen und Schüler verstanden werden. Ich stelle mir eine Schule vor, in der Herkunftssprachen genauso ernst genommen werden wie Deutsch oder Englisch. In der Sprachvergleiche, Übersetzungen oder auch Codeswitching zum Alltag gehören. Dafür braucht es nicht nur passende Materialien und Fortbildungen, sondern vor allem eine Haltung, die Mehrsprachigkeit als Schatz begreift und nicht als Hürde.

    Literaturverzeichnis

    Busch, Brigitta (2013): Mehrsprachigkeit. Wien: facultas.

    Daase, Andrea (2025): Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung in der gymnasialen Oberstufe. Vortrag im Rahmen der BAUMHET-Ringvorlesung am 22. April 2025, Universität Bremen.

    Fürstenau, Sara (2011): Mehrsprachigkeit als Voraussetzung und Ziel schulischer Bildung. In: Fürstenau, S.; Gomolla, M. (Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 25–50.

  • Migration im Klassenzimmer: Strukturen, Zuschreibungen und persönliche Erfahrungen

    Schule in Deutschland ist historisch auf Homogenität ausgerichtet, also darauf, dass die Schülerinnen und Schüler eine gemeinsame Sprache, Geschichte teilen und möglichst ohne Unterbrechung durch das System gehen. Migration bringt jedoch Brüche und Vielfalt mit sich, zum Beispiel wenn Kinder mitten im Schuljahr aus einem anderen Land kommen und erst Deutsch lernen müssen. Ich selbst bin aus Ghana nach Deutschland gekommen und musste zuerst die Sprache lernen. Schon damals habe ich gemerkt, wie sehr das Bildungssystem auf sprachliche und kulturelle Einheit eingestellt ist. Alles andere stört scheinbar die Routine. Dabei war es für mich völlig normal, mit einer anderen Schulbiografie anzukommen. Karakaşoğlu und Vogel (2025) betonen, dass genau solche Perspektiven ernst genommen und strukturell mitgedacht werden müssen. Auch die Grafik auf Folie 5 der Präsentation zeigt das deutlich: In manchen Bundesländern hat mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler eine Zuwanderungsgeschichte. Migration ist längst Normalität und sollte als solche in der Schule anerkannt werden.

    Fend (2009) beschreibt Schule unter anderem als Ort der Integration (Kohäsionsfunktion) und der gerechten Verteilung von Bildungschancen (Legitimierungsfunktion). In einer Migrationsgesellschaft stoßen beide Funktionen an ihre Grenzen, wenn Vielfalt nicht systematisch mitgedacht wird. Die Kohäsionsfunktion kann nur erfüllt werden, wenn Schule nicht auf kulturelle Einheit, sondern auf Anerkennung von Unterschiedlichkeit setzt, zum Beispiel durch mehrsprachige Materialien und diversitätsbewussten Unterricht. Auch die Legitimierungsfunktion wird infrage gestellt, wenn Lehrkräfte mit Vorannahmen oder unbewussten Erwartungen bewerten. Karakaşoğlu und Vogel (2025) fordern deshalb eine migrationssensible Schul- und Unterrichtsentwicklung, die strukturelle Benachteiligung abbaut und Chancengleichheit tatsächlich ermöglicht.

    Das Beispiel auf Folie 24 der Präsentation zeigt, wie schnell Lehrer und Lehrerinnen stereotype Erwartungen an Schülerinnen und Schüler haben können. Eine Schülerin wird immer wieder im Matheunterricht aufgerufen, obwohl sie sich nicht meldet, nur weil sie asiatisch aussieht und der Lehrer denkt, sie müsste es ja wissen. Das ist ein klarer Fall von Kulturalisierung, wie sie auch auf Folie 19 beschrieben wird. Die Reduktion eines Menschen auf vermeintlich kulturelle Merkmale. Daraus entsteht Othering. Die Schülerin wird nicht als Individuum gesehen, sondern als Vertreterin eines Klischees.

    Ich habe in meiner eigenen Schulzeit Ähnliches erlebt. Weil ich anfangs der deutschen Sprache nicht mächtig war, wurde mir auch in Fächern wie Mathe weniger zugetraut, obwohl das Fach ja sprachlich gar nicht im Vordergrund steht. Ich hatte oft das Gefühl, dass meine Hautfarbe und Herkunft automatisch mit einem Mangel an Wissen verbunden wurden. Solche Zuschreibungen sind verletzend und sie beeinflussen auch, wie ernst man genommen wird.

    Um Othering zu vermeiden, müssen Lehrkräfte lernen, ihre eigenen Bilder zu hinterfragen. Das bedeutet, Schülerinnen und Schüler nicht auf Herkunft, Aussehen oder Akzent zu reduzieren, sondern sie als individuelle Persönlichkeiten wahrzunehmen.

    Literaturverzeichnis

    Fend, H. (2009): Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

    Karakaşoğlu, Y. & Vogel, D. (2025): Migration bewegt Schule. Transnationalität als Impuls für Schulentwicklung und Lehrkräftebildung. Stuttgart: Kohlhammer.

    Karakaşoğlu, Y. (2025): (Welt-)Gesellschaftliche Veränderungen, Migration und die Reaktion von Schule. Präsentation zur Sitzung am 15.04.2025, Universität Bremen, BAUMHET GO

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