Pferde-science-fiction?

25. Juni 2015

Ermitteln Sie in einer Lehrbuchreihe Ihrer Wahl Aufgaben, die Ihrer Ansicht nach besonders Jungen oder besonders Mädchen ansprechen. Versuchen Sie diese Aufgabe(n) mit einer umgekehrten Gender-Orientierungumzuformulieren.

Da im Rahmen des Studiums vor allem bezogen auf das Fach Deutsch mehrfach betont wurde, dass unter den SchülerInnen besonders die Jungen zum Lesen motiviert werden sollten, ging es inhaltlich häufig um Ansätze, wie dieser Zielgruppe Literatur nahegelegt werden könne.

Auch aus meiner eigenen Schulzeit kann ich mich daran erinnern, dass insbesondere im Englischunterricht ein bis zwei Werke aus der Gattung „Science Fiction“ in den jährlichen Literaturkatalog integriert waren. Nun ist es meiner Meinung nach schon falsch, diese Literatur eindeutig und vor allem ausschließlich der Zielgruppe der Jungen zuzuordnen. Insofern kann ich mich nur schwer mit der Aufgabenstellung abfinden, da es einer klaren Rollenzuschreibung bedarf um davon auszugehen, dass eine Aufgabe „für Jungen“ oder „für Mädchen“ ist.

Sofern die Gesamtheit der Aufgaben sich auf viele variierende Themen bezieht, ist eine solche Zuschreibung meiner Meinung nach unnötig. Man würde es sich folglich zu einfach machen, wenn man nun so klassische Themen wie „Fußball“ und „Pferde“ aufgreifen und diskutieren würde. Für jedes Thema gibt es eine heterogene Zielgruppe. Zum Ziel sollte man es sich vielmehr machen, eine gewisse Vielfalt anzubieten und zu bestimmten Themen möglicherweise noch eine Alternative im Ärmel zu haben.

So bedarf es außerdem einer Lehrkraft, die auch SchülerInnen außerhalb dieser „Zielgruppe“ für ein Thema begeistern kann. Die Frage nach einer Geschlechtsspezifischen Aufgabe wäre somit schon im Vorfeld irrelevant.

Die Methode des offenen Unterrichts lässt sich so beschreiben, dass es eine Form des Unterrichts ist, bei denen Schülerinnen und Schülern Herangehensweisen und Abfolge von Bearbeitung von Lerninhalten freigestellt bleiben. SuS bekommen einen gewissen „Workload“ der zu verinnerlichen/bearbeiten ist, können sich jedoch für eine Reihenfolge oder auch die Zeit und den Ort der Bearbeitung (teilweise) frei entscheiden.

Zu den Vorteilen dieser Unterrichtsmethode zählt, dass jeder Schüler eine für sich passende Form des Lernens entwickeln kann. Die SuS lernen außerdem, sich ihre Aufgaben einzuteilen und kommen somit mit Zeitmanagement in Berührung. So können sie individuelle Präferenzen einbauen, welches zu einer erhöhten Motivation führen kann. Methodik und Zeitraum können an persönliche Bedürfnisse angepasst werden. Darüber hinaus nehmen die SuS eine Eigenverantwortung an, welche im Hinblick auf den weiteren Bildungsweg von Vorteil sein kann.

Nachteile dieser Methode lassen sich deutlich erkennen, wenn die erforderte Leistungsbereitschaft in der Klasse nicht vorhanden ist. Auch ist es für die Lehrkraft schwierig, einen Überblick über den Stand der gesamten Gruppe zu haben. SuS, welche über diese Eigenständigkeit nicht vermögen oder Schwierigkeiten mit den Lerninhalten haben, sind bei dieser Methode gefährdet, nicht folgen zu können bzw. den Anschluss zu verlieren.

Diese Methode im Rahmen einer Inklusionsklasse nicht anzuführen erkläre ich mir durch die Schwierigkeiten und Gefahren, welche in einer solchen Klasse auftauchen können. InklusionsschülerInnen bedürfen teilweise einer besonderen Aufmerksamkeit und starker Unterstützung, welche sie durch den offenen Unterricht nicht zugeteilt bekommen könnten. Hier ist das Risiko „unterzugehen“ besonders hoch, da bei dem offenen Unterricht nicht am Ende einer jeden Stunde Lernerfolge und Leistungen abgefragt werden können. Mit der Form des offenen Unterrichts könnte dieses SuS schlichtweg überfordert sein.

Die sich in der inklusiven Pädagogik unterscheidenen politischen Diskussionslinien der „mainstream/full inclusion“ und der „educational inclusion“ stellen sich den Schulalltag für beeinträchtigte SchülerInnen unterschiedlich vor.

Die „full inclusion“ setzt somit auf ein obligatorisch gemeinsames Unterrichten aller SchülerInnen. Unabhängig von physischen, psychischen oder geistigen Beeinträchtigungen sind diese Kinder in den „regulären“ Schulalltag zu integrieren. Die VertreterInnen sprechen sich für eine sonderpädagogische Ausbildung der Lehrkräfte aus, welches spezielle Förderzentren, sowie SonderpädagogInnen entbehrlich werden lassen würde. Jedwede andere Form von Unterricht verstöße ihrer Meinung nach gegen die Menschenrechte.

VertreterInnen der „educational inclusion“ hingegen sprechen sich zwar klar für das Recht, gemeinsam unterrichtet zu werden aus, wollen jedoch gleichzeitig die Möglichkeit gewähren, fakultativ eine Förderschule zu besuchen, welche auf besondere Bedürfnisse der SchülerInnen eingehen kann.

Wenn man sich nun das Fallbeispiel der Schülerin Lena zu Rate zieht, welche eine komplexe Behinderung hat, die sie geistig und körperlich einschränkt, so wird doch schnell deutlich, dass Lena eine besondere Aufmerksamkeit braucht. Nicht nur bedürfte es einer barrierefreien Schule, da sie auf einen Rollstuhl angewiesen ist, auch stelle ich es mir schwierig vor, als Lehrkraft mit einer Klassenstärke von über 20 Schülern genügend auf Lena eingehen zu können, da diese sich lediglich durch Gestik und Mimik zu verständigen weiß. Nun müsste die Lehrkraft mit Aufmerksamkeit, Feingefühl und eben auch der Leistungsvermittlung Jonglieren und hierbei allen Schülern gerecht werden.

So stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt in Lenas Sinne wäre, in einer Klasse mit so vielen SchülerInnen zu sitzen, und täglich diese besondere Aufmerksamkeit einzufordern. Ihre Beeinträchtigung stellt bereits ein Alleinstellungsmerkmal dar, welches sie nicht unbedingt in eine angenehme Position innerhalb der Klasse bringt. Ihr nun vorzuschreiben, sie müsse eine „reguläre“ Schule besuchen und dies mit dem Recht darauf zu begründen ist meiner Meinung nach schon eine andere Form von Verletzung der Menschenrechte. Wenn die Pädagogik nun schon den Umgang mit Heterogenität prädigt, so sollte diese Heterogenität auch innerhalb der Institutionen bestehen und Lenas das Recht lassen, zu wählen, wie und wo sie ihren Schulalltag bestreiten möchte.