Mehr Schein als Sein – Warum das WIE ausschlaggebend für Ihre CSR-Authentizität ist

von Rena Baumbach, Leoni Senkbeil & Luise Wonneberger

Was haben Ryanair als “Europas emissionsärmste Fluggesellschaft”, Lufthansa, die “die Zukunft schützt” und Etihads “nachhaltiger Luftverkehr” gemeinsam? Genau, sie alle gehen mit gutem Beispiel beim Thema Umwelt- und Klimaschutz voran – scheinbar. Aber kann das wirklich sein? Vielleicht halten Sie solche Maßnahmen im Kontext von Corporate Social Responsibility (CSR), also der Verantwortungsübernahme von Unternehmen, für nicht ganz glaubwürdig und denken wie viele andere auch an das Stichwort Greenwashing. Aber woran liegt dieses Störgefühl? Dieser Frage wird im Folgenden auf den Grund gegangen und neben einem theoretischen Rahmen auch spannende, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse aus der Praxis vorgestellt.

Wie werden Urteile gebildet?

Fundamental für die persönliche Haltung gegenüber CSR-Maßnahmen ist die Beurteilung der Authentizität dieser. Dafür werden Zuschreibungen, auch Attributionen genannt, bezüglich der Ursachen einer Situation vorgenommen. Als theoretische Grundlage hat sich hierfür das Kovariationsprinzip des Sozialpsychologen Harold Kelley in der Praxis durchgesetzt.  Kelley hat sich grundsätzlich mit der Frage beschäftigt, wie die Erfolge oder Misserfolge anderer begründet werden und welche Ursachen dafür herangezogen werden. Das Kovariationsprinzip besagt, dass die Beurteilung einer Ursachenzuschreibung anhand der folgenden drei Dimensionen verläuft:

  • Konsens: Verhalten sich andere unter den gleichen Umständen genauso wie das beobachtete Objekt (das Objekt ist variabel und kann z. B. eine Person oder ein Unternehmen sein)?
  • Distinktheit: Verhält sich das Objekt unter anderen Umständen anders?
  • Konsistenz: Verhält sich das Objekt unter gleichen Umständen immer gleich?

Wurde in allen drei Dimensionen eine Beurteilung vorgenommen, kann als Endergebnis entweder das Objekt selbst, ein bestimmter Stimulus (Reiz, der eine Reaktion auslöst) oder eine Situation für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich gemacht werden.

Wie sieht das Ganze nun konkret aus? Hierzu ein Beispiel aus dem Arbeitsalltag: ein Teammitglied erbringt in einem Projekt eine gute Leistung. Stellen Sie nun fest, dass andere Teammitglieder im Rahmen des gleichen Projektes ein schlechtes Feedback bekommen haben (Konsens gering), das Teammitglied in ähnlichen Projekten immer gute Leistungen erbringt (Konsistenz hoch) und auch in inhaltlich anderen Projekten gute Leistungen erbringt (Distinktheit gering), werden Sie die Leistung den Fähigkeiten der Person zuschreiben. Sie kommen zu folgendem Schluss: das Teammitglied ist leistungsstark (Ursachenzuschreibung zum Objekt). 

Hier einmal eine Grafik, um das Ganze nachvollziehen zu können: 

Was haben diese Erkenntnisse der Attributionstheorien nun aber mit der Wahrnehmung von CSR-Aktivitäten zu tun?

Die Attributionstheorien lassen sich auf verschiedene Kontexte anwenden. So wurde auf Basis des Kovariationsprinzips in einer Studie von Moehl und Friedman (2022) untersucht, wie man die Erkenntnisse zu Konsens, Konsistenz und Distinktheit auf das Konsumverhalten und Wahrnehmung von CSR-Aktivitäten übertragen kann. Studien haben gezeigt, dass Produkte und Dienstleistungen eher konsumiert werden, wenn die Authentizität der Maßnahmen als hoch eingeschätzt wird. Fällt die Einschätzung gering aus, verlieren Sie Kundschaft. Wie trifft Ihre Kundschaft also die Entscheidung, ob Ihr Unternehmen in Bezug auf CSR als authentisch wahrgenommen wird? 

Kurze Erklärung: Damit Sie einmal abgeholt werden, folgt hier eine kurze Auffrischung zum Thema CSR in Zusammenhang mit Attributionen: CSR-Maßnahmen können in zwei Attributions-Kategorien eingeteilt werden: symbolische und substanzielle Attribution. Symbolische Attribution beschreibt hierbei, dass als Ursachen der CSR-Maßnahmen von Unternehmen vor allem Imageverbesserung und Profit zugeschrieben werden. Nehmen Kund:innen aber als mögliche Ursachen echte tiefgreifende Motivation und Verpflichtung zur Verbesserung des Gemeinwohls wahr, erfolgt die Zuschreibung der Ursachen substanziell.

Warum diese Wahrnehmung einen entscheidenden Unterschied macht, zeigt sich bereits in vorherigen Studien (z. B. von Marin et al., 2016), welche einen Zusammenhang von Ursachenzuschreibung der CSR-Maßnahmen zu folgenden Aspekten auf Seiten der Mitarbeitenden belegte: Engagement, Arbeitszufriedenheit sowie Vertrauen in den Arbeitgeber und das Unternehmen. Diese Aspekte empfanden die Mitarbeitenden folglich stärker bei substanzieller Attribution und geringer bei symbolischer Attribution. Dies bietet bereits erste Erkenntnisse hinsichtlich des Erfolgs von CSR-Maßnahmen, wenn die richtigen Bedingungen für eine substanzielle Attribution gegeben sind.

Eine Studie aus New York von Moehl und Friedman (2022) kann diese Erkenntnisse noch auf den Kontext Konsum erweitern. Auf Basis des Kovariationsprinzips können nun spannende Erkenntnisse hinsichtlich der Wahrnehmung der Authentizität von CSR-Maßnahmen gewonnen werden. Für Unternehmen liefert das wichtige Hinweise darauf, wie sie durch substanzielle Attributionen Kundschaft für sich gewinnen können.

So liefert die Studie zum Beispiel die Erkenntnis, dass Kund:innen CSR-Maßnahmen eher substanziellen Ursachen zuschreiben, wenn die CSR-Aktivitäten in der Branche/im Wettbewerb einzigartig sind (geringer Konsens), über verschiedene Bereiche des Unternehmens praktiziert werden (geringe Distinktheit) und über einen langen Zeitraum erfolgen (hohe Konsistenz). Dies führt  zu einer verstärkten wahrgenommenen Authentizität der CSR-Maßnahmen. Ein weiteres Ergebnis beschreibt, dass Kund:innen CSR-Maßnahmen eher symbolische Ursachen zuschreiben, wenn die CSR-Aktivitäten für die Branche/Wettbewerb üblich sind (hoher Konsens), nur in Teilbereichen des Unternehmens ausgeführt werden (hohe Distinktheit) und hauptsächlich nur zum aktuellen Zeitpunkt durchgeführt werden (geringe Konsistenz). Auch wenn diese zweite Behauptung nur teilweise bestätigt werden kann, zeigt sich sehr deutlich, dass es für eine authentische Wahrnehmung Ihres Unternehmens in Bezug auf CSR-Aktivitäten wichtig ist, sich tiefgreifende Gedanken zu machen und nicht einfach nur “das zu machen, was alle anderen auch machen.”

Aber WIE kann das nun konkret aussehen?

Natürlich ist die Implementierung von CSR-Maßnahmen ein langwieriger Prozess, aber mit den folgenden vier Tipps sollte es Ihnen um einiges leichter fallen, das richtige CSR-Konzept für Ihr Unternehmen umzusetzen.

  1. Stechen Sie aus der Masse hervor

Entwickeln Sie CSR-Maßnahmen, die sich von anderen Wettbewerbern in Ihrer Branche unterscheiden. Statt beispielsweise ein weltweit bekanntes soziales Projekt zu unterstützen, schauen Sie doch einmal, welche regionalen Initiativen es gibt, die im Einklang mit Ihren Unternehmenswerten stehen. 

  1. Denken Sie langfristig

Klar, eine einmalige große Spende mag verlockend klingen, aber diese Aktion könnte schnell dazu führen, dass Ihr Engagement als oberflächlich angesehen wird. Setzen Sie daher lieber auf Kontinuität. Denn CSR-Maßnahmen sollten nicht nur auf den aktuellen Zeitpunkt abzielen, sondern langfristig angelegt sein.

  1. Schwimmen Sie bewusst gegen den Strom

Folgen Sie nicht blind den Branchenstandards, ohne darüber nachzudenken, wie Sie sich differenzieren können. Einfach das zu tun, was andere auch machen, führt zu einer weniger authentischen Wahrnehmung.

  1. Verfolgen Sie ganzheitliche Ansätze 

Implementieren Sie CSR-Maßnahmen, die über verschiedene Bereiche Ihres Unternehmens hinweg durchgeführt werden. Ein ganzheitlicher Ansatz signalisiert Engagement und trägt zur wahrgenommenen Authentizität bei.

Abschließend lässt sich also sagen, dass das Kovariationsprinzip von Kelley einen nützlichen Rahmen für die Untersuchung der von den Kund:innen wahrgenommenen Authentizität von CSR-Maßnahmen Ihres Unternehmens bietet. Das Potenzial, das sich aus diesen Erkenntnissen schöpfen lässt, ist riesig. Fokussieren Sie sich daher auf die substanzielle Attribution. So können Sie und Ihr Unternehmen von einer Verbesserung des Images, neuer sowie treuer Kundschaft und letztendlich sowohl höheren Umsätzen als auch einem bleibenden positiven Einfluss auf die Gesellschaft profitieren.


Literatur:

Marin, L., Cuestas, P .J. & Roman, S. (2016). Determinants of consumer attributions of corporate social  responsibility.  Journal of Business Ethics, 138(2), 247-260.

Martinko, M. J. & Thomson, N. F. (1998). A Synthesis and Extension of the Weiner and Kelley Attribution Models. Basic and Applied Social Psychology, 20(4), 271-284. https://www.tandfonline.com/action/showCitFormats?doi=10.1207/s15324834basp2004_4 

Moehl, S. & Friedman, B. A. (2022). Consumer perceived authenticity of organizational corporate social responsibility (CSR) statements: a test of attribution theory. Social Responsibility Journal, 18(4), 1747-1117. http://dx.doi.org/10.1108/SRJ-07-2020-0296 

Reuters, Lr. (2024, 23. Januar). Greenwashing-Werbung: Diese Fluggesellschaften stehen in der Kritik. Airliners. https://www.airliners.de/greenwashing-werbung-fluggesellschaften-stehen-kritik/72167 

Bildquellen: 

Act Act Act (o. J.). Psychologie Aufnahmetest Zusammenfassung Kapitel 10. Act Act Act. Abgerufen am 22.01.2024 von https://www.act-act-act.com/psychologie-aufnahmetest-vorbereitung-kapitel10 

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