von Madleen Geisler, Filiz Yüzücü & Maleen Schubert
In der hektischen Welt des 9-to-5-Jobs gerät jede:r von uns früher oder später zwischen privaten Krisen und stressigen Deadlines in einen Konflikt ‒ kleine Dramen lauern hinter jeder Ecke, ob in kollegialen Besprechungen oder beim täglichen Plausch an der Kaffeemaschine. Doch bevor du dich in einem Netz aus Missverständnissen und erhitzten Gemütern verfängst, wollen wir gemeinsam einen Blick auf mögliche Herausforderungen werfen. Herausforderungen, die uns das Miteinander manchmal schwerer machen, als es nötig wäre und wie wir einen konstruktiven Umgang mit ihnen finden können.
Wir begeben uns in folgende Situation: du präsentierst gerade deine ‒ wohlgemerkt ziemlich durchdachte ‒ Idee deinen Kolleg:innen sowie der Chefin im Meeting, als ein Kollege dir ins Wort fällt, er habe eine noch bessere. Das nervt dich, schließlich bist du ziemlich stolz auf deine Idee und solche egozentrischen Typen, die keine anderen Lösungen als ihre eigenen akzeptieren, kannst du generell nicht ausstehen. Eigentlich kennst du deinen Kollegen gar nicht gut genug, um ihn als egozentrischen Menschen zu bezeichnen ‒ diese Zuschreibung nennt sich Attribution und ist eine Erklärung, die du dir für das Verhalten deines Kollegen oftmals unbewusst zurechtlegst.
Hierfür kann die Attributionstheorie nach Heider (1958) einen Erklärungsansatz liefern. Die Theorie erklärt, wie Menschen zu Schlussfolgerungen über die Ursachen für das Verhalten anderer Menschen oder des eigenen Verhaltens gelangen. Diese können z. B. durch das Zuschreiben bestimmter Persönlichkeitseigenschaften und Motive oder auch durch situative Faktoren erfolgen. In diesem konkreten Fall bedeutet das, dass du deinem Kollegen zuschreibst, ein egozentrischer Mensch zu sein und dass er dir deswegen ins Wort gefallen sei. Deine Annahme in dieser Situation könnte sein, dass dein Kollege dir ins Wort fällt, da die Chefin anwesend ist und er im Hinblick auf die baldigen Gehaltsverhandlungen im guten Licht dastehen möchte. Diese Annahme lässt dich nicht unberührt: dadurch, dass du eine schlechte Absicht deines Kollegen vermutest, gehst du nicht mehr so empathisch auf seine Idee ein, wie du es ohne Vorannahmen tun würdest. So sinkt deine Kooperationsbereitschaft ihm gegenüber, was nun wiederum negative Auswirkungen auf den weiteren Verlauf eures sich formenden Konflikts hat.
Einen ähnlichen Prozess konnten Cohen-Chen et al. (2023) in ihrer Forschungsarbeit von sechs einzelnen Studien belegen. Sie untersuchten, wie sich die Gleichgültigkeit des Gegenübers im Konflikt auf die eigene Bereitschaft auswirkt, mit diesem zusammenzuarbeiten, wenn das Gegenüber keine enge Bezugsperson ist. Gleichgültigkeit bedeutet hierbei, dass auf eine emotionale Situation überraschend unemotional reagiert wird. Die Forschung zeigt, dass Personen weniger bereit sind, mit ihrem Gegenüber zu kooperieren, wenn dieses im Konflikt gleichgültig wirkt. Für diesen Prozess nennen die Forscher:innen mehrere Gründe: zum einen macht es schlechtere Laune, wenn dem Gegenüber der Konflikt egal zu sein scheint. Zum anderen vermutet man bei einem Gegenüber mit “Mir-doch-egal-Haltung” vielleicht, dass dieses im Konflikt nicht mit einem kooperieren wird ‒ warum sollte man da schließlich selbst noch kooperationsbereit bleiben?
Konflikte am Arbeitsplatz sind unvermeidlich, doch wie wir mit ihnen umgehen, kann den entscheidenden Unterschied machen. Anstelle von Konfrontation und Abwehr sollten wir auf Anerkennung, Verständnis, gemeinsame Lösungen und somit auf Kooperation setzen. Deutsch (2011) hat einige Strategien benannt, um Konflikte konstruktiv anzugehen und eine positive Entwicklung für alle Beteiligten zu fördern. Zunächst betont er die Relevanz der passenden Haltung: es ist essenziell, sich als Team zu begreifen und Gemeinsamkeiten in Einstellung, Werten und Ideen zu identifizieren, um so eine Grundlage für die Lösung des Konflikts zu schaffen. Interessenkonflikte betrachtet er dabei als gemeinsame Probleme, die in Zusammenarbeit gelöst werden sollten. Die Kooperationsbereitschaft fördert nicht nur das Verständnis füreinander, sondern führt auch zu nachhaltigen Lösungen, von denen alle profitieren können.
Wenn du den Konflikt mit deinem Kollegen also lösen oder gar vermeiden möchtest, ist es entscheidend, dich auf seine positiven Eigenschaften zu konzentrieren. Auch wenn dir dies zuerst schwerfallen mag, kann sich so die Atmosphäre zum Positiven ändern und eure gemeinsame Lösungssuche stützen. Zudem kann eine empathische Herangehensweise, die auch auf die Perspektive deines Kollegen Rücksicht nimmt, euren Prozess hin zu einer positiven Lösung eures Konflikts beeinflussen.
Ein weiterer Schlüssel ist die offene Kommunikation ‒ fördere daher einen Dialog, der ermöglicht, dass du und dein Kollege an der Situation wachsen könnt. Nutze dabei auch die Unterstützung von anderen Kolleg:innen, um euer Teamgefühl weiter zu stärken und sorge dabei immer für Ausgewogenheit, damit sich alle Beteiligten fair behandelt und gehört fühlen. Möchtest du das Problem direkt ansprechen, ist es dabei wichtig, persönliche Angriffe zu vermeiden und stattdessen auf eine respektvolle Kommunikation zu setzen. Gemeinsame Fortschritte schaffen eine positive Dynamik, von der alle profitieren und legen so die Grundlage für eine angenehme und produktive weitere Zusammenarbeit. Selbstreflexion und der Abstand von der Situation können in deinem Team Schlüsselaspekte für eine dauerhaft gelingende Konfliktlösung sein.
Also: versuch doch, deine Attributionen beim nächsten Meeting aktiv zu reflektieren und mögliche Konflikte als Chancen für Wachstum und Entwicklung für alle Beteiligten zu betrachten. Mit einer kooperativen und win-win-orientierten Einstellung kannst du positive Veränderungen bewirken und die Arbeitsatmosphäre nachhaltig verbessern.
Literatur:
Cohen-Chen, S., Brady, G. L., Massaro, S., & van Kleef, G. A. (2022). Meh, whatever: The effects of indifference expressions on cooperation in social conflict. Journal of Personality and Social Psychology, 123(6), 1336–1361. https://doi.org/10.1037/pspi0000392
Deutsch, M. (2011). Cooperation and competition. In P. T. Coleman (Ed.), Conflict, interdependence, and justice: The intellectual legacy of Morton Deutsch, 23–40. Springer Science + Business Media. https://doi.org/10.1007/978-1-4419-9994-8_2
Heider, F. (1958). The psychology of interpersonal relations. Wiley. http://dx.doi.org/10.1037/10628-000
Bildquellen:
Unsplash (2020). Menschen sitzen auf Stühlen mit braunen Stühlen, abgerufen am 28.01.2024. https://unsplash.com/de/fotos/menschen-sitzen-auf-stuhlen-mit-braunem-holztisch-mlVbMbxfWI4