Mehr Schein als Sein – Warum das WIE ausschlaggebend für Ihre CSR-Authentizität ist

von Rena Baumbach, Leoni Senkbeil & Luise Wonneberger

Was haben Ryanair als “Europas emissionsärmste Fluggesellschaft”, Lufthansa, die “die Zukunft schützt” und Etihads “nachhaltiger Luftverkehr” gemeinsam? Genau, sie alle gehen mit gutem Beispiel beim Thema Umwelt- und Klimaschutz voran – scheinbar. Aber kann das wirklich sein? Vielleicht halten Sie solche Maßnahmen im Kontext von Corporate Social Responsibility (CSR), also der Verantwortungsübernahme von Unternehmen, für nicht ganz glaubwürdig und denken wie viele andere auch an das Stichwort Greenwashing. Aber woran liegt dieses Störgefühl? Dieser Frage wird im Folgenden auf den Grund gegangen und neben einem theoretischen Rahmen auch spannende, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse aus der Praxis vorgestellt.

Wie werden Urteile gebildet?

Fundamental für die persönliche Haltung gegenüber CSR-Maßnahmen ist die Beurteilung der Authentizität dieser. Dafür werden Zuschreibungen, auch Attributionen genannt, bezüglich der Ursachen einer Situation vorgenommen. Als theoretische Grundlage hat sich hierfür das Kovariationsprinzip des Sozialpsychologen Harold Kelley in der Praxis durchgesetzt.  Kelley hat sich grundsätzlich mit der Frage beschäftigt, wie die Erfolge oder Misserfolge anderer begründet werden und welche Ursachen dafür herangezogen werden. Das Kovariationsprinzip besagt, dass die Beurteilung einer Ursachenzuschreibung anhand der folgenden drei Dimensionen verläuft:

  • Konsens: Verhalten sich andere unter den gleichen Umständen genauso wie das beobachtete Objekt (das Objekt ist variabel und kann z. B. eine Person oder ein Unternehmen sein)?
  • Distinktheit: Verhält sich das Objekt unter anderen Umständen anders?
  • Konsistenz: Verhält sich das Objekt unter gleichen Umständen immer gleich?

Wurde in allen drei Dimensionen eine Beurteilung vorgenommen, kann als Endergebnis entweder das Objekt selbst, ein bestimmter Stimulus (Reiz, der eine Reaktion auslöst) oder eine Situation für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich gemacht werden.

Wie sieht das Ganze nun konkret aus? Hierzu ein Beispiel aus dem Arbeitsalltag: ein Teammitglied erbringt in einem Projekt eine gute Leistung. Stellen Sie nun fest, dass andere Teammitglieder im Rahmen des gleichen Projektes ein schlechtes Feedback bekommen haben (Konsens gering), das Teammitglied in ähnlichen Projekten immer gute Leistungen erbringt (Konsistenz hoch) und auch in inhaltlich anderen Projekten gute Leistungen erbringt (Distinktheit gering), werden Sie die Leistung den Fähigkeiten der Person zuschreiben. Sie kommen zu folgendem Schluss: das Teammitglied ist leistungsstark (Ursachenzuschreibung zum Objekt). 

Hier einmal eine Grafik, um das Ganze nachvollziehen zu können: 

Was haben diese Erkenntnisse der Attributionstheorien nun aber mit der Wahrnehmung von CSR-Aktivitäten zu tun?

Die Attributionstheorien lassen sich auf verschiedene Kontexte anwenden. So wurde auf Basis des Kovariationsprinzips in einer Studie von Moehl und Friedman (2022) untersucht, wie man die Erkenntnisse zu Konsens, Konsistenz und Distinktheit auf das Konsumverhalten und Wahrnehmung von CSR-Aktivitäten übertragen kann. Studien haben gezeigt, dass Produkte und Dienstleistungen eher konsumiert werden, wenn die Authentizität der Maßnahmen als hoch eingeschätzt wird. Fällt die Einschätzung gering aus, verlieren Sie Kundschaft. Wie trifft Ihre Kundschaft also die Entscheidung, ob Ihr Unternehmen in Bezug auf CSR als authentisch wahrgenommen wird? 

Kurze Erklärung: Damit Sie einmal abgeholt werden, folgt hier eine kurze Auffrischung zum Thema CSR in Zusammenhang mit Attributionen: CSR-Maßnahmen können in zwei Attributions-Kategorien eingeteilt werden: symbolische und substanzielle Attribution. Symbolische Attribution beschreibt hierbei, dass als Ursachen der CSR-Maßnahmen von Unternehmen vor allem Imageverbesserung und Profit zugeschrieben werden. Nehmen Kund:innen aber als mögliche Ursachen echte tiefgreifende Motivation und Verpflichtung zur Verbesserung des Gemeinwohls wahr, erfolgt die Zuschreibung der Ursachen substanziell.

Warum diese Wahrnehmung einen entscheidenden Unterschied macht, zeigt sich bereits in vorherigen Studien (z. B. von Marin et al., 2016), welche einen Zusammenhang von Ursachenzuschreibung der CSR-Maßnahmen zu folgenden Aspekten auf Seiten der Mitarbeitenden belegte: Engagement, Arbeitszufriedenheit sowie Vertrauen in den Arbeitgeber und das Unternehmen. Diese Aspekte empfanden die Mitarbeitenden folglich stärker bei substanzieller Attribution und geringer bei symbolischer Attribution. Dies bietet bereits erste Erkenntnisse hinsichtlich des Erfolgs von CSR-Maßnahmen, wenn die richtigen Bedingungen für eine substanzielle Attribution gegeben sind.

Eine Studie aus New York von Moehl und Friedman (2022) kann diese Erkenntnisse noch auf den Kontext Konsum erweitern. Auf Basis des Kovariationsprinzips können nun spannende Erkenntnisse hinsichtlich der Wahrnehmung der Authentizität von CSR-Maßnahmen gewonnen werden. Für Unternehmen liefert das wichtige Hinweise darauf, wie sie durch substanzielle Attributionen Kundschaft für sich gewinnen können.

So liefert die Studie zum Beispiel die Erkenntnis, dass Kund:innen CSR-Maßnahmen eher substanziellen Ursachen zuschreiben, wenn die CSR-Aktivitäten in der Branche/im Wettbewerb einzigartig sind (geringer Konsens), über verschiedene Bereiche des Unternehmens praktiziert werden (geringe Distinktheit) und über einen langen Zeitraum erfolgen (hohe Konsistenz). Dies führt  zu einer verstärkten wahrgenommenen Authentizität der CSR-Maßnahmen. Ein weiteres Ergebnis beschreibt, dass Kund:innen CSR-Maßnahmen eher symbolische Ursachen zuschreiben, wenn die CSR-Aktivitäten für die Branche/Wettbewerb üblich sind (hoher Konsens), nur in Teilbereichen des Unternehmens ausgeführt werden (hohe Distinktheit) und hauptsächlich nur zum aktuellen Zeitpunkt durchgeführt werden (geringe Konsistenz). Auch wenn diese zweite Behauptung nur teilweise bestätigt werden kann, zeigt sich sehr deutlich, dass es für eine authentische Wahrnehmung Ihres Unternehmens in Bezug auf CSR-Aktivitäten wichtig ist, sich tiefgreifende Gedanken zu machen und nicht einfach nur “das zu machen, was alle anderen auch machen.”

Aber WIE kann das nun konkret aussehen?

Natürlich ist die Implementierung von CSR-Maßnahmen ein langwieriger Prozess, aber mit den folgenden vier Tipps sollte es Ihnen um einiges leichter fallen, das richtige CSR-Konzept für Ihr Unternehmen umzusetzen.

  1. Stechen Sie aus der Masse hervor

Entwickeln Sie CSR-Maßnahmen, die sich von anderen Wettbewerbern in Ihrer Branche unterscheiden. Statt beispielsweise ein weltweit bekanntes soziales Projekt zu unterstützen, schauen Sie doch einmal, welche regionalen Initiativen es gibt, die im Einklang mit Ihren Unternehmenswerten stehen. 

  1. Denken Sie langfristig

Klar, eine einmalige große Spende mag verlockend klingen, aber diese Aktion könnte schnell dazu führen, dass Ihr Engagement als oberflächlich angesehen wird. Setzen Sie daher lieber auf Kontinuität. Denn CSR-Maßnahmen sollten nicht nur auf den aktuellen Zeitpunkt abzielen, sondern langfristig angelegt sein.

  1. Schwimmen Sie bewusst gegen den Strom

Folgen Sie nicht blind den Branchenstandards, ohne darüber nachzudenken, wie Sie sich differenzieren können. Einfach das zu tun, was andere auch machen, führt zu einer weniger authentischen Wahrnehmung.

  1. Verfolgen Sie ganzheitliche Ansätze 

Implementieren Sie CSR-Maßnahmen, die über verschiedene Bereiche Ihres Unternehmens hinweg durchgeführt werden. Ein ganzheitlicher Ansatz signalisiert Engagement und trägt zur wahrgenommenen Authentizität bei.

Abschließend lässt sich also sagen, dass das Kovariationsprinzip von Kelley einen nützlichen Rahmen für die Untersuchung der von den Kund:innen wahrgenommenen Authentizität von CSR-Maßnahmen Ihres Unternehmens bietet. Das Potenzial, das sich aus diesen Erkenntnissen schöpfen lässt, ist riesig. Fokussieren Sie sich daher auf die substanzielle Attribution. So können Sie und Ihr Unternehmen von einer Verbesserung des Images, neuer sowie treuer Kundschaft und letztendlich sowohl höheren Umsätzen als auch einem bleibenden positiven Einfluss auf die Gesellschaft profitieren.


Literatur:

Marin, L., Cuestas, P .J. & Roman, S. (2016). Determinants of consumer attributions of corporate social  responsibility.  Journal of Business Ethics, 138(2), 247-260.

Martinko, M. J. & Thomson, N. F. (1998). A Synthesis and Extension of the Weiner and Kelley Attribution Models. Basic and Applied Social Psychology, 20(4), 271-284. https://www.tandfonline.com/action/showCitFormats?doi=10.1207/s15324834basp2004_4 

Moehl, S. & Friedman, B. A. (2022). Consumer perceived authenticity of organizational corporate social responsibility (CSR) statements: a test of attribution theory. Social Responsibility Journal, 18(4), 1747-1117. http://dx.doi.org/10.1108/SRJ-07-2020-0296 

Reuters, Lr. (2024, 23. Januar). Greenwashing-Werbung: Diese Fluggesellschaften stehen in der Kritik. Airliners. https://www.airliners.de/greenwashing-werbung-fluggesellschaften-stehen-kritik/72167 

Bildquellen: 

Act Act Act (o. J.). Psychologie Aufnahmetest Zusammenfassung Kapitel 10. Act Act Act. Abgerufen am 22.01.2024 von https://www.act-act-act.com/psychologie-aufnahmetest-vorbereitung-kapitel10 

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Mit großer Macht kommt große Verantwortung – Wie Führungskräfte ihre Mitarbeitenden ermächtigen können

von Julian Ismail, Oliver Koch & Alina Wortmann

Was haben schlechte Manieren, Mitsprache am Arbeitsplatz oder Streit unter Geschwistern gemeinsam? Ganz einfach: Macht.  

Macht ist dem Philosophen Bertrand Russell (1938) zufolge die Basis jeder sozialen Beziehung. Sie drückt sich darin aus, dass Personen in der Lage sind, andere durch die Bereitstellung oder Zurückhaltung von Ressourcen sowie das Verhängen von Strafen zu beeinflussen (Keltner et al., 2003). Diese Ressourcen und Bestrafungen können materiell sein, wie z.B. Essen oder Geld oder sozial im Sinne von z.B. Zuneigung oder Beschimpfungen. Jede Ressource und Bestrafung hat für jede Person einen anderen Stellenwert. Dieser wird von der individuellen Abhängigkeit der Personen von den Ressourcen bestimmt. Beispielsweise hat die Spende von Nahrungsmitteln bei Obdachlosen einen größeren Stellenwert als bei jemandem, der über ausreichend Essen verfügt. 

Warum verfügen manche Menschen über mehr Macht als andere? Liegt es daran, dass sie besonders clever, attraktiv oder wohlhabend sind? 

Diese Fragen können anhand der Annäherungs- und Hemmungstheorie der Macht von Keltner et al. (2003) geklärt werden. Laut der Theorie gibt es vier Einflussfaktoren, die einer Person Macht gegenüber einer anderen verschaffen; diese sind: 1) individuelle, 2) dyadische, 3) gruppeninterne und 4) zwischen-Gruppen Variablen.  

Zu den individuellen Variablen zählen u. a. Persönlichkeitsmerkmale wie Dominanz oder Charisma. Auch bestimmte körperliche Attribute wie Körpergröße und Attraktivität können auf individueller Ebene mit erhöhter Macht assoziiert werden.

Die zweite Ebene der Einflussfaktoren stellen dyadische Variablen dar. Die im Kontext der individuellen Variablen genannten Eigenschaften bestimmen die Macht einer Einzelperson in Verbindung mit anderen Faktoren, wie das Interesse und das Engagement in Beziehungen. Das bedeutet, dass beispielsweise die Ressource Zuneigung nur dann die Macht steigert, wenn die andere Person diese als wertvoll erachtet. Wenn die andere Person die Zuneigung über andere Wege erhalten könnte, wird die Macht der ausübenden Person nicht gesteigert. 

Zu der dritten Ebene, den gruppeninternen Variablen, zählen die Autorität beziehungsweise die Rolle, die eine Person innerhalb einer Gruppe einnimmt und der Status dieser Person. So bestimmen Rollen das Ausmaß, in dem Gruppenmitglieder anderen Personen Ressourcen zur Verfügung stellen können. Von formalen Hierarchien, wie sie in Organisationen vorkommen oder informellen Autoritätsstrukturen wie Hierarchien unter Geschwistern, hängt ab, welche Macht eine Person in dieser Gruppe besitzt.  

Auch zwischen Gruppen existieren Variablen, die die Macht beeinflussen. Zu diesen Faktoren zählen u. a. die Zugehörigkeit zu einer Mehrheits- oder Minderheitengruppe, die ethnische Zugehörigkeit, der sozioökonomische Stand oder das Geschlecht. Abhängig von den Ausprägungen der einzelnen Einflussfaktoren, sowie den zur Verfügung stehenden Ressourcen, verfügt eine Person über eine hohe oder niedrige Macht. 

​​Wenn Macht die Grundlage jeder sozialen Beziehung ist, wie äußern sich dann die verschiedenen Machtausprägungen?

In sozialen Interaktionen zeichnen sich mächtige Personen, wie z. B. Donald Trump oder Wladimir Putin dadurch aus, dass sie häufiger ein zielorientiertes, egoistisches und sozial unangemessenes Verhalten zeigen. Außerdem achten sie vermehrt auf Belohnungen und darauf, wie andere ihre eigenen Interessen befriedigen können. Ebenso zeigen und erleben mächtigere Personen öfter eine positive Stimmung und positive Emotionen, wie Vergnügen oder Liebe (Anderson et al., 2001). Auf kognitiver Ebene, also den Denkprozessen, ist festzuhalten, dass mächtige Menschen automatische und weniger komplexe Denkmuster verwenden. Mächtige Menschen tendieren dazu, Menschen anhand von Stereotypen, also Vorurteilen, zu bewerten. Dies ist einfacher und schneller, vernachlässigt aber relevante individuelle Merkmale anderer Personen, was zu einer ungenauen Bewertung führt.

Personen, die über weniger Macht verfügen, verhalten sich in gewisser Weise genau gegenteilig. Sie tendieren dazu, ihr Verhalten vielmehr zu kontrollieren und achten darauf, ob ihnen durch ihr Verhalten eine Bedrohung oder Strafe droht. Das heißt, sie richten ihr Verhalten anhand der Situation aus, in der sie sich befinden. Sie nehmen sich selbst häufig als Mittel zum Zweck mächtiger Personen wahr und achten im Allgemeinen vermehrt auf andere Personen. Damit einhergehend verarbeiten sie Informationen detaillierter und nutzen komplexere Denkmuster, um die Konsequenzen des Verhaltens vorherzusagen. Außerdem zeigen und erleben sie häufiger negative Emotionen, wie z. B. Angst oder Schuld (Anderson et al., 2001). 

Hier ist die Theorie veranschaulicht:

Bleiben mächtige Personen immer mächtig oder können sie ihre Macht verlieren? 

Die Antwort darauf ist, dass Macht Grenzen hat. Es gibt drei Faktoren, welche das Ausmaß von Macht beeinflussen: 

1. Stabilität der Macht und wahrgenommene Bedrohungen 

Macht wird verringert, wenn die Machtverhältnisse innerhalb sozialer Systeme instabil sind, neu verhandelt werden oder wenn die Legitimität der Mächtigen durch z. B. Skandale bedroht wird.

2. Verantwortlichkeit 

Wenn Personen in Machtpositionen wissen, dass ihre Handlungen transparent sind und sie für diese verantwortlich gemacht werden können, tendieren sie eher dazu, soziale Konsequenzen ihres Handelns zu bedenken und die Interessen anderer zu berücksichtigen. 

3. Individuelle und kulturelle Unterschiede 

In Kulturen, in denen Machtunterschiede weniger toleriert werden, wird das Verhalten Mächtiger eingeschränkt und Personen mit wenig Macht dazu motiviert, Machtpositionen in Frage zu stellen. 

Macht im Arbeitsalltag: Kennst du auch das Gefühl der Machtlosigkeit am Arbeitsplatz?

Du äußerst deine Meinung und machst Vorschläge zur Lösung eines ethischen Problems, doch deine Führungskraft nimmt deine Meinung kaum wahr und handelt nach eigenen Vorstellungen. Es ist daher wenig verwunderlich, dass viele Mitarbeitende eine psychologische Hürde aufbauen und ihre Meinung am Arbeitsplatz nicht mehr äußern (Morrison, 2011). Positiv ist, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden dennoch motivieren können, ihre Meinung zu äußern, indem sie ihnen ein Gefühl der Macht vermitteln.

Lin et al. (2017) untersuchten, ob demütige Führungskräfte Mitarbeitende zu mehr Mitsprache bewegen können und was das persönliche Machtgefühl und die Machtdistanz damit zu tun haben. Zur Untersuchung der Fragestellung wurden 50 Führungskräfte und 232 Mitarbeitende eines großen chinesischen Pharmaunternehmens befragt.

Die Studie bestätigte die Annahme, dass die Bescheidenheit der Führungskraft eine entscheidende Rolle spielt. Eine bescheidene Führungskraft weiß Stärken und Beiträge ihrer Mitarbeitenden zu schätzen und zeigt sich belehrbar. Dadurch beeinflusst sie positiv, dass Mitarbeitende ein erhöhtes persönliches Machtgefühl haben und sich respektiert fühlen. Daraus entwickelt sich wiederum ein stärkeres Gefühl, die eigene Führungskraft beeinflussen zu können. 

Wie erwähnt, führt Macht zur Aktivierung verhaltensbezogener Annäherungssysteme, z. B. ein enthemmtes Verhalten. Dieses äußert sich darin, dass Mitarbeitende ihre eigenen Ziele verfolgen und aktiv ihr Arbeitsumfeld beeinflussen. Darüber hinaus trägt das stärkere Machtgefühl dazu bei, dass sich Mitarbeitende als Machthabende sehen und mehr Freiheiten in ihrem Umfeld wahrnehmen. Zudem nutzen ermächtigte Mitarbeitende dadurch ihr Mitspracherecht häufiger. 

Welche Rolle spielt die kulturelle Machtdistanz, also die Vorstellungen über Status, Autorität und Macht?

Mitarbeitende mit niedriger Machtdistanz haben öfter persönliche Beziehungen zu Führungskräften und erwarten häufiger, konsultiert zu werden. Deshalb trauen sie sich eher, ihre Meinung am Arbeitsplatz zu äußern, um Veränderungen hervorzurufen. Hingegen sind Mitarbeitende mit einer hohen Machtdistanz weniger geneigt, ihre Meinung gegenüber ihren Führungskräften zu äußern, selbst wenn sie glauben, dass sie die Macht haben, diese zu beeinflussen (Lin et al., 2017). 

Fazit: Welche Schlüsse kannst Du hieraus für die Praxis ziehen?

In unserer komplexen Welt sollten Unternehmen Führungskräften vermitteln, dass Bescheidenheit ein zentraler Faktor zur Ermächtigung von Mitarbeitenden ist. Durch ermächtigte Mitarbeitende können Führungskräfte Unterstützung erhalten, um schnell adaptive Maßnahmen zu entwickeln und unübersichtliche, dynamische Probleme zu bewältigen. Dies trägt zum effektiven Funktionieren und zum ethischen Management von Gruppen und Organisationen bei (Argandona, 2015).

Konkrete Maßnahmen sind Führungskräftetrainings zu Bescheidenheit und Ermächtigung von Mitarbeitenden sowie stärkenorientierter Führung, um ihre Mitarbeitenden angemessen zu würdigen und sich der eigenen Grenzen und Fehler bewusst zu werden. Daneben sollte bei der Personalauswahl auf die Machtdistanz der Mitarbeitenden geachtet werden (Lin et al., 2017).


Literatur:

Anderson, C., Langner, C., & Keltner, D. (2001). Status, power, and emotion. Unpublished manuscript.

Argandona, A. (2015). Humility in management. Journal of Business Ethics, 132(1), 63–71. https://doi.org/10.1007/s10551-014-2311-8

Keltner, D., Gruenfeld, D. H., & Anderson, C. (2003). Power, approach, and inhibition. Psychological Review, 110(2), 265–284. https://doi.org/10.1037/0033-295X.110.2.265

Lin, X., Chen, Z., Tse, H., Wei W. & Ma, C. (2017). Why and When Employees Like to Speak up More Under Humble Leaders? The Roles of Personal Sense of Power and Power Distance. Journal of Business Ethics 158, 937–950. https://doi.org/10.1007/s10551-017-3704-2

Morrison, E. W. (2011). Employee voice behavior: Integration and directions for future research. Academy of Management Annals, 5(1), 373–412. https://doi.org/10.1080/19416520.2011.574506

Russell, B. (1938). Power: A new social analysis. London: Allen and Unwin.

Bildquellen:

Unsplash (2018). https://unsplash.com/de/fotos/silhouette-der-person-TzVN0xQhWaQ

Empowering Leadership – Wie soziale Identität den Weg zum Erfolg ebnet

von Tuan Anh Jonny Hoang, Lea Jost, Celine Lorenz und Björn Olbrich 

Stell dir vor, du betrittst ein Unternehmen und es fühlt sich an, als würdest du einen Raum eintreten,  in dem nicht nur Leistungen, sondern auch gemeinsame Erlebnisse zählen. Weg vom rein  Geschäftlichen, hin zum Persönlichen. Ein Arbeitsumfeld, in dem es nicht nur um die individuelle  Arbeitskraft geht, sondern um ein Wir-Gefühl, welches alle miteinander verbindet. Dabei zählt nicht  nur das, was du machst, sondern auch, wer du bist – eine Gemeinschaft, die gemeinsam wächst  und erfolgreich ist. 

In Zeiten einer Arbeitswelt, die vom ständigen Wandel geprägt ist, stellt insbesondere die Bindung  der Mitarbeitenden an die Organisation eine zentrale Herausforderung für Unternehmen dar.  Fehlende emotionale Bindung und mangelnde Identifikation der Mitarbeitenden mit dem  Unternehmen sind nicht nur Unannehmlichkeiten im Unternehmensalltag, sondern können auch  weitreichende Folgen haben, die sich wie ein unsichtbares Band durch die Organisation ziehen.  Häufige Arbeitsplatzwechsel, Kündigungen, geringe Motivation und erhöhte Fehlzeiten sind  mögliche Auswirkungen – um nur einige Beispiele zu nennen. Doch wie können Unternehmen  erreichen, dass sich die Mitarbeitenden stärker mit dem eigenen Unternehmen identifizieren? Und  welche Rolle spielt dabei das sogenannte Empowering Leadership? 

Die Antwort liegt hierbei in der organisationalen Identifikation. Demnach ist es förderlich, die  organisationale Identifikation von Mitarbeitenden zum Unternehmen proaktiv zu stärken. Eine  starke organisationale Identifikation vermittelt den Mitarbeitenden nämlich das Gefühl von  Zugehörigkeit und Gemeinschaft. Das kann wiederum das Wohlbefinden von den Mitarbeitenden  positiv beeinflussen und die Bindung zum Unternehmen nachhaltig fördern. Die Anwendung des  Empowering Leadership stellt hierbei einen entscheidenden Baustein dar. 

Befähigen statt befehlen – Empowering Leadership als Antwort?! 

Es handelt sich dabei um eine Führungsform, bei der Führungskräfte nicht nur Anweisungen geben,  sondern aktiv die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden fördern und ihnen dabei helfen, ihre  eigenen Potenziale zu entfalten. Mitarbeitende können ihre Arbeitsumgebung aktiv mitgestalten und  werden als gleichwertige Teammitglieder angesehen. Das schafft Vertrauen und ein Gefühl der  Wertschätzung. Diese Art der Zusammenarbeit führt wiederum zu einer starken Bindung an die 

Führungsperson und die eigene Identifikation mit dem Unternehmen steigt. Die Ziele der  Organisation werden als gemeinsam geteilte Ziele betrachtet, was zu einer höheren  Leistungsbereitschaft führt. In diesem Zusammenhang ist vor allem eine prototypische  Führungsform sehr bedeutend. Mitarbeitende fühlen sich demnach eher Führungspersonen und  somit dem Unternehmen verbunden, wenn das Führungsverhalten mit den Werten ihrer Gruppe  übereinstimmt und sich um Mitglieder der Gruppe gekümmert wird. Schließlich möchte niemand  von einer Führungskraft geleitet werden, die nicht mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmt  und kein Interesse an der Gruppe hat – nicht wahr?  

Dieses Phänomen lässt sich durch die Theorie der sozialen Identität erklären, die sich damit befasst,  wie sich Menschen als Teil einer sozialen Gruppe sehen. Ein kurzer Ausflug in die  Sozialpsychologie verdeutlicht, dass wir in vielfältigen Gruppen wie der Familie, dem  Freundeskreis oder auch im beruflichen Kontext verankert sind. Diese Zugehörigkeiten prägen  entscheidend unser Selbstbild, unsere sogenannte soziale Identität. Ein tiefgehendes Verständnis  dieser Dynamik ist essentiell, um eine positive Identifikation mit dem Unternehmen zu ermöglichen  – oder willst du nicht auch mit Stolz sagen können, dass du bei deinem Unternehmen arbeitest? 

Ebenso betont die Theorie die vielschichtige Natur der Führung als fortlaufenden Prozess. Hierbei  ist die Schlüsselkompetenz einer Führungskraft die Fähigkeit, die gemeinsame soziale Identität der  Gruppenmitglieder zu repräsentieren, zu integrieren, zu fördern und umzusetzen. Auf diese Weise  gestalten Führungskräfte ein gemeinsames Gruppengefühl, das die Grundlage für die Erreichung  gemeinsamer Ziele bildet. Empowernde Leader:innen formen damit ein gemeinsames Verständnis  innerhalb ihres Teams, um kollektive Ziele zu verwirklichen.  

Und warum sollte es für Führungskräfte von Vorteil sein, auf gleicher Augenhöhe mit ihren  Mitarbeitenden zu agieren? Und was bedeutet das jetzt genau für mich als Führungskraft?  Wenn Mitarbeitende sich geschätzt fühlen und die Verhaltensweisen der Führungskraft mit den eigenen Überzeugungen überschneiden, fühlen sie sich eher der Gruppe zugehörig. Das Gefühl, Teil der Gruppe zu sein, führt dazu, dass organisationale Ziele als gemeinsame Ziele wahrgenommen  werden. Das wiederum steigert die Leistung der Personen und stärkt die Bindung zum  Unternehmen. Übersetzt heißt das: wenn beispielsweise eine wichtige Kundenpräsentation noch  nicht fertig ist, könnten Mitarbeitende aufgrund der starken Verbundenheit zum Team bereit sein,  die extra Meile zu gehen – sei es durch Überstunden oder durch ein verstärktes Engagement. 

Empowering Leadership – Von der Theorie zur Praxis 

So viel zum theoretischen Vorgehen des befähigenden Führens, aber wie genau geht man die  Veränderung im eigenen Unternehmen jetzt konkret an? Wie bei jeder Transformation des  Führungsverhaltens ist zunächst viel Geduld gefragt, denn bekanntlich fällt über Nacht kein Meister  vom Himmel. Die Mitarbeitenden, die am stärksten von den Veränderungen betroffen sind, müssen  in den Wandel mit einbezogen werden. Um diesen Prozess optimal zu gestalten, ist eine offene und  transparente Kommunikation unerlässlich. Konkret bedeutet dies, dass Betroffene frühzeitig über  Veränderungen informiert und in entsprechende Entscheidungen miteinbezogen werden.  

Für die meisten Führungskräfte erfordert dies eine gewisse Überwindung, da sie als klassische  Chef:innen für gewöhnlich das Informations- und Verantwortungsmonopol in der Abteilung innehatten. Genau darin liegt jedoch das Wesentliche. Das traditionelle Selbstverständnis, alle Aufgaben selbst zu übernehmen und zu delegieren, sollte gegen das Gefühl getauscht werden, von der Gruppe aufgefangen und unterstützt zu werden.  

Trotzdem sollten wir realistisch bleiben: Empowering Leadership ist nicht das Allheilmittel für alle  Unternehmensfragen. Es wäre schlichtweg naiv zu denken, dass eine einzelne Führungsform alle  Herausforderungen meistern kann. Stattdessen betrachten wir Empowering Leadership lieber als ein  wichtiges Instrument in der Führungswerkzeugkiste, das seine volle Wirkung entfaltet, wenn es in  einen umfassenderen Ansatz eingebunden ist. Denn nur so kann gutes Führen gelingen! 


Literatur:

Arshad, M., Qasim, N., Farooq, O. & Rice, J. (2021). Empowering leadership and  Employees’ work Engagement: A Social Identity Theory Perspective. Management  Decision, 60(5), 1218–1236. https://doi.org/10.1108/md-11-2020-1485 

Böhm, S. (2008). Organisationale Identifikation als Voraussetzung für eine erfolgreiche  Unternehmensentwicklung – eine wissenschaftliche Analyse mit Ansatzpunkten für das  Management.  

Ellemers, N., & Haslam, S. A. (2012). Social identity theory. In P. A. M. Van Lange, A. W.  Kruglanski, & E. T. Higgins (Eds.), Handbook of theories of social psychology (pp. 379– 398). Sage Publications Ltd.