Abschlussreflexion zur Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule“

  1. Benennen Sie die für Sie zentralsten (mindestens zwei verschiedene) theoretischen Erkenntnisse, die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung für sich als besonders prägnant mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei konkret sowohl Bezug auf a.) fachdidaktische Aspekte, indem Sie Erkenntnisse auf die Didaktiken ihrer eigenen beiden Fächerbeziehen und b.) generelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse zu Schule und Unterricht. Bitte benennen Sie dabei konkret mindestens zwei relevante Literaturquellen an den entsprechenden Stellen in Ihren Ausführungen (Autor*innen, Jahr, Titel).

    Über die Zeit der Ringvorlesung konnte ich mithilfe der unterschiedlichen Vorträge einiges an Erkenntnissen für meine zukünftige Tätigkeit als Lehrer gewinnen. Der Vortrag „Scientific and technological Literacy for all“ von Dr. Nadja Belova ist mir besonders prägnant in Erinnerung geblieben, da ich neben dem Studium als Lehrkraft an einer Schule tätig bin und ich die aufgelisteten Hauptproblematiken des Chemieunterrichts auch bei mir in der Klasse wiederfinde. In Ihrem Vortrag zählt Dr. Belova drei Hauptprobleme auf (vgl. Folie 8):
    1. Die empfundene Irrelevanz und geringe Motivation der SuS
    2. Defizite im Erreichen von relevanten Lernzielen höherer Art (HOCS), insbesondere im Bereich von Argumentation und Bewertung.
    3. Vernachlässigung des multidimensionalen Charakters von Scientific Literacy, insbesondere der gesellschaftlichen Dimension von naturwissenschaftlicher Bildung

    Im Rahmen dieses Beitrages definierte sie auch den Begriff der Scientific Literacy und lieferte eine meiner Ansicht nach verlgeichsweise kurze und prägnante Definition: „Scientific Literacy ist die Fähigkeit, naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden, naturwissenschaftliche Fragen zu erkennen und aus Belegen Schlussfolgerungen zu ziehen, um Entscheidungen zu verstehen und zu treffen, welche die natürlich Welt und die durch menschliches Handeln an ihr vorgenommenen Veränderungen betrifft.“ (OECD-PISA Konsortium 1999). Als Konsequenz und Lösung dieser Problematiken präsentierte Frau Dr. Belova den STL-Unterricht, welcher sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass er SuS-zentriert, auf höhere kommunikative Fertigkeiten abzielt und stets an einem gesellschaftlichen Thema orientiert ist (vgl. Folie 18.). Dies ermöglicht den SuS einen leichteren Zugang in die Themenbereiche und soll somit das Interesse wecken und die Frage nach der Relevanz schon im Einstieg in das Thema beantworten. Auch den Abschnitt zur Implementierung und Thematisierung von Medien im naturwissenschaftlichen Unterricht empfand ich als höchst relevant, da ich die Lehrkräfte dieser Fächer auch in der Pflicht sehe die SuS für Themen wie beispielsweise der Verbreitung von Missinformationen in sozialen Medien zu sensibilisieren und aufzuklären. 

    Ein weiterer Vortrag, der mir sehr gut in Erinnerung geblieben ist, war der Vortrag „Mathematische Leistungsunterschiede – empirische Befunde und Konsequenzen für den Mathematikunterricht“ von Prof. Dr. Christine Knipping. Frau Prof. Dr. Knipping stieg mit einer Abbildung ein, die die Leistungsentwicklung in der Schullaufbahn von SuS mit und SuS ohne Migrationshintergrund miteinander verglich und zu dem Ergebnis kam, dass der Leistungsrückstand der SuS mit Migrationshintergrund parallel verläuft (vlg. Vorlesung Nr. 12 Folie 3). Neben dieser Entwicklung überraschte mich darüber hinaus die Signifikanz der Leistungsunterschiede der einzelnen Schulformen (Frey et al. 2010, S. 169). Auch die darauffolgende Auswertung der deutschen Ergebnisse in der PISA-Studie und die daraus entstandenen Änderungen im deutschen Bildungssystem empfand ich als  aufschlussreich und konnte somit einige Entwicklungen besser nachvollziehen.

  2. Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen, schulstrukturelle Fragen, schulkulturelle Aspekte, Lehrer*innenhandeln)), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark – und warum? Hier können Sie aus Ihrer Sicht besonders gelungene oder auch weniger gelungene Beispiele geben. Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen? Nehmen Sie konkret Bezug auf entsprechende Begriffe, Theorien, Konzepte, die Sie jetzt kennengelernt haben mit Bezug zu Autor*innen, auf die sich die Referent*innen bei der Verwendung dieser Begriffe, Theorien, Konzepte in ihren Präsentationen bezogen haben.

    Meiner Ansicht nach ist gerade die Einteilung der SuS in „Schubladen“ eins der größten Probleme im deutschen Schulsystem, welche durch die Aufteilung in die Schulformen noch verstärkt wird. Die damit einhergehende Stigmatisierung führt dazu, dass der Haupt- und Realschulabschluss an Ansehen verlieren. Des Weiteren leiden darunter auch indirekt mehrere Berufszweige, die aufgrund dieser Stigmatisierung von vornherein ausgeschlossen werden. Rückblickend auf meine eigene Schulzeit muss ich sagen, dass die meisten meiner Lehrer*innen sehr professionell und sensibel mit dem Thema Heterogenität umgegangen sind und weder ich noch meine Freunde mit Migrationshintergrund das Gefühl hatten, benachteiligt oder gar ausgegrenzt zu werden. Es gab jedoch vereinzelt Zwischenfälle, die ich damals leichtfertig abgetan hatte, die ich aber rückblickend als problematisch betrachte. So gab es zum Beispiel eine Lehrkraft, die den SuS Spitznamen in Bezug auf ihre Nationalität und kultureller Herkunft gab. Dies wurde in der Klassengemeinschaft zwar humorvoll aufgenommen und führte meines Wissens nicht direkt zur Diskriminierung oder Ausgrenzung, jedoch ist dieses Verhalten höchst unprofessionell und hat auch das Potenzial großen Schaden anzurichten. Des Weiteren ist mir im Verlauf der Vorlesung deutlich geworden, warum meine beiden damaligen Chemielehrer*innen so gut waren und letztendlich auch knapp die Hälfte ihres Leistungskurses dazu bewegen konnten ein Studium in dem Bereich zu absolvieren. Mir wurde im Nachhinein bewusst, dass diese beiden Lehrkräfte die Methode des STL-Unterricht wählten, den Frau Prof. Dr. Knipping in Ihrem Vortrag thematisierte und den Unterricht immer mit einer Anekdote oder Nachricht aus dem echten Leben begannen und eine für relevante Frage in den Raum stellten. Diese waren Mal gesamtgesellschaftlicher Natur und teilweise auch sehr akkurat auf den Schüler*innenalltag abgestimmt. Durch diese Herangehensweise war der Unterricht stets forschend und SuS-orientiert aufgebaut. Gleichzeitig wurde durch die Geschichten aus dem Leben der Lehrkräfte eine Art Authentizität aufgebaut. Das resultierte einerseits in einem steigenden Interesse der SuS und gab diesen im Verlauf der Stunde die Möglichkeit selbst auf die gewünschten Erkenntnisse zu kommen. Andererseits erzeugte die Authentizität der Lehrkräfte eine Atmosphäre, in der man tatsächliche Begeisterung für das Fach spürte, die sich von alleine aufbaute und nicht durch ständige Aufforderung zum Lernen oder Ermahnung wie wichtig das alles doch sei, aufgezwungen wurde.

  3. Zu welchen zwei erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium in Bezug auf das Modulthema UMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie Ihre Wahl.

    Im Rahmen der Vorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule“ hätte ich mir eventuell noch eine Sitzung zum Thema Gendern und der LGBTQ-Community gewünscht, da dieses Thema gerade durch die sozialen Medien sehr präsent ist und ich auch in meiner eigenen Praxiserfahrung häufig von SuS auf dieses Thema angesprochen wurde und es häufig jedoch schwierig fand mit dem erforderten Feingefühl darauf einzugehen ohne SuS zu verwirren oder gegebenenfalls Grenzen unbewusst zu überschreiten. Auch der Umgang mit diesem Thema in Bezug auf die Diskriminierung innerhalb der Auslebung einiger Religionen hätte mich stark interessiert, da meiner Erfahrung nach gerade heranwachsende Jugendliche diesbezüglich eine Art Schwarz-Weiß-Denken an den Tag legen. So fällt mir die Antwort eines Schülers ein, der auf die Erklärung der Lehrkraft erwiderte:“ Es heißt aber Adam und Eva und nicht Adam und Adam“. Die unterrichtende Lehrkraft tat sich schwer damit, dieser offensichtlich diskriminierenden Antwort professionell zu entgegnen. Auch zur Verwendung von Medien im Unterricht hätte ich gerne noch vertiefend direkte Beispiele eventuell auch mit Blick auf das Ipad als sinnvoll empfunden, da diese in den nächsten Jahren den Schulalltag mitprägen werden und angehende Leher*innen somit schon früh mit konkreten Anwendungen in Kontakt kommen sollten.

    Literatur:
    -Vortrag:„Scientific and technological Literacy for all“,  Dr. Nadja Belova, 2021
    -Osborne, IJSE 2003; Holbrook & Rannikmae, IJSE 2007; Hofstein, Eilks & Bybee, IJSME 2011

    -Holbrook, Rannikmae STL-Guidebook, Paper presented at the YORK CEFIC/ICASE Conf. July 2000
    -Vortrag „Mathematische Leistungsunterschiede – empirische Befunde und Konsequenzen für den Mathematikunterricht“, Prof. Dr. Christine Knipping, 2021

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