Bonjour! Привет! !مرحبا Hallo! Merhaba! Hello! Ciao! ¡Hola! Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung in der Gymnasialen Oberstufe.

  1. An Ihrem Gymnasium gibt es eine – wie üblich sehr heterogen besetzte – Vorklasse, in welcher sogenannte Seiteneinsteiger*innen Deutsch lernen und auf die Teilnahme am Regelunterricht vorbereitet werden. Für einige wird nun der endgültige Übergang diskutiert. Ein Großteil der Lehrkräfte plädiert – mit Verweis auf die noch nicht vollständig ausreichenden (bildungssprachlichen) Deutschkenntnisse – sie an eine Oberschule zu überweisen, obwohl die Schüler*innen hinsichtlich ihrer Lernfähigkeit und ihrer Vorbildung eigentlich die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen und gerne an der Schule bleiben würden. Nehmen Sie auf Basis der Vorlesung Stellung dazu.Eine allgemeingültige Aussage, wie mit den hier beschriebenen SuS verfahren werden sollte, gibt es nicht. Der Zeitraum, der zum Erwerb von sprachlichen Kompetenzen benötigt wird, ist individuell und stark abhängig von den Fähigkeiten und Vorkenntnissen der Einzelperson. Nichtsdestotrotz dauert es im Allgemeinen mehrere Jahre bis eine bildungssprachliche Kompetenz in einer neuen Sprache erlernt und vertieft werden kann. In diesem Beispiel würde ich mit den SuS besprechen, wo die Vor- und Nachteile der jeweiligen Schulform liegen und je nach SuS eine Entscheidung fällen. Man sollte erklären, dass es auch in anderen Schulformen möglich ist, eine Hochschulzugangsberechtigung zu erhalten. Mögliche Vorteile einer Oberschule wären zum Beispiel, dass die SuS dort ein Jahr länger Zeit hätten, Sicherheit im Umgang mit der neuen Sprache zu entwickeln. Des Weiteren wird auf Oberschulen in der Regel mehr Rücksicht auf sprachliche Differenzen genommen und es findet häufiger Unterricht in Doppelbesetzung statt, sodass eine genauere Betrachtung der Einzelsituation besser möglich ist. [1]Gehen wir aber davon aus, dass die SuS gerne weiterhin die gymnasiale Oberstufe besuchen möchten, würde ich von einer Überweisung absehen, insbesondere, da sie sowohl von ihrer Lernfähigkeit als auch von ihren Vorkenntnissen die Voraussetzungen mitbringen.

     

  2. Welche Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit – in der hier verstandenen breiten Sicht – in Schule und Unterricht (selbst als Schüler*in und/oder Praxiserfahrungen) haben Sie bislang gemacht? Diskutieren Sie die Erfahrungen vor dem Hintergrund dieser VorlesungIch selbst bin Teil einer Familie, die Ende der 90er Jahre nach Deutschland ausgewandert ist, wobei ich noch im Kindergartenalter war. Würde man mich also in die Typen individueller Mehrsprachigkeit einsortieren (vgl. Folie 8 [2],) so würde die Erwerbsreihenfolge als simultan, der Erwerbsbeginn als in der Kindheit und die Erwerbsmodalität als ungesteuert bezeichnet werden. Somit war es mir möglich, die sprachlichen Kompetenzen ohne Zeitdruck und ohne mir dessen wirklich bewusst zu sein, zu erlangen. Interessanter ist der Fall bei meinen älteren Geschwistern und Eltern. Mein Bruder hatte gerade die vierte Klasse der Grundschule beendet und meine Schwester hatte in Russland gerade ihre mittlere Reife nach der neunten Klasse erreicht, befand sich also in einer ähnlichen Situation, wie in Aufgabenteil eins beschrieben. Auch sie hatte sich mit ihren damaligen Lehrkräften beraten und ist nach einem Vorkurs auf ein Gymnasium gegangen, wo sie nach einigen Jahren der Eingewöhnung, ohne erkennbare Schwierigkeiten ihr Abitur absolvierte. Auch mein Bruder kam auf ein Gymnasium und konnte erfolgreich das Abitur absolvieren, hatte jedoch große Probleme die notwendigen sprachlichen Kompetenzen zu erlernen und baute zusätzlich zum Fach Deutsch auch Defizite im Fach Englisch auf, da er sich, nach eigenen Aussagen, nicht auf weitere Sprachen konzentrieren konnte. Allein dieser Sachverhalt aus meinem direkten Umfeld zeigte mir, dass zahlreiche Faktoren einen Einfluss auf den Erwerb von Sprachkompetenzen haben und jeder Fall eine gesonderte Betrachtung erfordert und verdient. Weiterhin zeigt dieses Beispiel für mich auch, dass Mehrsprachigkeit ein dynamischer Prozess ist (vgl. Folie 13), da meine beiden Geschwister heutzutage die deutsche Sprache (L2) besser beherrschen als ihre Muttersprache (L1) und sich immer wieder dabei ertappen, bei Gesprächen in der Muttersprache in deutsche Wortendungen oder Satzstrukturen zu verfallen.Weitere Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit kann ich in meinem derzeitigen Nebenjob als Aushilfslehrkraft in einer Bremer Oberschule machen. Ich betreue gerade eine 10. Klasse in den Fächern Mathematik und Chemie und merke immer wieder wie wichtig eine differenzierte Betrachtung der SuS ist und was für eine Bedeutung sprachsensibler Unterricht in unserer Geselschafft hat. Leider musste ich schon einige Male erleben das sprachliche Defizite zu Fehleinschätzungen der Lehrkraft führten und somit als mangelndes Interesse oder geringe Lernbereitschaft interpretiert wurden. Meinen bisherigen Erfahrungen zufolge, haben insbesondere ältere Lehrkräfte Schwierigkeiten unvoreingenommen und ohne Stigmatisierung zu handeln. An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass dies lediglich auf meinen Erfahrungen basiert und in keiner Weise representativ sein muss.
  3. Was möchten Sie nach dem Besuch dieser Vorlesung bei Ihrer zukünftigen Unterrichtsgestaltung beachten? Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen dafür noch?In meiner Fächerkombination von Mathematik und Chemie könnte einem schnell der Trugschluss unterlaufen, dass diese Fächer auschließlich der Nutzung von themenspezifischen Fachausdrücken unterliegen und es somit nicht in den Aufgabenbereich der Lehrkraft fällt, allgemeinsprachliche Kompetenzen zu fördern oder den Einbezug der Erstsprachen in Betracht zu ziehen (vgl. Folie 42). Jedoch spielt insbesondere in diesen Fächern sprachsensibler Unterricht eine wesentlich Rolle. So ist es beispielsweise wichtig, Texte zu vereinfachen, indem nicht nur Fachbegriffe erläutert werden, sondern auch Worte, die zur Beschreibung des Versuchsaufbaus oder zum Verständnis mathematischer Zusammenhänge benötigt werden. Auch Visualisierungen sind ein einfaches Mittel, Anweisungen und Aufgabenstellungen sprachübergreifend verständlicher zu machen. Des Weiteren würde ich in meinem eigenen Unterricht durch die Sensibilisierung im Umgang mit Heterogenität in der Schule sehr darauf bedacht, sein den Fehler zu vermeiden mangelnde sprachliche Kompetenzen mit Desinteresse oder mangelnden kognitiven Fähigkeiten gleichzusetzen.Die Frage welches Wissen oder welche Fähigkeiten mir dazu noch fehlen, kann ich nicht so einfach beantworten, da ich nicht voraussehen kann, welche Kentnisse ich noch im Laufe meines Studiums und meiner Praktika erlernen werde und wie diese mir in meinem zukünftigen Unterricht weiterhelfen könnten. Jedoch glaube ich, dass gerade die praktische Anwendung der Vorlesungsinhalte und der Umgang mit den SuS die tiefsten Einblicke in mein mangelndes Wissen geben werden.
  4. Wie muss Schule in unserer mehrsprachigen Gesellschaft gestaltet sein? Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Sie die Mehrsprachigkeit ihrer Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten können? 

    Zuallererst müssen die auszubildenden LuL überhaupt mit dem Thema vertraut werden und über die Feinheiten des sprachsensiblen Unterrichts informiert werden. Die Hauptaufgabe der Schule sollte hierbei sein, zwischen dem speziellen und sphärenartigen Wissen der verwendeten Bildungssprache und der alltäglichen Sprache zu vermitteln. Somit muss man sich erst einmal bewusst machen, dass diese sprachlichen Register existieren und wie man mit ihnen umgehen könnte. In einer optimalen Welt würde die Lehrkraft jede Sprache seiner*ihrer SuS beherrschen und könnte somit Anreize in den L1 der SuS liefern und gleichermaßen die Sprachkompetenz in der L2 der SuS stärken. Diese Vorstellung bleibt aber eher utopisch. Nichtsdestotrotz könnten durch den Einsatz von Medien und Materialien in den L1 der SuS womöglich ähnliche Lernerfolge erzielt werden. Eine Entwicklung, die ich mir in Bezug auf eine mehrsprachige Gesellschaft vorstellen könnte, und welche im universitären Bereich teilweise schon praktiziert wird, wäre es eine weitere Sprache, wie zum Beispiel Englisch, für den Erwerb von allgemeinbildenden Schulabschlüssen zuzulassen.Literaturverzeichnis:
    [1] https://www.bildung.bremen.de/oberschule-3724 (letzter Zugriff: 15.05.2021)
    [2] Apeltauer, Ernst (2001): Bilingualismus – Mehrsprachigkeit. In: Helbig, Gerhard; Götze, Lutz; Henrici,
    Gert; Krumm, Hans‐Jürgen (Hrsg.) 2001: Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. 1.
    Halbband. Berlin: de Gruyter, 628 – 638.

Ein Kommentar

  1. Lieber Johann,
    vorerst möchte ich sagen, dass ich deinen Beitrag zum Thema „Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung in der Gymnasialen Oberstufe“ sehr gut fand. Besonders hat mich dein Titel angesprochen, in dem du das Wort „Hallo“ in unterschiedlichen Sprachen dargestellt hast, dies finde ich äußerst passend und weckt die Neugierde deinen Beitrag zu lesen.

    Bezüglich deiner ersten Aufgabe kann ich dir nur zustimmen. Ich selbst war von der 5. bis zur 10. Klasse auf einer Oberschule und kann nur sagen, dass es hier viele Chancen und Möglichkeiten gibt, trotz Schwierigkeiten mit der Deutschen Sprache, einen guten Schulabschluss, auch mit gymnasialer Empfehlung zu absolvieren. Bei uns gab es einige SchülerInnen, die die deutsche Sprache nicht so sicher beherrschten. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass es in meiner Schule bezüglich dieser Schwierigkeit sowohl Unterstützung von Lehrkräften, als auch von den SchülerInnen untereinander gegeben hat. So hat es zum Beispiel einmal eine Situation gegeben, in der ein Schüler eine Aufgabenstellung nicht richtig verstanden hatte. Sofort erklärte ein Mitschüler ihm diese Aufgabe in seiner Muttersprache.
    Einen sehr wichtigen Punkt, den du in der ersten Aufgabe aufgegriffen hast, ist der der Kommunikation. Ich finde es auch am wichtigsten mit den besagten SchülerInnen über den Schulwechsel zu sprechen und ihnen ausreichend Informationen zukommen zu lassen. Sollten sie nach diesem Gespräch immer noch den Wunsch haben, auf ein Gymnasium zu gehen, so würde ich diesem als Lehrkraft nicht entgegenwirken, denn da die SchülerInnen die Voraussetzungen erfüllen, sollten sie dies auch tun dürfen.

    In Aufgabe 2 hat es mir sehr gefallen, dass du eigene, sehr interessante Beispiele gebracht hast.
    In der Abiturabschlussklasse meiner Freundin waren einige Geflüchtete, die erst wenige Jahre in Deutschland leben. Sie hatten während des Abiturs Schwierigkeiten bezüglich deutscher Sprachkenntnisse mitzuhalten. In Fächern, wie beispielsweise Biologie, Physik oder Mathe zählten diese SchülerInnen zu den besten. In vielen Fächern, mit hohem Schreibanteil, nahmen so gut wie alle Lehrkräfte Rücksicht. So konnten Sie einen guten, z.T. sogar sehr guten Abschluss absolvieren, auch mit weniger guten Sprachkenntnissen im Fach Deutsch. Zusätzlich wurden an dieser Schule auch Deutschkurse angeboten, in denen die SchülerInnen Unterstützung und Hilfe erhielten.

    Ich studiere die Fächer Biologie und Religion auf Lehramt.
    Meiner Meinung nach, kann gerade in Religion, die Mehrsprachigkeit von SchülerInnen und Lehrkräften hilfreich sein. Hier im Studium finde ich es immer höchst interessant, wenn einige unter den Studierenden Sprachen, wie zum Beispiel Griechisch oder Arabisch beherrschen und Passagen aus der Bibel oder dem Koran übersetzten können.
    Auch in der Biologie können zum Beispiel Fremdwörter von eigenen Sprachen abgeleitet und „übersetzt“ werden.
    Hier sehe ich es wie du Johann, dass jedes Fach sprachsensiblen Unterricht beinhalten sollte. Hier hast du bereits schon gute Beispiele aufgeführt.

    In Aufgabe 4 stimme ich deinen Punkten zu. Ich finde es ebenfalls wichtig, angehende Lehrkräfte an dieses Thema heranzuführen und die Relevanz deutlich zu machen. Zudem finde ich deine Idee, dass es mehr Möglichkeiten geben sollte, einen Schulabschluss in weiteren Sprachen zu erwerben, sehr schön!
    Ich finde Lehrkräfte sollten Begeisterung zeigen, wenn es SchülerInnen gibt, die mehr als nur eine Sprache beherrschen. SchülerInnen sollten sich nicht dafür schämen, wenn sie nicht so gut Deutsch sprechen, stattdessen sollte gerade die Schule ein Ort sein, an dem SchülerInnen Selbstbewusstsein erlangen.
    Eine weitere Idee wäre vielleicht auch die Auswahl an Sprachen zu erweitern, die es für die Wahl einer zweiten Fremdsprache gibt.

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