Ringvorlesung N°7 – Englischunterricht zwischen Selektion und Inklusion

Bereits vor Beginn der 3. Klasse hatte ich im Kindergarten Englischunterricht. Hierbei waren hauptsächlich Vokabeln wie die der Farben oder einzelner Substantive aus der kindlichen Lebenswelt Bestandteil des Unterrichts. Bei der zwei Jahre späteren Fortsetzung in der Grundschule waren hauptsächlich lyrische Formen wie Lieder und Gedichte auf Englisch Bestandteil des Unterrichts. Hierbei wurde gemeinsam gesungen und Gedichte innerhalb der Klasse laut vorgelesen. Außerdem gab es eine Zeichentrickserie auf Englisch, bei der die Schüler*innen anschließend die Handlung wiedergeben sollten. Für mich war der Englischunterricht schon in der Grundschule etwas ganz besonderes und Englisch wurde innerhalb der zwei Jahre zu einem meiner Lieblingsfächer.

Demzufolge besuchte ich anschließend eine Schule an der bilingualer Unterricht angeboten wurde und war Teil einer von zwei bilingualen Klassen in meinem Jahrgang. Der Englischunterricht bekam hier einen stärker formalen Charakter, durch die Einführung der unterschiedlichen Zeitformen, behielt aber auch stets den funktionalen Charakter. Die Lehrerin sprach von der ersten Stunde an auf Englisch mit uns. Selbes galt auch für den Biologie- und Geschichtsunterricht, der ebenfalls auf Englisch stattfand. Es fanden wöchentliche Vokabeltests statt und es wurde ein besonderer Wert auf die korrekte Aussprache gelegt. Auch die Unterscheidung zwischen American und British English wurde immer wieder aufgegriffen. Präsentationen in Form von Referaten fanden regelmäßig statt aber auch einzelne szenische Darstellungen, bei denen wir als Schüler*innen als Akteure vor der Klasse einzelne historische Szenen nachspielen sollten, waren Teil des Unterrichts. Ein Highlight meines Englischunterrichts in der weiterführenden Schule war die Teilnahme unserer Klasse am „Bundeswettbewerb Fremdsprachen“ bei dem wir gemeinsam einen Film produzierten und schlussendlich deutschlandweit den zweiten Platz belegten. Die Produktion war für die gesamte Klasse ein unglaublicher Mehrwert und eine einmalige Erfahrung.

Im Unterricht meiner zweiten Fremdsprache war leider komplett gegenteiliges der Fall. Ab der siebten Klasse belegte ich Französisch als meine zweite Fremdsprache. Die Unterrichtsstunden bestanden aus Übersetzungen vom Französischen ins Deutsche, Dialoge auf Französisch wurden auf CD vorgespielt und anschließend von den Schüler*innen aus dem Buch laut vorgelesen um so die korrekte Aussprache zu üben. Die Tests bauten ebenfalls auf Übersetzungen aus Texten aus dem Schulbuch vom Deutschen ins Französische auf. Der einzig funktionale Charakter war hier in dem zweiwöchigen Schüler*innenaustausch mit einer französischen Partnerschule zu sehen, bei dem Sprachbarrieren aber auch gerne von beiden Seiten durch den Austausch auf Englisch überwunden wurden.

In der Oberstufe setzte ich meine Begeisterung für Englisch fort und wählte Englisch als meinen Leistungskurs. Der Unterricht bestand hier größtenteils aus dem Rezipieren und analysieren von Lektüren versch. Genres und griff neue Zeitformen auf. Auch während meiner Zeit auf der Oberstufe kam es zu einem Schüler*innenaustausch. In diesem Fall mit einer Partnerschule in Indien. Der Austausch der hier auf der rein funktionalen Ebene stattfand ist für mich bis heute die wertvollste Erfahrung für meine Anwendung des Englischen. Auch mein Interesse auf medialer Ebene für englischsprachige Videos im Internet hat mich rückblickend beim Spracherwerb anhaltend unterstützt.

Im Englischunterricht meiner weiterführenden Schule fand immer eine 40/60 Benotung statt. Die 60% galten der mündlichen Note, die 40% dem Durchschnitt der aus den Tests hervorging. Dementsprechend zeichnete in meiner Schulzeit eine*n gute*n Fremdsprachenlerner*in ein großes Selbstbewusstsein aus, sich zu trauen sich auf einer fremden Sprache auszudrücken, aber auch die Fähigkeit gut auswendig zu lernen, um in den wöchentlichen Vokabeltests gut abzuschneiden. Die 40/60 Bewertung hatte meines Erachtens nach eine positive Auswirkung auf die Beteiligung der Schüler*innen. In der Oberstufe hingegen war einzig und allein die korrekte Form der ausschlaggebende Faktor für eine gute Bewertung. Schüler*innen mit einem englischsprachigen Hintergrund oder einem absolvierten Auslandsjahr hatten hier einen klaren Vorteil, der bei der Bewertung nicht berücksichtigt wurde. Ich persönlich fühlte mich hier nicht mehr so selbstbewusst wie es in der Mittelstufe der Fall war und distanzierte mich zunehmend von meinem ursprünglichen Lieblingsfach.

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In meinem Orientierungspraktikum durfte ich ein Kind kennenlernen, dass zu dem Zeitpunkt frisch eingeschult war und sich in einer jahrgangsübergreifenden Klasse befand. Das Kind konnte bereits Texte lesen, die zum Teil zwei Jahre ältere Kinder noch nicht lesen konnten. Zu Anfang des Schuljahres wurden den neuen Kindern Aufgaben ausgeteilt, die offensichtlich unterhalb des Niveaus des Kindes lagen, da es die Aufgaben ohne Weiteres bearbeiten konnte und bereits nach einer Woche die Menge an Aufgaben erledigt hatte, die die Lehrerin für 4 Wochen eingeplant hatte. Um das Kind trotzdem zu beschäftigen, wurde es in die Leseecke geschickt. Mir waren an dieser Stelle die Hände gebunden, da ich kein fertiggestelltes Aufgabenformat hatte dass dem Schüler entsprechen würde. Die Lehrerin hingegen war mit den anderen Kindern der Klasse voll ausgelastet und hatte keine Möglichkeit das Kind entsprechend zu fördern. Gerne hätte ich mit dem Kind gemeinsam herausgefunden wo es genau steht und bei welchen Aufgaben man ansetzen muss um es entsprechend zu fördern.

Als Fragen für die kommende Sitzung stelle ich mir 1. Wie sieht erfolgreiche Inklusion in Schule aus? und 2. Wie ist eine gleichsame Förderung aller Schüler*innen konkret umzusetzen ohne einzelne Kinder zu benachteiligen?