Gliederung

Bundesländerspezifische Regelungen

Regelungen zum Gendern in den verschiedenen Bundesländern zusammengefasst

Leitfaden der Universität Bremen

Forschungsvorgehen

Zusatzinformationen zu den Grafiken

Forschungsüberblick zum Thema

Quellen

Bundesländerspezifische Regelungen:

Baden-Württemberg: Verbot des Gebrauchs von Genderzeichen im förmlichen Schriftverkehr der Landesverwaltung.
Bayern: Verbot der Verwendung von Binnen-I, Gendersternchen, Doppelpunkt und Mediopunkt in Schulen, Universitäten und Behörden.
Berlin: Keine expliziten Verbote; Empfehlung zur Nutzung geschlechtsneutraler Begriffe oder Paarformen.
Bremen: Erlaubnis zur Verwendung des Doppelpunktes im schulischen Kontext und in der Außenkommunikation von Behörden.
Hamburg: Keine einheitlichen Vorgaben oder Verbote; Petition gegen Gendersprache in Verwaltung und Bildung vorhanden.
Mecklenburg-Vorpommern: Keine spezifischen Regelungen; Tendenz zu Paarformen und neutralen Sammelbegriffen.
Niedersachsen: Keine expliziten Vorgaben; Bevorzugung von Paarformen und neutralen Sammelbegriffen.
Saarland: Erlaubnis zur Verwendung des Doppelpunktes im schulischen Bereich und in Behörden.
Sachsen: Verbot ähnlich wie in Bayern.
Sachsen-Anhalt: Verbot ähnlich wie in Bayern.
Schleswig-Holstein: Genderzeichen können in schulischen Arbeiten als Fehler gewertet werden.

Regelungen zum Gendern in den verschiedenen Bundesländern zusammengefasst:

In Deutschland gibt es große Unterschiede bei den Regelungen zu geschlechtersensibler Sprache. Während Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt Genderzeichen wie Sternchen oder Doppelpunkte in Schulen und Behörden verbieten und Schleswig-Holstein Genderzeichen in Schulaufgaben teilweise als Fehler wertet, erlauben Bremen und Saarland explizit den Doppelpunkt. Die Universität Bremen liegt damit in einem Bundesland, das Gendern im offiziellen Kontext toleriert. Neun Bundesländer, darunter Berlin und Hamburg, haben keine spezifischen Verbote, empfehlen aber oft neutrale Formulierungen.

Leitfaden der Universität Bremen:

In ihrem Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache empfiehlt die Universität Bremen die Verwendung des Gendersterns, da dieser auch von der Queer-Community aktiv genutzt wird. Alternativ wird der Doppelpunkt genannt, beide gelten laut Leitfaden als die am häufigsten verwendeten Schreibweisen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass es noch Unsicherheiten im Hinblick auf die Barrierefreiheit gibt, insbesondere, da Screenreader-Programme Genderzeichen unterschiedlich interpretieren.

Forschungsvorgehen:

Das Forschungsprojekt verfolgte ursprünglich das Ziel, Studiengänge mit einem überwiegend männlichen sowie einem überwiegend weiblichen Studierendenanteil hinsichtlich ihres Gebrauchs gendergerechter Sprache zu vergleichen. Dabei sollte auch das Geschlecht der sprechenden Person, also der Dozierenden, mit einbezogen werden.

Zu diesem Zweck haben wir zunächst die Statistik der Universität Bremen zur Geschlechterverteilung in den Studiengängen ausgewertet und geprüft, welche dieser Studiengänge öffentliche Lehrveranstaltungen anbieten. Bereits in der Planungsphase wurde deutlich, dass eine Differenzierung nach dem Geschlecht der Dozierenden in der praktischen Umsetzung nicht für alle Studiengänge möglich war. Besonders bei den männerdominierten Studiengängen gestaltete es
sich schwierig, Veranstaltungen mit weiblichen Dozierenden zu finden.

Zudem zeigte sich bei der Durchführung des Projekts, dass einige Lehrveranstaltungen entgegen der Ankündigung nicht öffentlich zugänglich waren oder keine klassische Lehrsituation mit dozierender Person, sondern interaktive Formate mit starkem Studierendenanteil vorsahen. Diese Einschränkungen sind insbesondere darauf zurückzuführen, dass das Projekt zur Mitte des Semesters durchgeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist typischerweise mit einem höheren Anteil individueller studentischer Beiträge zu rechnen, wodurch der Sprachgebrauch der Dozierenden weniger im Fokus steht und schwerer systematisch zu erfassen ist.

Aus diesem Grund konnte beispielsweise der Studiengang Elektrotechnik, der gemäß der Statistik der Universität Bremen als männerdominiert eingestuft wurde, nicht in das Forschungsprojekt aufgenommen werden. Die untersuchten Veranstaltungen in diesem Studiengang bestanden überwiegend aus individuell gestalteten studentischen Inhalten, sodass eine Analyse des gendergerechten Sprachgebrauchs der Dozierenden nicht möglich war. Infolgedessen wurde die
ursprünglich geplante Kategorisierung in männer- und frauendominierte Studiengänge im weiteren Projektverlauf verworfen.

Letztlich wurden vier Studiengänge in die Untersuchung einbezogen: Wirtschaftswissenschaft, Biologie, Erziehungswissenschaft sowie Kommunikations- und Medienwissenschaft. Für jeden dieser Studiengänge wurden zwei Lehrveranstaltungen besucht und deren Daten im Rahmen des Projekts erhoben.

Im Vorfeld der Datenerhebung wurde ein Kategoriensystem erstellt, anhand dessen der Gebrauch gendergerechter Sprache durch die Dozierenden innerhalb der ersten 30 Minuten der jeweiligen Veranstaltung analysiert wurde. Dabei wurde zwischen schriftlichen und mündlichen Äußerungen unterschieden. Die verwendeten Kategorien lauteten:

  • Generalisiertes Maskulinum
  • Generalisiertes Femininum
  • Binärer Sprachgebrauch
  • Neutrale Begriffe
  • Binnen-I
  • Doppelpunkt
  • Genderstern

Für die mündliche Analyse können die Kategorien „Binnen-I“, „Doppelpunkt“ und „Genderstern“ nicht voneinander unterschieden werden, da diese in der gesprochenen Sprache in der Regel mithilfe eines Glottalverschlusses realisiert werden. Eine genaue Zuordnung zur intendierten Schreibweise war daher nicht möglich. Alle beobachteten Begriffe wurden dokumentiert, wobei auch Wiederholungen in die Auswertung aufgenommen wurden.

Zusatzinformationen zu den Grafiken:

Für unsere Analyse definierten wir das „Gendern“ als jegliche sprachliche Strategie, die darauf abzielt, Personen jenseits einer rein männlichen Zuschreibung sichtbar zu machen oder aktiv einzubeziehen. Das umfasst beispielsweise die Verwendung von Genderstern (*), Binnen-I (z. B. „StudentInnen“) oder neutralen Begriffen (z. B. „Studierende“). Als generisches Maskulinum werteten wir hingegen Formulierungen, bei denen ausschließlich die männliche Form verwendet wurde, obwohl auch andere Geschlechter gemeint oder eingeschlossen sein könnten.

Ein besonders auffälliges Ergebnis zeigt sich im Studiengang Wirtschaftswissenschaft: Hier wurde in der beobachteten Lehrveranstaltung kein einziger Begriff verwendet, der im Sinne unserer Untersuchung gegendert hätte werden können. Diese Abwesenheit möglicher Genderformen schränkt zwar die Datengrundlage für diesen Studiengang ein, wirft aber zugleich interessante Fragen zur Sprachpraxis in wirtschaftswissenschaftlichen Vorlesungen auf.

Im Gegensatz dazu zeigt sich in den Studiengängen Biologie, Erziehungswissenschaft sowie Kommunikations- und Medienwissenschaft ein jeweils deutlich höheres Aufkommen genderrelevanter Begriffe. Dabei variiert die Häufigkeit sowohl zwischen den Fachbereichen als auch innerhalb der Veranstaltungen. Besonders in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern ließ sich eine stärkere Tendenz zum Einsatz gendergerechter Sprache beobachten, sowohl mündlich als auch (weniger häufig) schriftlich.

Diese Ergebnisse unterstreichen, dass die Verwendung gendergerechter Sprache stark kontext- und fachspezifisch ist. Sie hängt nicht nur vom Studiengang, sondern auch von der jeweiligen Lehrperson und dem Aufbau der Veranstaltung ab.

Forschungsüberblick zum Thema:

Die wissenschaftliche Literatur zum Thema geschlechtergerechte Sprache und Gleichstellung im Hochschulkontext bietet aufschlussreiche Einblicke in die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen Sprache, Machtstrukturen und institutionellen Praktiken. Der Text „Doing Science – Doing Gender. Die Produktion von Wissenschaftlerinnen und die Reproduktion von Machtverhältnissen im wissenschaftlichen Feld“ von Sandra Beaufaÿs und Beate Krais verdeutlicht, dass Frauen im Wissenschaftssystem strukturell, kulturell und sozial benachteiligt und häufig von wissenschaftlichen Karrieren ausgeschlossen werden. Die Autorinnen zeigen, dass Maßnahmen wie Geschlechterquoten oder Gleichstellungspolitiken zwar notwendig sind, aber nicht ausreichen. Vielmehr müssten tief verankerte institutionelle Bedingungen, alltägliche Interaktionen sowie kulturelle Selbstverständlichkeiten kritisch hinterfragt und verändert werden. Der Ausschluss von Frauen sei kein individueller, „frei gewählter“ Akt, sondern ein systemisch produzierter Prozess, sondern ein Zusammenspiel von Wissenschaft und Geschlecht, das durch soziale Mechanismen stabilisiert wird.

Ein zentraler Mechanismus in diesem Kontext ist die Sprache selbst, insbesondere ihre Funktion als strukturelles Ausschlussinstrument. Das generische Maskulinum etwa trägt dazu bei, Frauen sprachlich unsichtbar zu machen und sie symbolisch auszuschließen. Die sprachliche Dimension dieser Problematik analysiert Hanna Acke in ihrem Artikel „Sprachwandel durch feministische Sprachkritik – Geschlechtergerechter Sprachgebrauch an den Berliner Universitäten“. In einer empirischen Untersuchung analysiert sie 566 Personenbezeichnungen in offiziellen universitären Texten (Webseiten, Mitteilungsblätter, Studieninformationen) aus dem Jahr 2017. Dabei zeigt sich, dass 85,5 % der Formulierungen geschlechtergerecht sind, während 14,5 % weiterhin das generische Maskulinum verwenden. Besonders häufig wurde die Bezeichnung „Studierende“ verwendet, vermutlich aufgrund ihrer sprachlichen Einfachheit und Neutralität. Acke stellt fest, dass Universitäten einen bedeutenden Beitrag zur Normierung geschlechtergerechter Sprache leisten, dies jedoch weitgehend innerhalb eines binären Geschlechtermodells geschieht. Sprachformen, die nicht-binäre Personen einbeziehen, finden bislang nur selten Anwendung, auch wenn offizielle Leitfäden dies zunehmend empfehlen. In der öffentlichen Selbstdarstellung präsentieren sich Hochschulen damit als Institutionen der Gleichstellung, verbleiben in der praktischen Umsetzung jedoch oft bei traditionellen, binär geprägten Mustern. Wie groß die Kluft zwischen institutionellen Leitlinien und gelebter Praxis sein kann, zeigt auch der Artikel „Gendern zwischen Theorie und Praxis“ von Celina Beck und Julia Leidenfrost (2021). Die Autorinnen untersuchen den Umgang mit geschlechterinklusiver Sprache im BAStudiengang Germanistik an der Universität Wien. Obwohl die universitären Leitfäden den Studierenden bekannt sind, bieten sie wenig konkrete Hilfe. Eine systematische Vermittlung gendergerechter Sprache findet kaum statt. Stattdessen erfolgt die Nutzung gendergerechter Sprache meist über Eigeninitiative, beispielsweise durch Medien, feministische Seminare oder den Austausch mit anderen Studierenden. Auch die Haltung der Lehrenden ist uneinheitlich: Viele vermeiden eine klare Positionierung, was zu widersprüchlichen Signalen im Studienalltag führt. Insgesamt zeigt sich, dass die Anwendung gendergerechter Sprache stark von individuellen Haltungen, sozialen Prägungen und persönlichem Sprachverständnis abhängt. Die Verantwortung für einen inklusiven Sprachgebrauch wird somit größtenteils an die Studierenden delegiert, während der Fachbereich Germanistik, obwohl Sprache hier zentraler Gegenstand ist, das Thema nur selten systematisch aufgreift. Gendern wird zudem häufig als rein „feministisches Anliegen“ abgewertet, was seine gesellschaftliche Relevanz unterminiert.

Einen aktuellen politischen Konflikt im Umgang mit geschlechtergerechter Sprache beleuchtet der Artikel „Studierende kritisieren Einschränkungen für geschlechtsneutrale Sprache“ von Christian Erll. Darin wird ein Schreiben des sächsischen Wissenschaftsministers Sebastian Gemkow (CDU) thematisiert, in dem dieser Hochschulen dazu auffordert, in der Verwaltung auf sprachliche Formen wie das Gendersternchen oder den Doppelpunkt zu verzichten. Gemkow beruft sich auf die amtliche Rechtschreibung, mit der solche Formen seiner Auffassung nach nicht vereinbar seien. Die Studierenden hingegen sehen in dieser Anweisung einen Eingriff in die Hochschulautonomie, die es den Universitäten ermöglichen sollte, selbst über den Sprachgebrauch zu entscheiden. Paul Steinbrecher, Sprecher der Konferenz der Sächsischen Studierendenschaften, betont, dass viele Studierende eine geschlechtergerechte Sprache ausdrücklich begrüßen, solange deren Verwendung empfohlen, nicht aber vorgeschrieben oder verboten wird.

Ein Beispiel für einen progressiveren Umgang mit Sprache bietet die Universität Leipzig. Bereits 2013 führte sie das generische Femininum in ihrer Grundordnung ein, wodurch Männer in offiziellen Texten als „Professorinnen“ mitgemeint waren. In der Praxis wird dort heute oft eine inklusive Form wie „Professor:innen“ verwendet. Juristisch betrachtet, ist Gemkows Eingriff jedoch rechtlich zulässig: Laut Verwaltungsrechtler Mario Pohl darf der Minister im Rahmen der geltenden Gesetze die Einhaltung amtlicher Rechtschreibung einfordern, zumindest für Verwaltungsdokumente. Zusammenfassend zeigen diese Studien und Fallbeispiele, dass geschlechtergerechte Sprache ein wichtiges Mittel zur Förderung von Gleichberechtigung darstellt, ihre Umsetzung jedoch stark variiert. Während Universitäten in der Verwaltung zunehmend neutrale Begriffe oder Doppelnennungen einsetzen, bleibt die sprachliche Inklusion insbesondere nicht-binärer Personen oft marginal. Zudem erschweren politische Interventionen, die sich auf formale Rechtschreibnormen stützen, eine progressive Sprachentwicklung. Letztlich wird deutlich, dass nicht allein institutionelle Vorgaben den Sprachgebrauch bestimmen, sondern individuelle Überzeugungen, soziale Rahmenbedingungen und die Bereitschaft zur Reflexion sprachlicher Normen entscheidend sind.

 

Quellen:

Buch:
Beaufaÿs, S., & Krais, B. (2005). Doing Science – Doing Gender: Die Produktion von Wissenschaftlerinnen und die Reproduktion von Machtverhältnissen im wissenschaftlichen Feld. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
Zeitschriftenartikel:
Acke, H. (2017). Sprachwandel durch feministische Sprachkritik – Geschlechtergerechter Sprachgebrauch an den Berliner Universitäten. Gender – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 9(2), 95–112.
Beck, C. / Leidenfrost, J.: Gendern zwischen Theorie und Praxis. Universitäre Leitlinien zum geschlechterinklusiven Sprachgebrauch und deren Anwendung am Beispiel von BA-Germanistik-Studierenden, in: Zeitschrift für interdisziplinäre Schreibforschung 5 (2021), S. 49–63.
Online-Quelle:
Erll, C. (2024, Mai). Studierende kritisieren Einschränkungen für geschlechtsneutrale Sprache. MDR.

Quelle zu den Regelungen der Bundesländer:

FOCUS-online-Redaktion:
„Kein Sternchen an Schulen und Unis. Genderverbot nicht nur in Bayern: Diese Regelungen haben andere Bundesländer“, FOCUS Online, 20. März 2024. URL: Fokus-Artikel
https://www.focus.de/panorama/genderverbot-nicht-nur-in-bayern-diese-regelungen-habenandere-bundeslaender_id_259779851.html (Aufgerufen am 20.06.2025)