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Prof.Dr. Frank J. Müller – Doing it wrong, doesn’t make it wrong. Inklusive Pädagogik und ihre Umsetzung rv07

1.) Reflektieren Sie die Konsequenzen der Aussonderung von Schüler_innen mit Förderbedarf?

Die Aussonderung von SchülerInnen mit Förderbedarf kann sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Auf der einen Seite ermöglicht sie die Einordnung von SchülerInnen in eine Kategorie, die wiederum ermöglicht, dass den jeweiligen SchülerInnen sogenannte „schülergebundene“ Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise kann durch die Zurverfügungstellung etwa von SonderpädagogInnen bzw. speziellen Unterrichtsmaterialien auf die individuellen Förderbedarfe jeweils individualisiert eingegangen werden. Auf der anderen Seite kann aber auch eine Stigmatisierung von SchülerInnen, denen der „Stempel:Förderbedarf“ anhaftet, durch Aussonderung erfolgen. Dies kann zum Beispiel gerade mit Blick auf das (Nicht-) Erreichen diverser Schulabschlüsse bzw. den Chancen auf dem Arbeitsmarkt problematisch sein. So könnten zum Beispiel Vorurteile von potentiellen Arbeitgebern verhindern, dass SchulabsolventInnen eingestellt werden, weil diese aus deren Sicht „eh nicht zu gebrauchen“ seien.

2.) Welche Informationen sind in der Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung&Entwicklung“ bzw. „Förderschwerpunkt Lernen“ enthalten? Welche Informationen benötigen Sie von einer Schüler_in um Ihren Unterricht ggf. anzupassen?

Die Kategorien besitzen nur eine begrenzte Aussagekraft. Insoweit werden detaillierte Informationen von SchülerInnen benötigt. Dies umfasst etwa einerseits eine genaue medizinisch-psychologische Diagnose und andererseits davon ausgehend den Leistungsstand, die emotionale- kognitive Entwicklung, Informationen der Eltern bezüglich der Neigungen, Vorlieben oder Ängste des Kindes. Ferner ist es noch erforderlich zu wissen, auf welche Weise mit den Eltern kommuniziert beziehungsweise kooperiert wird. Wann sind Eltern zu erreichen? Wie kann ein gemeinsames Lernen in der Schule und zum Hause Zusammen mit den Eltern erfolgen? Wie kann man sich mit Eltern, SonderpädagogInnen absprechen? Wie können sich Schule, Eltern und Ärzte oder Therapeuten ergänzen?

3.) Wie können Sie in Ihrem Unterricht die Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von Medien/Materialien verbessern? Welche Verbündeten können sie dazu gewinnen?

Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von Medien/Materialien können verbessert werden durch den Einsatz von Videos und speziellen, bebilderten Unterrichtsmaterialien sowie durch die Verwendung von speziell zugeschnittenen Apps. Auf diese Wiese werden mehrere Sinne von SchülerInnen angesprochen, sodass ein besseres Einprägen möglich ist. Das Lernen mit speziellen Apps oder Computer- Lernprogrammen kann schulunabhängig genutzt werden und auch zu Hause stattfinden. Auf diese Wiese sollten die Eltern, Arzt oder Therapeuten und Lehrer sich aufeinander abstimmen, sodass ein koordiniertes Lernen möglich ist. Vieles kann zu Hause auf diese Weise den Unterricht ergänzen,

4.) Wählen Sie eines der Lernvideos auf path2in.uni-bremen.de aus, schauen Sie es sich an und schreiben Sie kurz eine begründete Empfehlung für Ihre Kommiliton_innen, warum es sich ggf. lohnt sich das Video anzusehen.

Ich habe mir das Video von Prof. Dr. Jutta Schöler zum Themenkomplex „Übergang ins Berufsleben“ ausgesucht, da dies sehr gut die Realität des Berufslebens widerspiegelt. Insbesondere veranschaulicht das Video die vielfältigen Schwierigkeiten, auf die SchülerInnen mit Förderstatus in der Arbeitswelt stoßen. Zu nennen wären hier die mangelhafte Beratung von SchülerInnen mit Förderbedarf bei den Arbeitsämtern sowie die vielfach vorherrschenden Vorurteile von ArbeitgeberInnen. Hier muss noch viel getan werden, um mit dem Vorurteil aufzuräumen, FörderschülerInnen seien lediglich für diverse, einfach gelagerte handwerkliche Tätigkeiten geeignet. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Staat vielfältige Fördermöglichkeiten und finanzielle Erleichterungen von Arbeitgebern bei der Einstellung von SchülerInnen mit Förderbedarf vorsieht. Vor allem muss erst einmal aufgeklärt werden, sodass ein Bewusstsein für die beruflichen Möglichkeiten von Schülerinnen mit Förderbedarf entsteht. Auf diese Weise können SchülerInnen letztlich erst ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt nutzen.

Schlagwort: rv07

2 Antworten auf „Prof.Dr. Frank J. Müller – Doing it wrong, doesn’t make it wrong. Inklusive Pädagogik und ihre Umsetzung rv07“

Lieber Tim,

eine weitere wichtige Konsequenz der Aussonderung von SuS mit Förderbedarf wäre für mich, dass diese sich u.U. In einem homogenen Umfeld nicht weiterentwickeln können. Der Umgang mit SuS ohne Förderbedarf ist für viele SuS mit Förderbedarf sehr wichtig, da diese Vorbilder benötigen, um die motorische, die emotional-soziale, die Sprach- und Lernentwicklung weiter zu entwickeln. Besonders gut finde ich die Stelle im ersten Video, in der Prof. Dr. Müller schildert, wie die SuS mit Förderbedarf keine Vorbilder haben und diese sich dann verschiedene Eigenschaften untereinander abschauen.

Die Stigmatisierung beschäftigt mich auch sehr. In meinem letzten Artikel hatte ich von meiner eigenen Erfahrung erzählt – SuS mit Förderbedarf, die hinter einem 3 Meter hohen Zaun an einer Sonderschule „versteckt“ wurden. Genau das ist eine der Problematiken, die diesen „Stempel“, von dem Du redest, verursachen. Wir kennen normalerweise nur das Bild von Gefängnisinsassen, die hinter hohen Zäunen weggesperrt werden. In dem Fall der Sonderschule waren es SuS mit Förderbedarf. Dass diesen SuS ein Stempel aufgedrückt wird – davon ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen. Würde Inklusion heute schon erfolgreich an allen deutschen Schulen stattfinden, gäbe es sicherlich eine höhere Stufe der Sensibilisierung für SuS mit Förderbedarf. Und vielleicht auch der Erkenntnisgewinn, dass diese zukünftig genauso gute Arbeitnehmer*innen sein können, wie SuS ohne Förderbedarf.

Zu den Kategorieren:
Du schreibst, dass diese nur eine begrenzte Aussagekraft besitzen. Diese wird auch im Video deutlich. Die Kategorien sind sehr weit gefasst und ich frage mich, ob es sinnvoll wäre, diese Kategorien anders aufzuteilen. Im Video geht Prof. Dr. Müller nicht weiter darauf ein. Jetzt, nach der Vorlesung, würde ich gerne fragen, ob es Sinn macht, diese Kategorien neu zu formulieren/anzupassen? Oder ist diese Nutzung der Kategorien doch schon so etabliert, dass die Arbeit damit doch irgendwie funktioniert? Wie könnte man die Kategorien so aufteilen, dass schneller klar wird, welchen Förderbedarf die SuS haben?

Zur Fragestellung „Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von Medien/Materialien“:
Sehr interessant und erleuchtend fand ich die Idee/den Hinweis, die Eltern der SuS (vielleicht nicht nur derer mit Förderbedarf?) mit „ins Boot zu holen“. Dass die Eltern mit ihren Kindern vor oder nach der Unterrichtseinheit mit dem Thema umgehen, finde ich eine großartige Idee. Egal ob das Kind einen Förderbedarf hat oder nicht – so lassen sich bestimmte Themen noch besser vermitteln. Es ist wie eine „Einführung“, welche nicht in den ersten Minuten des Unterrichts statt findet, sondern schon davor, im häuslichen, geschützten Umfeld. Ich kann mir vorstellen, dass dies bei besonders sensiblen Themen ein großer Vorteil sein könnte, wie z.B. der menschliche Körper (insbesondere das Thema Sexualität/Pubertät/Verhütung usw.), Mobbing/Diskriminierung, Religion usw.

Das Teilen von Unterrichtsmaterial und das Verbessern des Unterrichts miteinander ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Dass alle Lehrer*innen an einem Strang ziehen, um für sich selbst mit den SuS (mit und ohne Förderbedarf) den besten Unterricht zu gestalten, ist denke ich häufig schon Normalität. Zumindest erfahre ich das Teilen von Unterrichtsmaterial als Normalität. Dass es vielleicht noch ältere Generationen gibt, die nicht mit der „Sharing is Caring“-Mentalität aufgewachsen sind, oder glauben, sich immer noch beweisen zu müssen, stimmt mich traurig. Ich hoffe, dass es Einzelfälle sind. Egal ob in der Schule oder freien Wirtschaft: Es ist immer besser, wenn alle an einem Strang ziehen. Einzelkämpfer gehen irgendwann unter (auch wenn wir sagen, dass wir in einer „Ellenbogengesellschaft“ leben).

Zum Video: Ich werde mir gleich noch das von Dir empfohlene Video anschauen.

Danke für Deinen Beitrag!

Viele Grüße
Melanie

Hallo Melanie,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Deine Ergänzungen haben mich sehr zum Nachdenken gebracht. Ich denke, Inklusion ist ein Thema bei dem es oft nicht „die“ pauschale Lösung gibt. Es muss aus meiner Sicht bei jedem Einzelfall genau hingeschaut und mit entsprechenden Maßnahmen, die den Bedarfen der einzelnen SchülerInnen gerecht werden, reagiert werden. Was im Ergebnis am wenigsten hilft ist eine idealisierende und beschönigende Debatte.
Vielen Dank, bis bald und liebe Grüße,
Tim

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