Dieses Review enthält teilweise Spoiler über den Verlauf der Handlung. Außerdem werden Themen wie sexueller Missbrauch, Machtungleichgewichte in romantischen Beziehungen und Trauma angesprochen.
„My dark Vanessa“ ein Buch von Kate Elizabeth Russel wurde 2020 veröffentlicht. In dem Buch geht es um eine 15 jährige Schülerin namens Vanessa Wye die auf ein Internat wechselt. Sie findet sich in einer ihr neuen Situation, da sie das erste mal ganz ohne Eltern und Freunde an einer neuen Schule auskommen muss. Dadurch freundet sie sich mit ihrem Englischlehrer Jacob Strane an. Er ist 42 Jahre alt und sie tauschen sich überwiegend über Literatur, ihre Gedanken und Ideen aus doch aus der anfangs schulisch basierten Freundschaft entwickelt sich eine weitergehende Beziehung. In dem Roman wird beschrieben, wie Strane Vanessa manipuliert und seine Machtposition als Lehrer ausnutzt um eine emotionale Abhängigkeit zu schaffen. Er macht ihr Komplimente, unterstützt sie dabei ihre schriftstellerischen Fähigkeiten zu verbessern und macht ihr Geschenke wie Bücher. Eines dieser Bücher ist Beispielsweise „Lolita“ von Vladimir Nabokov und im Verlauf des Buches, vergleichen sie ihr Verhältnis häufig mit der Beziehung der zwei Akteure aus dem Roman. Er macht ihr auch mehrmals klar, dass sie ihre Verbindung geheim halten müssen da sie untersagt ist und keiner, weder ihre Eltern noch die Schule darauf aufmerksam gemacht werden soll. Während der gesamten Beziehung wird die ungleiche Machtverteilung deutlich und die Grenzen zwischen Lehrer und Schüler werden nicht nur auf einer freundschaftlichen Ebene verschwommen, denn nach einiger Zeit entstehen bei privaten Treffen auch romantische Austausche, die ihre Beziehung mit einer Liebesbeziehung gleichsetzten und die Grenzen noch weiter verschwimmen lassen.
Das Buch beschreibt nicht nur die Entstehung der Bindung zwischen Strane und Vanessa, sondern beleuchtet auch die psychologischen Auswirkungen die diese auf Vanessa hat, indem es zwischen der jungen Vanessa und der erwachsenen Vanessa, die mittlerweile mitten im Leben steht hin und her springt. Obwohl Jahrzehnte verstrichen sind, kämpft sie stets mit den traumatischen Erlebnissen und versucht ihre eigenen Identität und Vergangenheit zu verstehen. Die Abhängigkeit zu ihrem ehemaligen Englisch Lehrer besteht immer noch, die Beziehung hat sich aber verändert. Vanessa kann das Geschehene zwar als Missbrauch identifizieren, verteidigt ihn aber weiterhin. Der Roman wirft ebenfalls ein Blick auf die Gesellschaftlichen Reaktionen, die die Beziehung hervorruft, unter anderem besteht teilweise ein Mangel an Empathie und Verständnis für die Dynamik der Machtverteilung außerdem wird die Schuld auch von einigen auf Vanessa geschoben, auch diese Reaktionen begleiten sie in ihrem Verarbeitungsprozess und erschweren oder unterstützen sie darin.
Zusammenfassend kann ich den Roman nur weiter empfehlen, da er nicht nur die Entstehung einer solchen Situation, bei der ein Lehrer und eine Schülerin ein Verhältnis haben beschreibt sondern sie auch von allen, besonders von Vanessas Sichtweise beleuchtet und man ihre Charakterentwicklung mitverfolgen kann. Außerdem beschreibt er auch komplexe Themen wie sexueller Missbrauch und die langfristigen Auswirkung von Traumata mit einer psychologischen Tiefe, durch die Verfolgung des inneren Kampfes der Hauptfigur. Zusätzlich äußert er sich gesellschaftskritisch und regt den Leser zum nachdenken an.
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