Uwah, ist das hell hier. Ich habe jetzt mehr als 8 Monate in der Kiste für Weihnachtsdekoration auf dem Dachboden verbracht. Und Zack, nichtsahnender Weise stehe mit mal einfach so hier in der Uni auf einem Tisch.
Viel zu warm ist es hier übrigens auch. Ich werde schon ganz kriselnd und sehe nicht mehr aus, wie ein Schneemann aussieht, denn mein Körper scheint aus kleinen Plastikkugeln zu bestehen. Wenn meine Arme nicht zu kurz und aus Puscheln wären , dann würde ich mir mit Sicherheit auch meine Mütze und den Schal ausziehen…. Aber gut, jetzt bin ich eben hier. Die einzige Erheiterung, die mein sonst so fremdbestimmtes Leben hat, ist das Blinklicht in meinem Bauch. Es kann in rot und grün leuchten.
Lasst mich euch jetzt aber die Geschichte meines Lebensweges erzählen. Vor vielen, vielen Monaten baute mich ein kleines Kind in China in mühevoller Handarbeit zusammen und hat dafür wahrscheinlich nicht einmal genügend Geld bekommen. Nachdem all meine Teile zusammengebaut waren, kam ich mit vielen anderen meiner Art in einen Container und wurde nach Europa verschifft. Dort war ich nämlich schon von mehreren Dicount-Ketten vorbestellt, um dort als Weihnachtsdekoration verkauft zu werden. So stand ich also, eingeengt zwischen Rudolph und dem Nikolaus, auf dem Regal und wartete darauf, von jemandem entdeckt zu werden.
Und dort stand ich…..und stand ich….und stand ich.
Gut, dass niemand im Oktober Weihnachtsdekoration kauft, hätte man ahnen können, aber als ich auch noch Mitte Dezember im Regal stand, begann ich mir langsam Sorgen zu machen. So hässlich war ich ja schließlich wirklich nicht. Höchstens ein bisschen kitschig, aber eigentlich auch ziemlich lustig. Als ich schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, kaufte mich doch noch jemand. Und er kaufte nicht nur mich, sondern auch meine Freunde, mit denen ich mir so lang ein Regal geteilt hatte.
So feierten wir gemeinsam ein schönes, blinkendes Weihnachtsfest auf der Fensterbank eines Bremer Wohnzimmers.
3 Antworten zu “3. Die Geschichte eines kleinen Schneemanns”
Oh wow, das ist eine echt spannende Geschichte und Perspektive.
Würde man jetzt diese Geschichte in die Realität ziehen, könnte man viele Aspekte sehen, mit denen auch wir Menschen kämpfen.
Vor allem das Selbstwertgefühl und die Einsamkeit stechen hervor.
Ich weiß nicht wie es bei dir ist, aber ich hatte früher ziemlich oft das Gefühl, dass ich zu keiner Gruppe richtig „dazugehöre“ und dass alle anderen so „anders“ sind.
Sobald man sich jedoch den anderen anpasst, ist man meist trotzdem alleine und einsam. Oft passt man dann zwar in die Gruppe rein, aber dafür ist das Gefühl der Unzufriedenheit groß.
Ich wünschte, wir Menschen würden uns einfach alle akzeptieren. Egal welche Hautfarbe man hat, welche Religion man hat, welche Sexualität man hat etc.
Eines Tages sind wir bestimmt in der Lage, uns alle so zu akzeptieren wie wir sind.
Das passiert oft, wenn man seine wahren Freunde gefunden hat. Ab dann scheint es so, als ob alles perfekt passt!
Und wer weiß, vielleicht sitzen wir unterschiedlichen Menschen in Zukunft mal wirklich gemeinsam an einem Tisch und essen und reden miteinander, ohne uns von unseren Unterschiedlichkeiten gestört zu fühlen.
Echt eine krasse Geschichte mit viel Wahrheit dahinter. So viel Weihnachtsdeko gibt es jedes Jahr im Angebot. Man wird jedes Jahr aufs Neue überflutet…
Ich bin froh, dass der kleine Schneemann doch nicht alleine gekauft wurde.
Bisschen traurig ist es ja schon, wenn die Weihnachtsdeko meistens nur einmal im Jahr raus kann ins Zimmer. Da kann man sich die Frage stellen, ob es überhaupt was bringt sich Weihnachtsdeko zu holen
Tolle und zugleich traurige Geschichte eines kleinen Schneemanns. Du hast die Gedanken und Emotionen des Schneemanns so schön verdeutlicht, man konnte sich so gut in ihn hineinversetzen. Der Blickwinkel aus der du heraus geschrieben hast, mit dem tatsächlichen und zudem fiktiven Werdegang des Schneemanns hat mir die Augen für die verschwenderische Umgangsweise mit Dekorationen jeglicher Art geliefert.
Ich bin generell kein Freund von saisonaler Dekoration. Würde ich in Zukunft jedoch auf die Idee kommen, dann werde ich mich an deine Geschichte zurückerinnern und es mir ein weiteres mal überlegen. Eine Objektbeschreibung mit Mehrwert!