Gesellschafts- und arbeitspolitischer Hintergrund

Das traditionelle Gewerkschafts- und Betriebsratsmitglied – männlicher Facharbeiter, unbefristet, vollzeitbeschäftigt – wird abgelöst von mehr Vielfältigkeit: Frauen, Angestellte, Teilzeit-Beschäftigte, Angelernte, Akademiker/innen und, zumindest zum Zeitpunkt des Eintritts in den Betriebsrat, gewerkschaftlich Nichtorganisierte (Greifenstein/Kißler/Lange 2011, Greef 2014). Mit der Vielfalt in der Mitgliederzusammensetzung betrieblicher Interessenvertretungen sowie aufgrund der Vielzahl betrieblicher Veränderungsprozesse werden berufliche Übergänge auch für betriebliche Interessenvertreter/innen tendenziell zum Normalfall. Freigestellte Betriebsratsarbeit wird damit zunehmend zur begrenzten Phase in der beruflichen Laufbahn.

Hintergrund sind veränderte betriebliche Bedingungen, Betriebsschließungen, Personalabbau, wechselnde Mehrheiten in Belegschaft und Gremien ebenso wie die Veränderung subjektiver Wertigkeiten von Arbeit, beruflichen Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten, der Wunsch, die eigene Gesundheit zu erhalten und der Anspruch an eine Work-Life-Balance. Zusätzlich entstehen speziell für jüngere und (hoch-)qualifizierte Beschäftige berufliche Risiken, weil sie durch den Gang in die Freistellung häufig von aktuellen fachlich/technischen Entwicklungen abgekoppelt werden. Durch den Strukturwandel werden diese Beschäftigtengruppen zukünftig weiter anwachsen und sollten auch in den Betriebsräten – und unter den Freigestellten – entsprechend repräsentiert sein.

Von diesen Veränderungen ausgehend, geht es zukünftig darum, die hier entstehenden Übergänge aus der ursprünglichen Tätigkeit in die freigestellte Betriebsratsarbeit und aus der freigestellten Betriebsratsarbeit in eine andere berufliche Tätigkeit individuell wie institutionell gelingend zu gestalten, um für nachfolgende Generationen betrieblicher Interessenvertreter/innen Perspektiven aufzuzeigen. Die Motivation, sich in der betrieblichen Interessenvertretung auch freigestellt zu engagieren, kann gestärkt werden, wenn dies weniger als Karrierehindernis wahrgenommen wird, sondern vielmehr als Kompetenzzuwachs und Entwicklungsmöglichkeit.

Literatur

Greef, Samuel (2014): Gewerkschaften im Spiegel von Zahlen, Daten und Fakten. In: Schroeder, Wolfgang (Hg.): Handbuch Gewerkschaften in Deutschland. 2. Aufl. 2014. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 659–755.

Greifenstein, Ralph; Kißler, Leo; Lange, Hendrik (2011): Trendreport Betriebsrätewahlen 2010. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung (Arbeitspapier, 231).