24.01.2025 / Becker, Giorno & Kilinc

Hast du schon einmal erlebt, dass Feedback, egal ob positiv oder negativ, dein Selbstbild ins Wanken bringt? Doch warum löst Feedback, das nicht unserem Selbstbild entspricht, so viel Stress in uns aus? Dieser Blogartikel zeigt dir, warum das so ist und wie Unternehmen darauf reagieren können.

Wenn das Feedback von der Führungskraft nicht zur Selbstwahrnehmung passt

Von Stine Becker, Chiara Giorno & Marle Kilinc

Die Situation kennst du bestimmt: Du präsentierst ein abgeschlossenes Projekt, alles läuft glatt und danach kommt dein:e Chef:in auf dich zu. Doch statt Anerkennung gibt es Verbesserungsvorschläge. Auch das Gegenteil: Du bist unsicher, wie dein Projekt ankam, und wirst plötzlich mit Lob überschüttet, das irgendwie übertrieben wirkt. In beiden Momenten fragst du dich vielleicht: „Sehen die anderen mich wirklich so, wie ich mich selbst sehe?“ Solche Situationen können uns ins Grübeln bringen – und manchmal sogar unser Selbstvertrauen ins Wanken.

Die Self-Verification Theory 

Einen Erklärungsansatz für dieses Phänomen bietet die Self-Verification Theory von William B. Swann (2012). Sie beschäftigt sich mit dem Wunsch von Menschen, ein konsistentes Bild von sich selbst zu bewahren und von anderen bestätigt zu bekommen. Dabei geht es nicht nur um positive, sondern auch um negative Selbstbilder. Menschen suchen aktiv nach Informationen und Beziehungen, die ihr Selbstbild – egal ob positiv oder negativ – bestätigen.

Wie es funktioniert:
Wenn wir glauben, kompetent, freundlich oder zuverlässig zu sein, möchten wir, dass andere uns genauso wahrnehmen. Ebenso kann jemand mit einem negativen Selbstbild (z. B. das Gefühl, unfähig oder unfreundlich zu sein) Situationen oder Menschen bevorzugen, die dieses Bild bestätigen, anstatt das Gegenteil zu behaupten.

Warum das wichtig ist:

Konsistenz gibt uns Sicherheit. Wenn unsere Wahrnehmung von uns selbst mit der Wahrnehmung anderer übereinstimmt, fühlen wir uns verstanden und sicher in unseren sozialen Beziehungen. Das bedeutet, dass Self-Verification nicht immer „positive Bestätigung“ bedeutet, sondern vor allem „stimmige Rückmeldung“. Umgekehrt kann eine Diskrepanz zwischen dem Selbstkonzept und den Rückmeldungen von Anderen zu Stress und Unbehagen führen. Das erklärt, warum wir uns manchmal gegen Kritik oder Lob sträuben und wir bestimmte Beziehungen bevorzugen. So bauen wir lieber Beziehungen mit anderen auf, die unsere Selbstsicht unterstützen. Und dies lässt sich entsprechend auch auf den Arbeitskontext und die Beziehung zur Führungskraft anwenden. 

Wie sieht das dann in der Praxis aus?

Stell dir vor, du bist voller Motivation und Selbstbewusstsein bei der Arbeit, glaubst an dich selbst und hast Vertrauen in dein Management. Dann geschieht das Undenkbare: Dein:e Chef:in sabotiert dich. Er:sie schätzt dich herab, macht dich bei anderen schlecht und stellt dir unnötige Hürden in den Weg. Was passiert jetzt?

Laut einer Studie von Booth et al. (2019) wirkt diese Art von „sozialer Untergrabung“ durch Vorgesetzte besonders negativ auf Menschen, die ein positives Selbstbild und Selbstvertrauen haben. Auch Personen mit positivem Selbstbild suchen laut der Self-Verification Theory aktiv nach Bestätigung ihrer Wahrnehmung. Wenn sie jedoch von ihrer Führungskraft untergraben werden, erleben sie das als persönlichen Angriff, der Stress verursacht und sie an ihrer beruflichen Zukunft zweifeln lässt.

Das Spannende: Die Situation verschärft sich, wenn diese Mitarbeitenden in ein Unternehmen eingebunden sind, dem sie grundsätzlich vertrauen. Warum? In einem Umfeld, das als unterstützend wahrgenommen wird, wirkt das destruktive Verhalten der Führungskraft noch irritierender. Es passt einfach nicht ins Bild. Dadurch fühlen sich diese Mitarbeitenden nicht verstanden und sehen ihre Selbstwahrnehmung noch stärker bedroht.

Warum das so problematisch ist:

Die Studie zeigt, dass Mitarbeitende mit einem positiven Selbstbild nicht nur Stress empfinden, sondern auch eine gesteigerte Absicht entwickeln, ihren Job zu kündigen. Diese Konsequenzen sind besonders alarmierend für Unternehmen, da gerade diese Mitarbeitenden oft als Leistungstragende gelten. Sie sind selbstbewusst, engagiert und normalerweise stabil im Umgang mit Herausforderungen. Doch wenn sie das Gefühl haben, dass ihre eigene Wahrnehmung von sich selbst nicht bestätigt wird (und dazu noch in einem Unternehmen, dem sie vertrauen), reagieren sie empfindlicher.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Denk an eine hochqualifizierte Projektmanagerin mit einem positiven Selbstbild, die von ihrer Arbeit begeistert ist und in einem Unternehmen mit starker Vertrauenskultur arbeitet. Ihr Chef beginnt jedoch, ihre Erfolge vor dem Team kleinzureden und behindert wichtige Projekte. Obwohl das Unternehmen insgesamt einen positiven Ruf genießt, fühlt sich die Managerin zunehmend isoliert und unverstanden. Der Kontrast zwischen ihrem Selbstbild, der allgemeinen Unternehmensphilosophie und dem Verhalten ihres Chefs wird zu einem unüberwindbaren Problem. Am Ende sieht sie nur einen Ausweg: die Kündigung.

Was können Unternehmen tun?

Zunächst sollten Unternehmen eine Unternehmenskultur fördern, die von Vertrauen und Respekt geprägt ist. Regelmäßige Feedbackgespräche können dabei helfen, die Leistungen der Mitarbeitenden anzuerkennen und gleichzeitig konstruktives Feedback zu geben. Dies stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein der Mitarbeitenden, sondern vermittelt ihnen auch das Gefühl, dass ihre Meinungen und Beiträge geschätzt werden. 

Darüber hinaus ist die Weiterentwicklung von Führungskräften entscheidend. Regelmäßige Schulungen für Führungskräfte können dazu beitragen, Verhaltensweisen wie soziale Untergrabung zu vermeiden und Führungskompetenzen zu stärken, die die Selbstwahrnehmung der Mitarbeitenden nicht gefährden. 

Ergänzend dazu können Mitarbeitendenbefragungen und 360-Grad-Feedback genutzt werden, um mögliche Spannungen frühzeitig zu erkennen. Durch eine klare und transparente Kommunikation können Unternehmen zudem sicherstellen, dass Mitarbeitende sich wertgeschätzt und in ihrer Rolle sicher fühlen. Eine solche Umgebung fördert nicht nur das Engagement, sondern auch die langfristige Zufriedenheit der Mitarbeitenden.

Fazit

Das Bedürfnis, im Job verstanden und bestätigt zu werden, ist tief in uns verankert. Das macht die Self-Verification Theory deutlich. Rückmeldungen, die nicht zu unserer eigenen Wahrnehmung passen, können Stress und Unsicherheit auslösen. So ist es mehr als natürlich, dass wir uns als Mitarbeitende langfristig einen Job wünschen und suchen, bei dem das eigene Selbstbild bestätigt wird. 

Unternehmen, die das verstehen, können viel gewinnen: Eine Feedbackkultur, die authentisch und respektvoll ist, gibt Mitarbeitenden das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden. Das Ergebnis? Wer diese Elemente in den Arbeitsalltag integriert, schafft nicht nur Vertrauen, sondern sorgt dafür, dass Talente langfristig bleiben. Dies ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen, da es dazu beiträgt, Talente langfristig zufrieden, engagiert und motiviert zu halten.

Quellen:

Booth, J. E., Shantz, A., Glomb, T. M., Duffy, M. K. & Stillwell, E. E. (2019). Bad bosses and self‐verification: The moderating role of core self‐evaluations with trust in workplace management. Human Resource Management59(2), 135-152. https://doi.org/10.1002/hrm.21982

Swann Jr., W.B. (2012). Self-verification theory. Handbook of theories of social psychology, 2, 458-476.