24.01.2025 / Beckers, Dreyer, Osterloh

Konflikte im Team? Was zunächst nach Chaos klingt, kann zur Grundlage für brillante Ideen werden. Wenn Meinungen aufeinandertreffen und Perspektiven kombiniert werden, entstehen oft die besten Lösungen. Wie Teamarbeit, offene Diskussionen und der richtige Umgang mit Konflikten die Kreativität fördern, zeigt sich im Fall von Maria und Tom.

Kreativität durch Konflikt: Wie produktive Auseinandersetzungen die besten Ideen fördern können

Stell Dir vor, es ist Montagmorgen…

… und das wöchentliche Teammeeting steht an. Auf der Agenda: die Entwicklung einer neuen Werbestrategie für ein wichtiges Produkt. Maria, deine Teamleiterin, hat eine klare Vorstellung davon, wie die Werbung aussehen soll. Doch Tom aus der Kreativabteilung sieht das völlig anders. Er hält Marias Ansatz für „zu langweilig“ und wirft provokant eine ungewöhnliche Idee in den Raum. Im Büro wird es still – du spürst die Spannung. Einige Kolleg:innen wirken genervt, andere begeistert. Es beginnt eine hitzige Debatte. Maria und Tom schaffen es dabei, ihre unterschiedlichen Ansichten zu kombinieren. Am Ende des Teammeetings entsteht eine Strategie, die schlüssig und strategisch durchdacht ist. Am nächsten Morgen lässt Maria die gemeinsam erarbeiteten Punkte aus dem Teammeeting Revue passieren. Die gemeinsame Debatte empfindet sie als konstruktiv. Im Laufe des Tages setzt sie sich mit dem Thema weiter auseinander. Dabei entwickelt sie eine neue Idee zu einem der offengebliebenen Punkte der Strategie.

Dieses Beispiel zeigt, wie Konflikte in Teams nicht nur Spannungen erzeugen, sondern auch die Kreativität fördern können. Doch wie beeinflusst die Zusammenarbeit in Gruppen überhaupt das eigene Verhalten und die gemeinsame Ergebnisfindung? 

Miteinander vs. Gegeneinander

Eine Antwort darauf liefert die Theorie über Kooperation und Wettbewerb von Morton Deutsch aus dem Jahr 2011. Der US-amerikanische Sozialpsychologe und Konfliktforscher basierte seine Überlegungen auf den folgenden Ideen: Die Ziele von Gruppenmitgliedern sind miteinander verbunden und die Art des Austausches schafft entweder Harmonien oder Spannungen.

Deutsch unterscheidet zwei Formen, wie die Ziele verschiedener Personen voneinander abhängig sein können: In einer kooperativen Beziehung verfolgen alle ein gemeinsames Ziel, das nur durch Zusammenarbeit erreichbar ist – wie auch beim Team von Maria, das gemeinsam eine erfolgreiche Werbestrategie entwickeln möchte. Kooperationen fördern Vertrauen, Offenheit und gegenseitige Unterstützung. Im Gegensatz dazu bedeutet in einer kompetitiven Beziehung der Erfolg einer Person den Misserfolg einer anderen Person. Dies kann zu Misstrauen, Rivalität und Konflikten führen. Auch Maria und Tom stehen zu Beginn in einer Art kompetitiven Wettbewerb um die beste Idee.

Aber: Ein Kernaspekt von Deutschs Theorie ist, dass solche Konflikte nicht immer diese destruktiven Auswirkungen zur Folge haben, wie auch das Beispiel von Maria und Tom zeigt. Wenn der Wettbewerb konstruktiv genutzt wird, liegt der Fokus darauf, dass alle Beteiligten von diesem Wettbewerb profitieren. Insbesondere, wenn sich Wettbewerb in einem sicheren Rahmen entfaltet, ist die Chance groß, diesen Konflikt für alle Beteiligten nutzen zu können.

Wie Konflikte Kreativität freisetzen können

Aber was genau hat es mit der Kreativität auf sich? Wie kann Kreativität durch Konflikte in Gruppen gefördert werden?

Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Studie von Mladen Adamovic aus dem Jahr 2022, die auf Erkenntnissen von Morton Deutsch aufbaut. In der Studie berichten Vollzeitbeschäftigte aus verschiedenen Branchen über ihre Arbeit in Teams. Über verschiedene Zeitpunkte hinweg wurden Konflikte, der Umgang damit, die Zusammenarbeit und die persönliche Kreativität der Teilnehmer:innen untersucht.

Das Ergebnis: Wenn Diskussionen offen und ohne Sturheit geführt werden, können Aufgabenkonflikte die Kooperation im Team und die Kreativität einzelner Personen fördern. Durch den gemeinsamen Austausch von Wissen und Ideen entstehen neue Perspektiven und Lösungsansätze. Diese Vielfalt bietet jeder oder jedem im Team Inspiration und neue Denkanstöße – das steigert die eigene Kreativität.

Zurück zum Beispiel: Maria und Tom arbeiten an einer neuen Werbestrategie, haben aber völlig unterschiedliche Vorstellungen. Es entsteht ein Aufgabenkonflikt. Statt stur auf ihren Ideen zu beharren, diskutieren sie ihre Vorschläge im Team. Alle bringen sich ein, ergänzen sich und am Ende entsteht eine überzeugende Lösung. Das ist ein Beispiel für kooperatives Konfliktmanagement – ein Ansatz, der laut Adamovic die Zusammenarbeit im Team stärkt. 

Wie hätte es anders laufen können? Wenn sich Tom und Maria nicht geeinigt hätten, wäre das ein Zeichen für einen konkurrierenden Konfliktstil gewesen. Ein solches Verhalten führt laut Adamovic oft zu weniger Kooperation. Und wer weiß? Ohne die Zusammenarbeit hätte Maria vielleicht keine neuen kreativen Einfälle gehabt. Laut der Studie unterstützt genau diese Kooperation sowohl die Teamzusammenarbeit als auch die individuelle Kreativität.

Konflikte als Schlüssel

Sowohl die Theorie von Deutsch als auch die Ergebnisse von Adamovic zeigen: Konflikte sind in Teams unvermeidbar, aber auch sehr wertvoll, wenn sie richtig angegangen werden. „Richtig“ bedeutet in diesem Fall in einer nicht kompetitiven Weise. Konflikte müssen außerdem nicht zwangsläufig destruktiv sein. Entscheidend ist der Umgang mit ihnen: Sind die Beteiligten bereit, ihre Unterschiede zu nutzen, um gemeinsam Lösungen zu finden und voneinander zu lernen?

Auch die Diskussion zwischen Maria und Tom zeigt, dass Konflikte nicht zwangsläufig Rivalität bedeuten. Sie bieten die Chance, Ideen und Perspektiven zu kombinieren und dadurch kreative, strategische Lösungen zu finden. Darüber hinaus kann die Kreativität einzelner Personen gesteigert werden.

Unternehmen, die dies verstehen, können kooperative und wettbewerbsorientierte Dynamiken nutzen, um die Kreativität und Innovationskraft ihrer Teams zu fördern. Der Schlüssel liegt darin, Konflikte als wesentlichen Bestandteil der Zusammenarbeit zu verstehen.

Was bedeutet das für Dich? 

Die Kooperation mit deinem Team kann die Vorteile von Aufgabenkonflikten auf deine Kreativität übertragen. In einem wettbewerbsorientierten Umfeld ist dieser Effekt jedoch nicht spürbar.

Wenn dein Unternehmen jetzt also Kreativität fördern möchte, ist es wichtig, nicht absichtlich Aufgabenkonflikte zu schüren. Adamovic zeigt, dass Aufgabenkonflikte die Kreativität fördern können, wenn alle Beteiligten ein Umfeld schaffen, das nicht wettbewerbsorientiert ist.

Es ist also wichtig, Zusammenarbeit zu fördern, weil sie sich positiv auf die Kreativität auswirkt. Ein von Kooperation geprägtes Arbeitsumfeld und ein guter Konfliktumgang spielen dabei eine zentrale Rolle. Schulungen zum Konfliktmanagement und Übungen zur Perspektivübernahme können diesen Prozess unterstützen.

In der nächsten Teamsitzung…

 reflektiert ihr alle die gemeinsam entwickelte Werbestrategie. Was stellt ihr dabei fest? Konflikte im Team, wie bei Maria und Tom, sind wertvoll, wenn ihr sie kooperativ löst und eure Unterschiede als Stärke begreift. Also: Nutzt Diskussionen, um voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen – denn Kooperation ist der Schlüssel zur Kreativität!

Quellen

Adamovic, M. (2022). Taking a conflict perspective to explain an employee’s creativity. International Journal Of Conflict Management33(4), 714–737. https://doi.org/10.1108/ijcma-09-2021-0152

Deutsch, M. (2011). Cooperation and competition. In P. T. Coleman (Hrsg.), Conflict, interdependence, and justice: The intellectual legacy of Morton Deutsch (S. 23–40). Springer Science + Business Media. https://doi.org/10.1007/978-1-4419-9994-8_2