
24.01.2025 / Anstatt, Kovarik, Willing
Wie unsere Gefühle unsere Entscheidungen steuern
Stell dir vor, du kommst vom Einkaufen nach Hause und entdeckst in deiner Tasche eine Kuchenbackmischung, die du offenbar unbewusst mitgenommen hast. Erst wunderst du dich, doch dann fällt es dir ein: Gestern lief im Fernsehen eine Werbung, in der ein lachendes Kind mit seiner Großmutter Kuchen backt. Diese Szene hat dich an deine eigene Kindheit erinnert. Mit einem Lächeln stellst du die Mischung in den Schrank und nimmst dir vor, bald wieder einen Kuchen zu backen.
Warum beeinflusst uns Werbung, die Gefühle auslöst, so stark, dass sie unsere Entscheidungen verändern kann? Weshalb haben unsere Gefühle generell einen so großen Einfluss auf unser Verhalten? Die Feelings-as-Information Theory (FAIT) von Norbert Schwarz (2012) bietet hierfür eine Erklärung.
Die Theorie: Gefühle als Informationsquelle
Die zentrale Annahme der FAIT lautet, dass Menschen ihre Gefühle als Informationsquelle nutzen, um Urteile zu fällen und Entscheidungen zu treffen. Positive oder negative Gefühle dienen dabei als Heuristik, also als einfache Entscheidungsregel. Wie wir uns in einem bestimmten Moment fühlen, beeinflusst, wie wir Situationen einschätzen und bewerten. Mit Gefühlen in diesem Sinne können unterschiedliche Wahrnehmungen gemeint sein: Körpersignale, Emotionen, Stimmungen und ihre geistige Wahrnehmung.
Die Mechanismen der FAIT
Die Mechanismen der Feelings-as-Information Theory (FAIT) zeigen, wie Gefühle als Anhaltspunkte in Entscheidungsprozesse einfließen. Positive Gefühle signalisieren dabei Sicherheit und Wohlbefinden, während negative Gefühle auf Unsicherheit oder potenzielle Probleme hinweisen. Sie dienen somit als intuitive Bewertungshilfen für die Einschätzung von Situationen. Bei einer positiven Gefühlslage wird eher angenommen, dass die Situation und die Umgebung sicher sind und keine oder wenig Probleme vorliegen. Dies führt dazu, dass Menschen dazu neigen, auf vorhandene Schemata, Vorwissen und Heuristiken zurückzugreifen, also kurz gesagt etwas weniger kritisch nachzudenken. Andersherum deuten Menschen negative Gefühle als Hinweis auf eine unsichere, problematische Umgebung, die es erfordert, systematischer, detailorientierter und analytischer zu denken.
Der Einfluss von Gefühlen ist jedoch stark kontextabhängig. Entscheidend ist, ob das Gefühl als relevant für die aktuelle Entscheidung wahrgenommen wird. Nur dann prägen die Gefühle das Urteil. Andernfalls verlieren sie ihre Wirkung als Entscheidungsgrundlage.
Ein zentraler Aspekt der FAIT ist die Fehlattribution. Werden Gefühle durch eigentlich irrelevante Ursachen ausgelöst, jedoch fälschlicherweise auf die Entscheidungssituation zurückgeführt, beeinflussen sie die Entscheidung auf unpassende Weise. Wird jedoch durch aktives Nachdenken die tatsächliche Ursache des Gefühls erkannt, verliert dieses seinen Informationswert und wird nicht mehr in den Entscheidungsprozess einbezogen. Beispielsweise berichteten Personen an sonnigen Tagen, dass sie zufriedener mit ihrem Leben seien als an regnerischen Tagen. Sobald die Teilnehmer:innen jedoch darauf hingewiesen wurden, dass ihr Gefühl durch das Wetter beeinflusst sein könnte, sank dessen Einfluss auf die Lebensbewertung erheblich.
Werbung und gemischte Gefühle: Ein moderner Ansatz
Eine neuere Studie von Quach und Kolleg:innen (2021) untersucht die Wirkung von gemischten Gefühlen in der Werbung. Dabei wurde gezeigt, dass die Kombination aus positiven und negativen Gefühlen dazu führt, dass Menschen mehr darüber reden, insbesondere wenn sie in einem erzählerischen Zusammenhang aus der Sicht einer dritten Person vermittelt werden. Diese Erzählweise schafft eine psychologische Distanz, die es ermöglicht, gemischte Gefühle besser zu verarbeiten und ihre inspirierende Wirkung vollständig zu entfalten.
Weitere Erkenntnisse
Werbung, die gezielt gemischte Gefühle anspricht, kann nicht nur die Aufmerksamkeit der Zielgruppe erhöhen, sondern auch nachhaltigere Erinnerungen schaffen. Durch die Kombination aus positiven und negativen Gefühlslagen wird eine Tiefe erzeugt, die als besonders authentisch und damit als relevant wahrgenommen wird. Die großen, bedeutsamen Momente im Leben sind nämlich oft geprägt von der gleichzeitigen Anwesenheit verschiedener Gefühle wie Freude und Trauer, Wut und Erleichterung.
Da Menschen dazu neigen, sich über bedeutsame Ereignisse austauschen zu wollen und ihre gemischten Gefühle diskutieren zu wollen, regt eine darauf abzielende Werbekampagne somit die Mundpropaganda an, was der Kampagne sozusagen kostenlos mehr Reichweite und Wiederholung liefert. Was wiederholt wird, führt neben einem höheren Erinnerungs- und Vertrautheitswert auch zu einer verstärkten Wahrnehmung des Sachverhaltes/des Produktes als relevant. In der Studie von Quach und Kolleg:innen (2021) konnte gezeigt werden, dass die Mundpropaganda durch Ansätze mit gemischten Gefühlen, auch im Vergleich zu Werbung, die sich lediglich auf das eine Gefühl „Freude“ konzentrierte, gesteigert werden konnte. Notwendig war hierbei gleichzeitig die Steigerung der Distanz, wodurch die negativen Gefühlslagen aushaltbarer gemacht wurden.
Diese Erkenntnisse zeigen, wie auf Gefühle abzielende Strategien im Marketing eingesetzt werden können, um sowohl die Aufmerksamkeit der Konsument:innen zu gewinnen als auch langfristige Werbeeffekte zu erzielen. Die bewusste Ansprache von gemischten Gefühlen erlaubt es Unternehmen, ihre Botschaften bedeutungsvoller und einprägsamer zu gestalten.
Die Macht gemischter Gefühle: Anwendungen in Kommunikation, Marketing und Führung
Gemischte Gefühle finden nicht nur in der Werbung, sondern auch in Bereichen wie politischer Kommunikation Anwendung. Hier kombinieren Redner:innen häufig Hoffnung und Dringlichkeit, um auf Gefühlsebene zu wirken, die rational schwer zu ignorieren ist. Die FAIT erklärt, warum solche Botschaften Entscheidungen subtil beeinflussen können.
Im Marketing zeigen Studien wie die von Quach und Kolleg:innen (2021), dass Botschaften, die positive und negative Gefühle beinhalten, Kund:innenbindung stärken, Markenbotschaften verbreiten und die Mundpropaganda fördern.
Gefühle spielen auch in beruflichen Entscheidungsprozessen eine zentrale Rolle. Positive Gefühle erleichtern schnelle Entscheidungen unter Zeitdruck, während negative Gefühle analytisches Denken fördern. Führungskräfte können diese Dynamiken gezielt nutzen: Positive Gefühle fördern Kreativität, während die Reflexion negativer Gefühle hilft, Risiken zu erkennen und Probleme zu lösen.
Die Macht der Gefühle bewusst nutzen
Die Feelings-as-Information Theory zeigt, wie stark Gefühle unser Denken und Handeln prägen. Sie sind nicht nur beiläufige Begleiter unseres Erlebens, sondern zentrale Informationsquellen, die unsere Wahrnehmung der Welt formen. Indem wir die Mechanismen hinter diesen Prozessen verstehen, können wir lernen, Gefühle bewusster wahrzunehmen und fundiertere Entscheidungen zu treffen. Als Konsument:innen, Staatsbürger:innen und Mitmenschen ist es dabei ebenso relevant wie in der Anwendung in Bereichen wie Marketing und Unternehmensführung. Es verdeutlicht die Relevanz der Theorie für nahezu alle Lebensbereiche von Menschen, in denen Entscheidungen in der Praxis getroffen werden müssen. Unternehmen und Einzelpersonen können durch das gezielte Ansprechen bestimmter Gefühle nicht nur effektiver kommunizieren, sondern auch langfristig bessere Ergebnisse erzielen… Und vielleicht kann dir das Wissen darum dabei helfen, zu verstehen, warum du manchmal eine Kuchenbackmischung kaufst.
Quellen
Schwarz, N. (2012). Feelings-as-information theory. In P. A. M. Van Lange, A. W. Kruglanski, & E. T. Higgins (Eds.), Handbook of theories of social psychology: Volume 1 (pp. 289–308). Sage Publications. https://doi.org/10.4135/9781446249215.n15
Quach, S., Septianto, F., Thaichon, P., & Chiew, T. M. (2021). Mixed Emotional Appeal Enhances Positive Word-of-Mouth: The Moderating Role of Narrative Person. Journal of Retailing and Consumer Services, 62, 102618. https://doi.org/10.1016/j.jretconser.2021.102618