Abschlussreflexion

Abschlussreflexion

 

 

1.

 

Am meisten im Gedächtnis geblieben ist mir der Begriff der „Inkludierenden Exklusion“, der in der Vorlesung von Dr. Eileen Schwarzenberg zum ersten Mal genannt wurde. Ich finde, dass dieser Begriff sehr gut unsere Faulheit bei der Thematik Inklusion aufzeigt. Wir sind damit zufrieden, nur scheinbar SuS mit z.B. Lernschwierigkeiten oder körperlichen bzw. geistigen Beeinträchtigungen in unsere Schulen zu inkludieren. Dabei bemerken wir gar nicht, dass wir eigentlich am Konzept der Inklusion vorbeiarbeiten. In meiner eigenen Schulzeit habe ich das nie so gesehen, ich habe ebenfalls gedacht, es genüge, einfach einen gesonderten Unterricht für diese SuS zu machen oder sie sogar räumlich von der Klasse zu separieren. Es ist ein äußerst wichtiger Gedanke, dass sich Ausgrenzung in den kleinsten Dingen zeigt, obwohl man davon ausgeht, dass man gerade Ausgrenzung bekämpft. In meinem Erstfach Mathematik beispielsweise kann darauf geachtet werden, dass nicht die stärksten SuS unter sich die Aufgaben bearbeiten und die schwächeren ebenfalls, sondern dass eine heterogene Arbeitsatmosphäre entsteht, von der alle gemeinsam profitieren können. Auch ist es wichtig, die schwächeren SuS meiner Fächer zu Wort kommen zu lassen. Ansonsten entsteht schnell eine Art Hierarchie, die meiner Meinung nach immer mit einer Ausgrenzung verbunden ist. Die schwächeren SuS fühlen sich vernachlässigt, als würde man sie abhängen und ihnen nicht Zeit und Chance geben, den Stoff richtig zu verinnerlichen.

Beim Thema Mathematik erinnere ich mich an die Vorlesung von Prof. Dr. Christine Knipping, bei der direkt zu Anfang die Erkenntnis dargelegt wurde, dass SuS mit Deutsch als Erstsprache signifikant besser im Mathematikunterricht sind als SuS mit Deutsch als Zweitsprache. Hier liegt ein ganz grundsätzliches Problem vor, nämlich die Sprache. Mathematik ist eine eigene Sprache und ich glaube, dass es für die SuS mit Deutsch als Zweitsprache daher doppelt schwierig ist, wenn sie zeitgleich Deutsch und auch „Mathematisch“ lernen müssen. Dort muss angesetzt werden. Eine Frage, die mich seither beschäftigt ist, wie weit als Mathematiklehrer meine Verantwortung dafür reicht, dass meine SuS Deutsch lernen bzw. beherrschen. Das gilt natürlich auch für mein Zweitfach Geschichte. Die Vorlesung von Prof. Dr. Knipping hat mir nicht nur gezeigt, wo sich Pädagogik und Fachdidaktik überschneiden, sondern zeigt, wenn man weiterdenkt, auch, dass man als Lehrkraft so viel mehr ist als nur jemand, der vor einer Klasse steht und versucht, seinen Stoff durchzuziehen. Diese Erkenntnis hatte ich im Verlaufe der Ringvorlesung noch sehr viel öfter und bin dankbar dafür. Auch, weil ich somit rückblickend verstehe, warum meine Lieblingslehrkräfte aus der Schulzeit eigentlich so genial waren, wie ich sie damals fand.

In der Vorlesung von Dr. Sabine Horn und Katharina Kracht wurde gesagt, dass eine Lehrkraft niemals, unter keinen Umständen die religiöse Identität eines Schülers/einer Schülerin öffentlich machen darf. Dies war etwas, worüber ich vorher noch nie nachgedacht habe und eines von den Dingen, bei denen man im ersten Moment gar nicht versteht, was an ihnen denn jetzt so schlimm sein soll. Für mich spielt Religion keine große Rolle und ob jemand nun Moslem, Jude, Christ oder Pastafari ist, ist mir persönlich einfach egal. Aber es geht hier eben nicht um mich, sondern darum, wie meine SuS sich mit ihrer Religion identifizieren. Und wenn sie ihren Glauben für sich behalten wollen, dass muss das respektiert werden. Die Erkenntnis, die ich allgemein hieraus für mich abgeleitet habe, ist, dass man als Lehrkraft ein unglaublich gut ausgeprägtes Feingefühl besitzen muss, weil eben nicht alle anderen die Dinge genauso sehen wie man selbst. Man muss sich ständig bewusst machen, dass die eigene Sichtweise keine Rolle spielt, wenn es um die Identität der SuS geht. Dies gilt für beide meiner Fächer.

Für die Praxis des Unterrichtens erschien mir stets die „doppelte Heterogenität“ am wichtigsten. Das war für mich das, was es hieß, Lehrer zu sein, den Umgang damit zu meistern. Ich bin schon gespannt, wie mir die Umsetzung in meinem Orientierungspraktikum gelingen wird. Es ist wichtig, die SuS da abzuholen, wo sie sind, aber man muss immer einen geschickten Weg finden, um ihre Vorstellungen mit der zu erwerbenden Fachkompetenz zusammenzuführen. In meinem Blogeintrag habe ich dazu das Beispiel des Massakers von Jedwabne 1941 angeführt und gesagt, dass die meisten SuS wahrscheinlich davon ausgehen, dass die Deutschen allein für den Holocaust verantwortlich waren. Meine Aufgabe als Lehrer besteht dann darin, sie bei diesem Kenntnisstand abzuholen und ihnen zu zeigen, dass das so nicht stimmt. Dies lässt sich natürlich verallgemeinern und auf alle Fächer übertragen. Wichtig dabei ist stets die Beantwortung der Fragen der SuS, besonder der Frage „Warum?“. Warum also gilt diese Formel, warum benutze ich sie und warum sind die Deutschen nicht allein für den Holocaust verantwortlich? Ansonsten verliert man womöglich den Draht zu den SuS.

Noch ein paar kurze Worte zur Methode der Ringvorlesung, auch wenn dies nicht zu 100% im Sinne der Aufgabenstellung ist: Mir persönlich hat diese Art der Vorlesung deshalb besonders gut gefallen, da man jede Woche sowohl ein neues Thema besprochen als auch immer wieder neue Perspektiven und Erkenntnisse kennengelernt hat. Wir lernen also den Umgang mit Heterogenität durch Diversität (oder auch Heterogenität) der Lehrenden. Ein sehr gutes Konzept.

 

3.

 

Besonders interessieren tut mich der Umgang mit kultureller und damit einhergehender religiöser Heterogenität. Ich sehe eine meiner Aufgaben als Lehrer darin, die verschiedenen Kulturen meiner Klassen und Kurse zusammenzuführen und meinen SuS auch einen toleranten und korrekten Umgang mit eben diesen Kulturen und Religionen zu vermitteln. Und natürlich muss ich selbst auch immer neues lernen. Dazu passt beispielsweise eine Aussage von Prof. Dr. Andreas Klee aus der Ringvorlesung, die mir sehr im Gedächtnis geblieben ist. Nämlich, dass sich alles, was wir denken, in Sprache manifestiert. Das hat mir gezeigt, wie wichtig auch ein sensibler Umgang mit der eigenen Sprache ist, in der man sich sonst so sicher fühlt. Man muss sich also permanent fragen: Was sage ich wie? Was darf oder sollte ich fragen? Worauf muss ich Rücksicht nehmen? Diese Fragestellung interessiert mich besonders, weil es eine für mich persönlich recht neue Erkenntnis ist und ich in Zukunft darauf achten muss und möchte, was ich wie sage und mir bewusst geworden ist, wie viel Macht durch Sprache ich als Lehrkraft eigentlich habe.

Auch etwas, worüber ich im Laufe meines Studiums sehr gerne noch mehr lernen würde, sind Leistungsunterschiede von SuS. In erster Linie interessiert mich, wie diese überhaupt zustande kommen, noch mehr allerdings, wie mit ihnen umzugehen ist. Einen vollständig individualisierten Unterricht halte ich erstens für zu aufwendig und nicht realisierbar und zweitens für keine zielführende Lösung. Es muss ein gewisser Standard hergestellt werden, der an objektiv festgelegten Kriterien bewertet wird. Diese Kriterien und dieser Standard müssen für alle gelten. Wie man diese Gradwanderung zwischen individueller Förderung und flächendeckendem Unterricht meistert, würde ich sehr gerne lernen oder zumindest besser verstehen. In meiner Schulzeit habe ich es oft erlebt, dass die schwächeren SuS zurückgelassen und nicht besonders gefördert wurde. Oder eben genau das Gegenteil: Es wurde nur auf die schwächeren SuS geachtet und die stärkeren fühlten sich permanent unterfordert. Schon lange habe ich mich gefragt, was der bessere oder gar der „perfekte“ Umgang damit sein könnte und wie eine Optimierung aussehen könnte.

 

 

 

4.

 

Eine der Aspekte, der mich am meisten interessiert ist zugleich eine der größten Herausforderungen für mich, wie ich glaube: Lernunterschiede. Ich habe im Laufe meines Lebens festgestellt, dass es mir oft schwerfällt, zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die manche Dinge nicht so gut können wie ich. Das ist natürlich gerade als Lehrer eine Eigenschaft, die nicht immer zu positiven Reaktionen führt. Über die Jahre und vor allem, seitdem ich Kinder im Sportverein trainiere, hat sich dies erheblich verbessert, aber ich muss weiter an mir arbeiten, damit das auch so bleibt. Ich bevorzuge eine praktische Lernmethode, da diese bei mir oft am besten funktionieren, wenn es auch um praktische Dinge geht. Ich werde mich also weiterhin, besonders eben beim Sport, mit Menschen bzw. Kindern umgeben, die die Dinge noch lange nicht so gut beherrschen wie ich und mich dazu zwingen, über meine eigenen Fähigkeiten hinwegzusehen. Damit einher geht eine Frage, auf die ich schon seit Beginn meines Studiums keine Antwort habe: Wie gehe ich mit SuS, die den Stoff nicht lernen wollen oder ihn schlichtweg einfach nicht lernen können? Kann man ihnen das überhaupt zum Vorwurf machen? Wie weit reicht meine Verantwortung als Lehrer? Wo höre ich auf, individuell zu fördern und lege den Fokus darauf, dass alle anderen SuS den Stoff verstehen, anstatt zu viel Zeit damit zu verbringen, es einem Schüler/einer Schülerin zu erklären? Das sind alles Fragen, auf die ich bisher noch keine Antwort habe. Antworten darauf erhält man sicherlich nur durch praktische Erfahrung.

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