Über jüdisches Leben reden – (k)ein Tabu?

1. Fassen Sie die im Text dargestellten unterschiedlichen Positionen in Bezug auf die Religionsausübung zusammen. (Option 1: Koscheres Essen, verschiedene Haltungen dazu; Option 2: Können Frauen Rabbinerinnen sein?)

 

Der Artikel „Koscheres Leben“ von Jürgen Dreyer/Sybille Hattwich beschäftigt sich mit den sogenannten „Kaschrut“-Regeln der jüdischen Religion. Diese Regeln betreffen alles, was man zu sich nimmt.

Unter den Anhängern des Judentums sind diese Regeln umstritten, so gibt es beispielsweise liberale Juden, die die Kaschrut-Regeln lediglich als Einschränkung ihres Lebens wahrnehmen, andere Juden hingegen sehen in ihnen die Möglichkeit, die Religion in ihren Alltag zu integrieren. Manche sehen im Befolgen dieser Gesetze, die in ihrem Glauben von Gott gegeben worden sind, den Sinn ihres Lebens. So sind die Regeln für diese Juden keine Einschränkung, sondern eine Möglichkeit, das Leben so zu führen wie ihr Gott es sich wünscht.

Einige Regeln, so heißt es in dem Artikel, seien für Außenstehende ebenso nachvollziehbar, andere wiederum erscheinen besonders Außenstehenden als nicht besonders logisch, wie z.B., dass aus zu verzehrendem Rindfleisch eine ganz bestimmte Sehne entfernt werden muss.

Wie alles auf der Welt sehen sich die Kaschrut-Regeln mit modernen Problemen konfrontiert. Im Artikel wird das Beispiel Sushi angeführt. Manche Rabbiner sagen, dass die Algen, die für die Herstellung von Sushi verwendet werden, nicht koscher sind, da sie Reste von mikroskopisch kleinen Meerestieren enthalten können, die die Juden nach den Kaschrut-Regeln nicht verzehren dürfen. Wieder andere Regeln besagen, dass nur das Sichtbare für die Kaschrut-Regeln relevant sei.

 

 

2. Wenden Sie die drei Grundannahmen des religionswissenschaftlich-kulturwissenschaftlichen Ansatzes (interne Diversität, Religion als beeinflusst von historischen Prozessen, Religion als Teil soziokultureller Strukturen, s. AB 1) auf den Text bzw. die im Text beschriebenen Haltungen und Praktiken an. Die beiden letzteren sind eventuell eher subtil und implizit im Text angelegt.

 

Interne Diversität:

Die Annahme der internen Diversität geht davon aus, dass nicht alle Anhänger einer Religion ihren Glauben auf die gleiche Art und Weise ausleben, sondern dass es in jeder Religion unterschiedliche Strömungen gibt, denen jemand angehören kann.

Diese Annahme wird im Text besonders deutlich, da bereits im ersten Satz des Artikels die liberalen Juden erwähnt werden, die die Kaschrut-Regeln als Beschränkung ihres Handlungsspielraumes sehen und sie ihnen daher nicht so wichtig sind wie beispielsweise den nicht-liberalen Juden. Die interne Diversität entsteht in diesem Beispiel also dadurch, dass manche Juden die Kaschrut-Regeln ernster nehmen als andere.

 

Religion beeinflusst von historischen Prozessen:

Religion befindet sich, wie alles andere, in ständigen Veränderungsprozessen. Ein Beispiel für eine solche Veränderung ist das Aufkommen neuer Speisen wie z.B. Sushi. Unter manchen Juden herrscht Verunsicherung, ob diese neue Speise koscher ist oder nicht, sie ziehen dann ihren Rabbiner zurate.

 

Religion als Teil soziokultureller Strukturen:

Aus dem Artikel lässt sich schließen, dass das Judentum eine von Tradition geprägte und durchzogene Religion ist. Die Kaschrut-Regeln bestehen bereits seit Jahrunderten, wenn nicht gar seit Jahrtausenden. Teilweise begreifen die heute lebenden Juden selbst gar nicht mehr die Logik, die hinter diesen Regeln steht. Es ist also zu beobachten, dass die Tradition zwar nicht verloren geht, aber das Verständnis dieser abnimmt oder sich verändert. Manche Juden, wie etwa die liberalen Juden, stimmen die Religion und ihr Leben aufeinander ab, andere Juden bleiben der Tradition treu, jedoch ist zu erkennen, dass keine noch so alte Tradition von historischer und auch gesellschaftlicher Entwicklung ausgeschlossen ist.

 

 

3. Beschreiben Sie Ihre eigene Verortung gegenüber dem im Text angelegten Phänomen. Gehen Sie dabei auf die Fragen auf AB 2 ein.

 

Ich selbst stehe dem in dem Artikel beschriebenen Phänomen sehr neutral gegenüber. Ich finde es immer spannend, etwas neues zu lernen, auch über Religion, besonders, wenn es etwas ist, mit dem ich mich zuvor noch nicht wirklich beschäftigt habe. Koscheres Essen spielt in meinem eigenen Leben keine Rolle, daher fand ich es sehr interessant, die Motive und die Auswirkungen der Kaschrut-Regeln auf das Leben eines Juden kennenzulernen. Man sollte niemals davor zurückschrecken, seinen Wissenshorizont zu erweitern, ganz egal, worum es geht, besonders als angehender Lehrer nicht.

Einerseits finde ich es wichtig, einem solchen Thema, beispielsweise im Kontext einer Schulklasse betrachtet, neutral und offen gegenüberzustehen, andererseits heißt das nicht zwangsläufig, dass man sich tiefergehend mit allem beschäftigen muss, was man lernt. Wissen schadet jedoch nie.

Wichtig ist nur die Wahrung der Religionsfreiheit und die Achtsamkeit darauf, dass niemand bei der Ausübung einer Religion eingeschränkt wird oder anderweitigen Schaden erfährt. Was für einen gläubigen Juden eine große Rolle im Leben spielen kann, darf mir in meinem Leben, trotz meines Interesses, völlig egal sein.

 

 

4. Entwickeln Sie eine schriftliche pädagogische Reflexion zum Umgang mit dem folgenden Szenario: Sie haben mit ihrer Klasse ein gemeinsames Essen zur Feier des Schuljahresabschlusses geplant. Eine Schülerin möchte nicht teilnehmen, da sie nur koscheres Essen zu sich nimmt. Eine andere Schülerin sagt ihr, sie sei albern, schließlich würde es auch Juden und Jüdinnen geben, die sich nicht koscher ernähren.

 

Zunächst einmal gilt es, sich die Frage zu stellen, warum man diese Feier überhaupt plant. Für mich als Lehrkraft in dieser Situation geht es darum, den SuS eine gemeinsame Erinnerung zu schaffen und die Gemeinschaft zu feiern, denn es handelt sich immerhin um eine Klassengemeinschaft, die gemeinsam ein weiteres Schuljahr geschafft hat.

Wichtig ist auch, der Schülerin eine Nicht-Teilnahme zu ermöglichen und zu erlauben, sollte sie dies, aus welchen Gründen auch immer, stark bevorzugen.

Ansonsten könnte man sich beispielsweise mit den Eltern der Schülerin in Kontakt treten und diese um Hilfe bitten, koscheres Essen für die Feier zu organisieren, besonders, wenn man sich selbst nicht so gut mit der Thematik auskennt. Meiner Meinung nach sollte alles mögliche dafür getan werden, dass die Schülerin an der Feier teilnehmen kann und möchte, da es sich wie bereits mehrfach betont um eine Gemeinschaft handelt, die ohne sie nicht vollständig wäre. Nichts spricht dagegen, auf einer solchen Feier koscheres Essen zur Verfügung zu stellen. Das könnte sogar eine Möglichkeit für die SuS sein, einmal die jüdische Esskultur in einem außerschulischen Kontext kennenzulernen und kann daher auch sehr spannend sein. Auf keinen Fall sollte es jedoch den SuS aufgezwungen werden, ebenfalls koscher zu essen. Unter Religionsfreiheit verstehe ich auch die Freiheit, einer Religion nicht anzugehören.

Religionsfreiheit ist ein gutes Stichwort:

Auf die Aussage der Mitschülerin, die Schülerin, die koscher essen möchte, sie „albern“, sollte mit einem Gespräch im Klassenverbund reagiert werden. Nicht aber mit einem sehr strengen, bei dem vielleicht sogar die Schülerin, die diese Aussage getätigt hat, persönlich, vor allen anderen, darauf angesprochen wird, sondern ein Gespräch, in dem man den SuS verständlich die interne Diversität des Judentums erklärt. So ist sichergestellt, dass sich niemand persönlich angegriffen fühlt, die SuS lernen etwas und alle können gemeinsam den Schuljahresabschluss feiern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert