RV04//Darf ich als Lehrer*in meine Meinung sagen? – Politische und weltanschauliche Positionierungen in der Migrationsgesellschaft

1.

Die Idee, dass der Beutelsbacher Konsens mit einem sogenannten „Neutralitätsgebot“ gleichzusetzen ist, ist ein weit verbreitete Fehlinterpretation. (Gessner et al. 2016, S. 31) Anders als auch von der AfD angenommen sind vor allem Lehrer/-innen inhärent politische Figuren und als Beamten zur Freiheitlichen Demokratischen Grundordnung verpflichtet und somit nicht vor allem politisch nicht neutral. Gessner (et al. 2016) erklären dazu zu jedem der drei verschiedenen Prinzipien auch das dazugehörige Missverständnis. Erstens das Überwältigungsverbot, damit ist gemeint, dass es Lehrer/-innen Autoritätsfigur nicht gestattet ist ihre Schüler/-innen an der Formung eines selbständigen politischen Urteils zu hindern und sie zu „indoktrinieren“. Jedoch bedeutet das Prinzip nicht, dass ein vollkommener Verzicht auf Positionierung eingehalten werden soll. Dies würde eine ungewollte „politischen Lethargie“ (Gessner et al. 2016, S. 31) bedeuten.

Zweitens besteht das „Kontroversitätsgebot“ (Gessner et al. 2016: 31), dieses besagt, dass es die Kontroversen der politischen Debatten auch im Unterricht aufgegriffen werden und sie sollten auch in ihrer Traghaftigkeit vermittelt werden. So sollten auch sehr verschiedene Meinungen und Denkmuster im Unterricht aufgegriffen werden, um den Schüler/-innen ein ausgeglichenes und realistisches Bild auf die politische Situation zu vermitteln. Damit ist die persönliche Meinung des Lehrenden auch offen gestellt, jedoch soll sie lediglich eine Meinung unter vielen darstellen (Wehling 1977, S. 179f.).

Diese zwei Prinzipien resultieren dann im dritten Prinzip, dass die politische Handlungsfähigkeit der Schüler/-innen fokussiert. Das Ziel dieses Prinzips ist die politische Bildung, aber vor allem Meinungsbildung, mithilfe welcher die autonome Bewältigung politischer Fragen und Situationen ermöglicht werden soll. (Gessner et al. 2016, S. 32f.) (Wehling 1977, S. 179f.).

2. Bertelsbacher Kompass im Unterricht

Insbesondere im Politik Unterricht ist der Bertelsbacher Kompass relevant auch vor allem bei Themen wie Populismus, Radikalismus und Extremismus. Hierbei ist zwar zu beachten, dass keine Indoktrination durch den Lehrenden stattfindet und vor allem dass Schüler/-innen auch nicht die Schilderungen des Lehrers gegen demokratiefeindliche Ausrichtungen als moralische Belehrung erfahren oder angegriffen in ihren eigenen Meinungen (Hinz et al. 2023: 35ff.). Trotzdem sollten vor allem extremistische Meinungen immer mit Kontext bestattet werden und ihre problematische und demokratiefeindliche Natur erläutert (Bobbio 1992). Somit sollten diese Meinungen trotzdem erläutert werden, da das Wissen über sie in der politischen Bildung und bei zukünftigen Debatten sehr wichtig ist. So sollten eben diese Kontroversen, zum Beispiel die AfD und die Debatte um die Migrationspolitik behandelt werden, da vor allem diese Themen von großer gesellschaftlicher Relevanz sind (Beck 2019). Somit wird auch das Urteilsvermögen der Schüler/-innen gestärkt und sie werden für ein Leben als politische Bürger/-innen vorbereitet.

3. Verschwörungstheorien

1)

Wie kann man bei der Vielzahl von kruden Verschwörungstheorien, die existieren, auf dem Laufenden bleiben und damit Ansatzpunkte für Gegenargumente entwickeln?

Allgemein ist es in keinem realistischen Maß für einen Lehrenden jede Verschwörungstheorie inhaltlich zu kennen und jederzeit argumentationsfähig bereit zu sein. Eher sollte der Fokus aller Lehrer/-innen sein die bestimmten Muster von Verschwörungstheorien zu kennen und die der Gegenargumente. Dabei zu nennen wären kritische Nachfragen, wie ob denn jemand von so einer Verschwörung profitiert und ob diese überhaupt realistisch ist oder wie seriös die Quellen sind. Dazu eignen sich, auch präventiv, Unterrichtsstunden zu korrekter und kritischer Recherche vor allem für die im Internet. (Geffken et al. 2006)

2)

Lassen sich Verschwörungstheorien durch sachliche Argumente, überhaupt infrage stellen?

Zwar stimmt es, dass Gegenargumente häufig als weiterer Beweis der Verschwörung oder Verschleierung der angeblichen Wahrheit können. Jedoch sollte, wie auch bei allen Schüler/-innen, dass diese auch von Gegenmeinungen oder alternativen Erklärungsansätzen erfahren, um eine einseitige Informationsbeschaffung zu verhindern.

3)

Wie sieht ein angemessener Umgang mit Verschwörungstheorien aus?

Ein angemessener Umgang mit Verschwörungstheorien von Lehrern kann vor allem mit Respekt und Geduld erfolgreich sein. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass sie belehrt wird. Stattdessen sollte lieber versucht werden respektvoll und auf Augenhöhe faktenbasierte Argumente zu finden. Außerdem könnte versucht werden die Verschwörungstheorie weiter zu recherchieren, jedoch nicht selbständig als Lehrende, sondern als gesamte Klasse. Vor allem sollten stets präventiv bestimmte demokratiefördernde Werte mitgegeben werden um auch die kritische Reflexion der Schüler/-innen zu fördern, damit sie vor angeblichen Verschwörungen kritisch bevorstehen, jedoch tatsächliche Missstände nicht fälschlicherweise außer Acht lassen.

 

Literatur

Amadeu Antonio Stiftung. (2021, April 28). Umgang mit Verschwörungsideologien im Unterricht und in der Schule – Amadeu Antonio Stiftung. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/umgang-mit-verschwoerungsideologien-im-unterricht-und-in-der-schule/

Beck, Verena. Politische PR im postfaktischen Zeitalter: die Asyl-und Migrationsdebatte. Diss. 2019.

Bobbio, Noberto (1994): Rechts und Links. Moshe Kahn (Hg.) Berlin: Klaus Wagenbach Verlag 2021.

Geffken, L., Ittner, M., Künne, M., & Winkler, B. (2020b). Umgang mit Verschwörungsideologien im Unterricht und in der Schule. Digitale Landesbibliothek Berlin. https://digital.zlb.de/viewer/fulltext/34669123/1/?utm_#customTitleCollapse

Gessner, Rebekka; Hoffmann, Kora; Lotz, Mathias; Wohning, Alexander (2016): Brauchen wir den Beutelsbacher Konsens? Bericht über eine Fachtagung. In: Benedikt Widmaier und Peter Zorn (Hg.): Brauchen wir den Beutelsbacher Konsens? Eine Debatte der politischen Bildung. Frankfurt a.M.: bpb, S. 28-36.

Hinz, Andreas; Jahr, David; Kruschel, Robert. Inklusive Bildung und Rechtspopulismus. Grundlagen, Analysen und Handlungsmöglichkeiten. Weinheim; Basel: Beltz Juventa 2023.

Wehling, Hans-Georg (1977): Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch. In: Siegfried Schiele und Herbert Schneider (Hg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart, S. 173-184.

 

 

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