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Gendersensibler Literaturunterricht

 

Für einen gendersensiblen Literaturunterricht sind bestimmte Faktoren besonders wichtig. Eine zentrale Bedeutung ist den Vermittler*innen zuzuschreiben. Wichtig hierbei ist der Blick auf die Frage, wer bei der Lesesozialisation prägend ist oder war. Besonders wenn die Lesesozialisation weiblich geprägt ist, besteht die Gefahr, dass das Lesen an sich als eine rein weibliche Kulturpraxis aufgefasst werden kann. Auch die Lektüreauswahl, kann die Kinder beeinflussen. Wenn eine Auswahl rein weiblich geprägt ist, durch Literatur, mit der sich überwiegend Mädchen und Frauen identifizieren können, kann dies Auswirkungen auf das literarische Identifikationsangebot von Jungen haben.

Wenn also das Lesen als weiblich identifiziert und aufgefasst wird, ist es für Jungen schwerer sich selbst hiermit zu identifizieren.

Mädchen und Jungen müssen als Rezipient*innen wahrgenommen werden. Studien ergaben, dass sich Jungen und Mädchen von unterschiedlichen Texten angesprochen fühlen, auch wenn hier Ausnahmen vorkommen. So zeigen sich bei Mädchen thematische Präferenzen wie beispielsweise Beziehungs-, Tier- und Liebesgeschichten oder Geschichten, die einen Bezug zum eigenen Leben herstellen lassen und somit dafür sorgen, dass sich der/die Rezipient*in mit der Geschichte, insbesondere dem/der Protagonist*in, identifizieren kann. Wohingegen Jungen Sachliteratur, beispielweise mit Bezug zu Vergangenem, Geschichten gefüllt mit Spannung und Action oder auch humorvoller und übertriebener Literatur bevorzugen.

Es ist also wichtig darauf zu achten, ob die Literatur nur Jungen, nur Mädchen oder auch beide als Rezipient einbeziehen kann.

Ebenfalls relevant ist, dass die unterschiedlichen Kompetenzen, Lesekompetenz und literarische Kompetenz, möglichst verbunden werden können. Besonders geeignet sind literarische Werke, die in unterschiedlichen Medien (Buch, Hörbuch, etc.) vorhanden sind, da die Schüler*innen hier eigenständig Zugänge finden können, die ihnen besser liegen. Auch sollte hierbei auf unterschiedliche Aufgabenformate geachtet werden damit ein gendersensibler Literaturunterricht aufgebaut werden kann, da Jungen und Mädchen von unterschiedlichen Arten der Aufgabenstellung (offene, geschlossen, produktive und analytische) profitieren können.

 

Ich habe selbst keinen gendersensiblen Literaturunterricht während meiner eigenen Schulzeit finden können. Es wurden oft Werke behandelt, da „das schon immer so gemacht wurde“. Es wurde weder darauf geachtet, ob die Geschichte Jungen und Mädchen anspricht, welches Bild von Gender dort vermittelt wird, noch wurde explizit darauf eingegangen, dass es andere Definitionen der Geschlechterrollen geben kann. Hierzu sei gesagt, dass ich im Jahr 1993 eingeschult wurde.

Das einzige, was mich daran erinnert, dass darauf geachtet werden konnte, dass sich die Schüler*innen als Rezipient einer Geschichte auch als solche fühlen konnten, war, als in der Oberstufe Referate zu einem Buch der eigenen Wahl gehalten werden konnte. Hier hat die Lehrkraft zwar generell Bücher vorgeschlagen, aber jeder Schüler und jede Schülerin konnte auch eigene Vorschläge einwerfen und diskutieren.

 

Ich sehe generell ein großes Potential in dem Aufzeigen von impliziten und expliziten Genderkonstruktionen. Besonders, wenn dies, wie in der Vorlesung, an zwei Beispielen verglichen wird. Ich denke, dass ein solcher Aha-Moment, wenn man mit Schüler*innen auf die explizite und implizite Genderkonstruktion eingeht, dazu führen kann, dass diese Kinder ein Gespür dafür bekommen können, was medial oder auch familiär und generell gesellschaftlich konstruiertes Geschlecht ist. In meiner eigenen Schulzeit und auch noch weit danach, wurde dies nicht gemacht. Ich denke, wenn man dazu beitragen möchte die heutigen Schüler*innen zu offenen Menschen und selbstdenkenden Wesen zu erziehen, sollte man die beiden Arten der Konstruktion auf jeden Fall thematisieren.

Forschungsfragen hierzu wären: Können Schüler*innen die explizite und implizite Geschlechterkonstruktion auch auf die Gesellschaft anwenden? Oder: Welche Arten der Geschlechterkonstruktion werden von Jungen erkannt und welche von Mädchen? Gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede?

 

Was kann man tun, um den Annahmen, dass Jungen Lesemuffen und Mädchen Leseratten sind entgegenzuwirken? Ich denke hier ist besonders Aufklärungsarbeit notwendig. Diese beginnt bereits in den Schulen und Kitas, hört hier aber nicht auf. Besondere Aufklärung ist, aus meiner Sicht hierfür in den Familien notwendig, da hier in vielen Bereichen das Lesen als „unmännlich“ angesehen wird, was auf jahrelange Konditionierung aufbaut. Ich denke, wie in der Vorlesung auch beschrieben, dass besonders auch die Väter vorlesen müssten, Sprüche wie „Lesen ist für Mädchen“ unterbunden und besonders auch auf die Auswahl der Literatur geachtet werden muss.

~ by Jacqueline on 6. Mai 2020. Tagged:

One Response to “Gendersensibler Literaturunterricht”

  1. das ist wirklich ein sehr differenzierter, reflektierter und gründlicher Beitrag. Ich denke, diese Erkenntnisse zur Lesemotivation und deren Genderkomponenten sind ausgesprochen bedeutungsvoll, nicht nur für den Deutschunterricht, sonder genauso auch für anderen Sprachunterricht und die sozialwissenschaftlichen Fächer.
    Aber unbedingt weiter so mit Beiträgen auf diesem Niveau!
    CF

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