Kategorien
Allgemein

Heterogenität und Inklusion im Deutschunterricht

1. Greiner (2019) formuliert verschiedene Dilemmata, die mit der Forderung nach Inklusion an den Schulen verbunden sind. Nehmen Sie zu dreien Ihrer Wahl Stellung.

Schule ist eine Begegnungsstätte wo jede/r seinen oder ihren Platz finden soll. Es ist daher für mich klar, dass Inklusion sehr wichtig ist, aber sie bringt auch viele Fragen und Herausforderungen mit sich. 

Das Kategorisierungsdilemma ist eines der Dilemmata, das mich vor die meisten Fragen stellt hinsichtlich des pädagogischen Vorgehens als Lehrerin. Es ist maßgeblich, dass man die Entwicklung und die Fähigkeiten von jedem SuS berücksichtigt und diese für die Optimierung des Lernens richtig einschätzt. Allerdings darf die Evaluation der Kompetenzen und Fähigkeiten der SuS nicht dazu führen, dass die SuS in starre Kategorien eingeteilt werden. Meiner Meinung nach ist es unerlässlich im Klassenraum ein Arbeitsklima zu erzeugen, in dem alle einen Platz haben und sich gleich behandelt fühlen. Um zu vermeiden, dass Kategorisierung ein Problem wird, kann man Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe begünstigen. Diese erscheinen mir die interessantesten Methoden. Ich glaube, dass SuS viel voneinander lernen können und, dass ein kollaborativer Ansatz, wo jede/r sein oder ihre Hilfe einbringen kann, das Kategorisierungsproblem wirklich verringern kann. 

Dies bringt uns jedoch zu einem anderen Dilemma. Die Differenzen der SuS im Blick zu haben, kann auch bedeuten diese Differenzen hervozuheben und zu verstärken. Dies kann zu Beschämungs- und Abwertungserfahrungen für manche SuS führen. Ich denke, dass die Quelle dieses Problems sich tatsächlich teilweise im Bewertungs- und Benotungsprozess befindet. Diese Prozesse sind, auch wenn es nicht ihr Zweck ist, ein Mittel für die SuS, sich zu vergleichen, was einen Wettstreit auslösen kann. Ich bin der Meinung, dass man lieber die Fortschritte bewerten sollte, statt die Arbeit für eine besondere Aufgabe zu evaluieren. Ich glaube, dass dann die Differenzen weniger sichtbar würden. 

Eine andere wichtige Herausforderung nach Greiner, die ich persönlich besonders interessant finde, ist das Individualförderung-statt-Unterricht-Dilemma.Tatsächlich kann es, wenn man sich viel Mühe gibt, sich an die individuellen Bedürfnisse der SuS anzupassen, dazu führen, dass die Klassendynamik darunter leidet. Man muss aufpassen, individuelle SuS gegenüber der gesamten Klasse nicht übermäßig zu fördern, darf aber individuelle Bedürfnisse die SuS gleichzeitig nicht vernachlässigen. Vielleicht wäre es daher interessant für die Lehrkräfte, jeweils Momente zu organisieren, die der Individualförderung und der Förderung der Gruppe die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. 

2. Die Vermittlung und Reflexion der deutschen Sprache ist nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts, sondern fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip. Wo sehen Sie in Ihrem (ggf. zweiten) Fach Möglichkeiten, um

  • Vielsprachigkeit als Ressource zu nutzen,

Ich studiere, um Lehrerin für die Fremdsprachen Englisch und Französisch zu werden. Französisch ist meine Muttersprache und ich spreche noch drei weitere Sprachen, von denen ich zwei täglich nutze. Meine Meinung nach ist dies eine Gewinn sowohl für sich selbst als auch für die Klasse. 

Zuallererst ist es eine tolle Ressource um andere Sprachen besser zu verstehen. Ich nutze im Unterricht zum Beispiel gerne Wörter, die in der Unterrichtsprache und den Sprachen der SuS ähnlich sind. So habe ich mit einer Klasse beobachtet, dass es in der türkischen, polnischen, deutschen, englischen, spanischen Sprache Wörter gibt, die gleich oder sehr ähnlich sind, wie “taxi”, “bus”, “pizza”, “ananas”, usw.  

Ich interessiere mich für Etymologie und Geschichte, und ich mag es, über den Ursprung von Ausdrücken und Wörtern der Sprache, die ich unterrichte, zu diskutieren. Zum Beispiel finde ich die Entstehung des Croissant sehr interessant der in Wien während einer türkischen Belagerung zum ersten Mal gebacken wurde und eigentlich den Mond auf der türkische Flagge repräsentiert. 

Es ist auch eine tolle Ressource um interkulturelle Theme zu bearbeiten und interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln, die im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen beschrieben sind. Ich denke, dass Vielsprachigkeit einen tollen Weg zur interkulturellen Teilhabe darstellt und deswegen ein wichtigen Platz im Klassenraum hat. 

  • gendersensibel Unterrichtsgegenstände auszuwählen und Aufgaben zu konstruieren. (ACHTUNG! Ein * genügt dafür nicht!)

Ich finde die Genderfragen unglaublich interessant und ich interessiere mich sehr für die Konstrukte und soziale Ungerechtigkeiten, die in unsere Gesellschaften erscheinen. Für mich ist es sehr wichtig, mich auch pädagogisch mit diesen Fragen zu beschäftigen. Man kann vielleicht die Alltagsthematiken durch die Linse der Gender Studies betrachten, z.B. die Problematiken von Jugendlichen wie Mobbing, differenzierte Erziehung, Toleranz, die verschiedenen Identitäten und/oder Orientierungen, usw. 

Ich glaube, dass Medien wie Filme, Kurzfilme, Comics, Romans sehr ergiebige Ressourcen sind. Selber habe ich zum Beispiel zwei Comics von einer französische Autorin, die über bemerkenswerte Frauen geschrieben hat. Es wäre ein guter Anfang, um über Frauenschicksale, Hindernisse und Probleme, auf die sie gestoßen sind wie Rassismus, Homophobia, Transphobia, Intoleranz, Gewalt oder Misogynie, zu sprechen.

Jedoch muss man sich diesem Thema mit Vorsicht nähern. Es geht hier nicht darum, die Privatsphäre zu betreten, sondern über die Problematiken zu reden, ohne dass es für die SuS intrusiv ist.

Eine Antwort auf „Heterogenität und Inklusion im Deutschunterricht“

Moin Amandine,

vielen Dank für deinen aufschlussreichen Blogeintrag! Ich finde mich häufig gut abgeholt bei deiner Meinung und merke, dass du dich gern und intensiv mit dem Thema Sprachen und Inklusion beschäftigst.
Deine Einschätzung zum Kategorisierungsdilemma teile ich. Ich glaube das Einteilen in Kategorien wird uns immer wieder passieren, aber wir können daran arbeiten so häufig wie möglich zu reflektieren und eben diese Kategorisierung zu verhindern, oder wenigstens die eigene Einteilung immer wieder in Frage zu stellen. Für alle SuS eine Rolle zu finden, wird beim kollaborativen Ansatz die wichtigste Herausforderung für uns sein, da sich ansonsten wieder die Kategorisierung aufdrängt.

Beim der Diskussion zum Zustandekommen der Noten bin ich nicht deiner Meinung. Ich halte es für sehr schwer umsetzbar immer den Fortschritt der SuS zu bewerten statt der Leistung. Besonders bei sehr leistungsstarken Schülerin wird es schwer sein den Lehrern noch die Kompetenz zuzusprechen, dass diese den Fortschritt adäquat beurteilen können. Als Beispiel fällt mir hier sofort ein Leistungssportler ein, der auf einem höheren Level langsamer Fortschritte erzielt als ein Einsteiger und diese womöglich auch schwer messbar sind. Gleiches ließe sich bei Fremdsprachen anwenden, wenn ein Kind die zu erlernende Sprache als Muttersprache oder durch Bilingualität bereits gut beherrscht. Ich halte es dann für nicht vertretbar den sehr leistungsstarken Kindern eine schlechtere Note zu geben als Einsteigern, nur weil die Fortschritte schwieriger zu erreichen sind.
Den Fortschritt der SuS zu betrachten soll dadurch nicht ausgeschlossen werden. Die Würdigung des Bemühens soll stattfinden und auch ein schlechtes Verhalten in der Gruppe bei Leistungsstarken soll eine Auswirkung haben. Eine hybride Form aus Leistungs- und Fortschrittsbewertung erscheint mir angemessen.

Ich stimme dir in der letzten Herausforderung wieder vollkommen zu, dass es sich um einen schwierigen Spagat aus Individualförderung und fairer Aufmerksamkeitseinteilung handelt. Es ist nicht nur den SuS gegenüber, sondern auch für mich selbst schwer zu argumentieren, dass ich manchen mehr Zeit widme als anderen. Ein sehr subtiles Thema, in welchem wir stets bemüht sein sollten, nicht zu sehr in ein Extrem zu verfallen.

Die Vielsprachigkeit als Ressource zu nutzen gelingt dir sehr gut, wenn du dein Wissen nutzt um verschiedene Wortherkünfte mit den SuS zu analysieren. Vergleichend und in historische Kontexte einordnend denke ich, dass leichter Begeisterung für solche Sprachphänomene zu entfachen.
Für mein Fach Deutsch lässt sich das ohne Probleme so übertragen, aber in Geographie ist das Einbringen von Vielsprachigkeit nicht mehr ganz so einfach zu übertragen. Dort wird man sich mehr auf den Ursprung von Fachwörtern berufen, oder interdisziplinär einen sprachhistorischen Zusammenhang nutzen können. Dabei will ich jedoch versuchen die wertvolle Ressource der Sprache stets im Blick zu behalten und in konkreten Situationen einzubeziehen.

Wie du halte ich Genderfragen für ein sehr sensibles Thema, bei welchem wir uns aber auf keinen Fall scheuen sollten es zu thematisieren. Jedoch müssen wir dabei höchst vorsichtig sein, um einerseits bei allen SuS ein Bewusstsein und Toleranz zu schaffen, aber in diesem Prozess unbedingt das Projizieren auf eine konkrete Schüler*in unterlassen. Eine solchen Fokus zu erzwingen, womöglich bevor man Sensibilität in der Schülerschaft erreicht hat, erschiene mir sehr bedenklich.
Die Wahl von unterschiedlichen Medien zum Heranführen finde eine sehr gute Idee. Häufig sind diese Lernmittel von den SuS positiv konnotiert, was auch einen besseren Zugang zum Thema ermöglicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert