RV02 Serhan Sökel
17. April 2025- Während meiner Schullaufbahn und meines Orientierungspraktikums habe ich erlebt, dass einige DaZ-Schüler*innen die Möglichkeit hatten, in ihrer jeweiligen Muttersprache im Rahmen von Projekten gefördert zu werden. Leider war es nicht immer möglich, jede gesprochene Muttersprache in der Schule anzubieten. Als jemand, der selbst DaZ-Schüler war und mit der türkischen Sprache aufgewachsen ist, fand ich solche Projekte sehr ansprechend. Die Förderung der Muttersprache ist zentral für die kognitive und sprachliche Entwicklung von Kindern. Sie bildet die Grundlage für den erfolgreichen Erwerb weiterer Sprachen, insbesondere der Zweitsprache (vgl. Riehl, 2006, S. 22). Wie Cummins (2000, zit. nach Riehl, 2006, S. 22) betont, müssen beide Sprachen eine gewisse Kompetenzschwelle erreichen, damit die Vorteile von Mehrsprachigkeit wirksam werden können. Ohne gezielte Förderung droht die Gefahr einer „doppelten Halbsprachigkeit“, bei der Kinder weder in der Erst- noch in der Zweitsprache komplexe sprachliche Fähigkeiten entwickeln (vgl. Riehl, 2006, S. 22). Gleichzeitig kann eine gute schriftsprachliche Kompetenz in der Muttersprache die Entwicklung in der Zweitsprache positiv beeinflussen. Solche Formen von Sprachprojekten lassen sich dem Konzept der „Diversity Education“ zuordnen (vgl. 2. Grundlagen zum Umgang mit soziokultureller Heterogenität in Schule, Folie 8). Die Förderung der Muttersprache stellt ein Zeichen der Anerkennung von Diversität dar und macht deutlich, dass sprachliche Vielfalt nicht als Defizit, sondern als Ressource betrachtet wird.
- Werden die Muttersprachen der DaZ-Schüler*innen im Unterricht in irgendeiner Form berücksichtigt?
- Die beschriebenen Maßnahmen zur Förderung der Muttersprache, insbesondere in projektbezogenen Formaten, bieten wertvolle Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht im Sinne einer diversitätssensiblen und inklusiven Bildung. Die gezielte Förderung der Herkunftssprache, wie sie von Riehl (2006) sowie Cummins (2000, zit. nach Riehl, 2006, S. 22) empfohlen wird, zeigt nicht nur positive Effekte auf die Entwicklung der Zweitsprache, sondern trägt auch dazu bei, das Risiko einer doppelten Halbsprachigkeit zu vermeiden. Daraus ergeben sich konkrete Impulse für schulische Entwicklungsprozesse: Schulen könnten verstärkt muttersprachliche Angebote in Form von AGs, Projekttagen oder interkulturellen Wochen etablieren – auch wenn nicht alle Sprachen im regulären Unterricht abgebildet werden können. Solche Maßnahmen wären nicht nur sprachfördernd, sondern auch identitätsstiftend und würden die Wertschätzung sprachlicher und kultureller Vielfalt unterstreichen. Diese Überlegungen lassen sich ebenfalls in das Konzept der „Diversity Education“ einordnen. Die Förderung der Muttersprache signalisiert, dass sprachliche und kulturelle Heterogenität nicht als Problem, sondern als Potenzial begriffen wird. Insofern bieten die beschriebenen Erfahrungen einen wichtigen Impuls für eine schulische Weiterentwicklung hin zu einem diskriminierungssensiblen und chancengerechten Bildungssystem.
Literatur:
- Cummins, Jim (2000): Language, Power and Pedagogy. Clevedon: Multilingual
Matters. - Fantini (2025). Grundlagen zum Umgang mit soziokultureller Heterogenität in Schule. Powepoint Präsentation
- Riehl, C. M. (2006). Aspekte der Mehrsprachigkeit: Formen, Vorteile, Bedeutung. In D. Heints, J. E. Müller & L. Reiberg (Hrsg.), Mehrsprachigkeit macht Schule (S. 15–24). Gilles & Francke.