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Abschlussreflexion

1.Benennen Sie die für Sie zentralsten (mindestens zwei verschiedene) theoretischen Erkenntnisse, die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung für sich als besonders prägnant mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei konkret sowohl Bezug auf a.) fachdidaktische Aspekte, indem Sie Erkenntnisse auf die Didaktiken ihrer eigenen beiden Fächerbeziehen und b.) generelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse zu Schule und Unterricht. Bitte benennen Sie dabei konkret mindestens zwei relevante Literaturquellen an den entsprechenden Stellen in Ihren Ausführungen (Autor*innen, Jahr, Titel).

Viele Aspekte der Ringvorlesung, welche mir besonders wichtig erschienen stehen im Zusammenhang mit Sprachlichkeit. Sowohl die verschiedenen Formen der Sprachvarietäten in Mutter- und Fremdsprachen, als auch die Mehrsprachigkeit an sich sind Elemente die sich im Laufe der Vorlesung für mich und meine spätere Arbeit als relevant herausgestellt haben.

a) Auf meine Fachdidaktiken (Musik und Geschichte) bezogen mir zunächst deutlich geworden, dass die Beschäftigung mit Sprachvarietäten ebenso eine Rolle spielen sollte, wie im Fremdsprachen- oder Deutschunterricht. Gerade in der Geschichte ist es selbstverständlich notwendig, Textquellen auf diastratische, diatopische und vor Allem diachronische Varietäten (Roviro, 2021, Folie 3) hin zu untersuchen und Schüler*innen für deren Bedeutung und Auslegung zu sensibilisieren. Im Fach Musik wird hingegen oft viel spielerischer mit Sprachvarietäten umgegangen. Oft werden sie in bestimmten Stücken wie etwa Musicals charakteristisch herausgestellt und karikiert. Bei der Beschäftigung mit verschiedenen Musikrichtungen, wie etwa Hip Hop oder Punk spielt eine Sensibilisierung für die diastratische Variation der Sprache eine große Rolle, da insbesondere diese Richtungen bestimmten stark abgegrenzten gesellschaftlichen Schichten entspringen.

b) Allgemeiner gefasst sind für mich zunächst die begrifflichen Schwierigkeiten der Begriffe Heterogenität und Differenzierung hervorgetreten. Das Verständnis, dass diese Begriffe weniger als gegebener Zustand und vielmehr als Konstruktion der Lehrkraft zu verstehen sind (Rose, 2015, S. 192ff.), ist essentiell für den späteren „Umgang mit Heterogenität“. Insbesondere die bewusste Formulierung der impliziten Norm, von der aus differenziert werden soll, ist dabei ein wichtiger Aspekt, da diese oftmals mit einer unterbewussten Erwartungshaltung bezüglich der Schüler*innen zusammenhängt (Rose, 2015, S. 193-194).

2. Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen, schulstrukturelle Fragen, schulkulturelle Aspekte, Lehrer*innenhandeln)), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark – und warum? Hier können Sie aus Ihrer Sicht besonders gelungene oder auch weniger gelungene Beispiele geben. Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen? Nehmen Sie konkret Bezug auf entsprechende Begriffe, Theorien, Konzepte, die Sie jetzt kennengelernt haben mit Bezug zu Autor*innen, auf die sich die Referent*innen bei der Verwendung dieser Begriffe, Theorien, Konzepte in ihren Präsentationen bezogen haben.

Da ich selbst als Schüler aufgrund einer Sehbehinderung mit Integrationsstatus die Schule besuchte, halfen mir insbesondere die Konzepte des Vortrags von Frau Dr. Schwarzenberg, meine Schulzeit retrospektiv einzuordnen. Dabei sind sowohl Elemente des „individuellen Modells“, wie auch des „sozialen Modells“ von Behinderung deutlich in meiner Bildungsbiographie zu erkennen (Waldschmidt, 2005, S. 20). Viele Maßnahmen wurden durch meine Lehrer*innen ergriffen, welche eindeutig dem individuellen Modell der Behinderung zuzuordnen sind. Dazu gehörten vor Allem einzelne Fördermaßnahmen, wie die Beschaffung gesonderter Arbeitsmaterialien (Leselupe, Leselampe, Mikroskop mit Monitor für den Biologieunterricht). Zweifellos dienten sie dem Zweck, meine Leistung an die Norm der Gruppe der „Schüler*innen ohne Behinderung“ anzugleichen. Diese gesonderte Behandlung brachte daher auch eine gewisse Identitätsbildung als „Schüler mit Behinderung“. Diese Problematik wurde noch weiter durch Konflikte verstärkt, welche um bestimmte Maßnahmen des Nachteilsausgleichs festgelegt wurden. Insbesondere reagierten einige meiner Mitschüler*innen mit großem Unverständnis auf Zeitzugaben bei Schreiben von Klausuren und Abiturprüfungen.

Nichtsdestotrotz bemühte sich meine Schule jedoch auch Bildungsangebote zu machen, durch welche der Umgang mit den Bedürfnissen aller Mitglieder einer Klasse trainiert werden sollte. Diese Angebote, wie etwa das Projekt „Erlebnispädagogik“ passen zu großen Teilen zum sozialen Modell nach Waldschmidt (Waldschmidt, 2005, S. 15-16), da hier die gleichberechtigte Partizipation aller Gruppenmitglieder zur Lösung komplexer Gruppenprobleme hierbei im Mittelpunkt stand.

3. Zu welchen zwei erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium in Bezug auf das Modulthema UMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie Ihre Wahl.

Besonders im Gedächtnis ist mir der Vortrag von Herrn Schmidt-Borcharding im Gedächtnis geblieben. Die von ihm thematisierten Einflüsse von Intelligenz und Vorwissen auf den Lernerfolg halte ich insofern für relevant, als dass von vielen falsch priorisiert und ins Verhältnis gesetzt werden. Die Aufschlüsselung des abstrakten Faktors Intelligenz (Schmidt-Langfeldt, 2006, S. 32), den Lehrer*innen vermeintlich wenig beeinflussen können, ist daher ein Thema mit dem ich mich mehr auseinandersetzen möchte. Konkret würde ich mir wünschen mehr Modelle der Intelligenzforschung betrachten und in diesem Zusammenhang auch mehr über Konzepte zu lernen, welche sich in der Schulpraxis an verschieden ausgeprägten Intelligenzen und Vorwissensständen orientieren. Beispielsweise eine dürfte die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Spezialisierungsformen von Intelligenz (z.B. numerische, verbale, etc.) (Schmidt-Borcharding, 2021, Folie 16) im Hinblick auf verschiedene fachdidaktische Fragestellungen interessant sein.

Als zweites Thema möchte ich die Mehrsprachigkeit und sprachliche Heterogenität benennen. In Anbetracht eines sich steigernden Anteils an Schüler*innen deren L1 nicht Deutsch ist, ergibt es sich Sinn, Lernkonzepte zu entwickeln, welche die sprachliche Heterogenität in den Blick nehmen. Da insbesondere der Erwerb von Bildungssprachlichen Kompetenzen (Daase, 2021, Folie 19) in bestimmten Fächern einen erhöhten Lernaufwand für Schüler*innen mit der L2 Deutsch bedeutet (Daase, 2021, Folie 16), ergibt es Sinn, die Vermittlung dessen anzupassen. Des Weiteren müssen abseits der Fachdidaktiken auch die identitätsbildenden Einflüsse von Mehrsprachigkeit in der Schulpraxis Thema sein. Hierbei interessiert mich insbesondere, wie Lehrer*innen die Koexistenz von Sprachen (die sie im Zweifel nicht selbst sprechen) fördern oder auch beispielsweise bei Konflikten moderieren können.

 

Verwendete Literatur:

Daase, A. (2021). RV05 Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt schulischer Bildung in der gymnasialen Oberstufe. Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.

Langfeldt, H.-P. (2006). Psychologie für die Schule (1. Aufl.). Beltz, PVU.

Rose, Nadine. 2015. „Differenzierung unter Schüler_innen im reformorientierten Sekundarschulunterricht – oder: warum wir vorwiegend ‚Leistung‘ beobachten, wenn wir nach ‚Differenz‘ fragen“. Zeitschrift für qualitative Forschung 16(2): 191–210.

Roviro, B (2021). RV06 Umgang mit Sprachvarietäten im (Fremd-)Sprachenunterricht: Welches Französisch oder Spanisch soll unterrichtet werden? Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.

Schmidt-Borcharding, F. (2021). RV11 Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg: Intelligenz vs. Vorwissen Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.

Waldschmidt, A. (2005). Disability Studies: individuelle, sozial und/oder kulturelles Modell von Behinderung? In: Psychologie und Gesellschaftskritik, 29 (1), S. 9-31.

RV11 // Prof. Dr. Florian Schmidt-Borcherding // Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg: Intelligenz vs. Vorwissen

  1. Erläutern Sie den Einfluss von Intelligenz und Vorwissen auf den Lernerfolg. In welchem Verhältnis stehen diese beiden Heterogenitätsdimensionen? Was muss man tun, um ihren jeweiligen Einfluss empirisch zu untersuchen? Und was bedeuten die Befunde für Schule und Unterricht?

Die beiden Dimension Intelligenz und Vorwissen sind nicht ganz unabhängig voneinander zu betrachten, denn sie stehen immerhin in Beziehung zueinander. Allgemein kann man aber laut Langfeldt davon ausgehen, dass sie beide Einfluss auf den Lernerfolg haben können (Langfeldt, 2006, S. 39-41). Jedoch ist hier das Alter der Stichprobe entscheidend. Es ist offenbar zu beobachten, dass mit fortschreitendem Alter von SuS die Intelligenz weniger mit schulischem Lernerfolg korreliert, als das Vorwissen, welches immer als Basis für neu zu erwerbendes Wissen dienen kann (vgl. Langfeldt, 2006, S. 40). Im Grundschulalter ist jedoch eine höhere Intelligenz der SuS eher für den Lernerfolg verantwortlich. Trotzdem ist es wichtig, daneben einige Schwierigkeiten zu erwähnen. Den Lernerfolg als reine Dichotomie von Vorwissen und Intelligenz zu betrachten, ist wenig sinnvoll, wenn man anderen Faktoren wie dem Selbstkonzept und Lernmotivation keine Beachtung schenkt (vgl. Langfeldt, 2006, S. 41). Daneben ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, nach welcher Definition von „Intelligenz“ und „Vorwissen“ man arbeitet und wie man diese strukturiert. Beispielsweise kann es Sinn ergeben, den Begriff in verschiedene fachspezifische Anforderungen aufzuschlüsseln, um abweichende Korrelation mit dem Lernerfolg in verschiedenen Fachgebieten zu identifizieren (vgl. Langfeldt, 2006, S. 37).

Konkret auf die Arbeit der Schule bezogen kann dies also bedeuten, dass die Schule selbst einen höheren Einfluss auf den Lernerfolg der SuS haben kann, als deren „vererbte“ Intelligenz. In nächster Konsequenz muss die Arbeit im Unterricht nun danach streben, Unterschiede im Vorwissen möglichst zu minimieren und Fehlannahmen zu identifizieren und zu korrigieren (Langfeldt, 2006, S. 41).

 

  1. Einige Befunde der heutigen Sitzung waren für Sie möglicherweise überraschend. Oder Sie sehen einige der Forschungsergebnisse kritisch in Bezug auf Schule und Unterricht. Welche (Forschungs-)Fragen ergeben sich daraus (z.B. für Ihr nächstes Praktikum)? Und wie können Sie diese Fragen beantworten?

Zu einem gewissen Maße hat mich die Unterteilung in „prozedurales“ und „deklaratives“ Wissen (Langfeldt, 2006, S. 40) irritiert, da nach meinem Verständnis das Prozedurale Wissen eine Teilmenge der „fluiden Intelligenz“ (Langfeldt, 2006, S. 32) ausmachen kann. Dies würde wiederum bedeuten, dass die Begriffe „Vorwissen“ und „Intelligenz“ nicht genau voneinander zu trennen sind und diese Tatsache das Korrelationsverhältnis im Bezug auf den Lernerfolg verschieben könnte. Eine Mögliche Untersuchung hinsichtlich der Frage, inwieweit das prozedurale Wissen mit der fluiden Intelligenz Zusammenhängt, könnte wie folgt aussehen: Eine Gruppe von SuS soll sich mit einem gänzlich unbekannten Thema vertraut machen, bei dem angenommen werden kann, dass kein Vorwissen vorhanden ist. Dazu wird nicht nur ein Grundstock an Vorwissen, sondern auch eine konkrete Strategie zur Aneignung von zusätzlichem Wissen und zu Bewältigung einer nachstehenden Aufgabe formuliert. Das Ergebnis eines abschließenden Leistungstestes könnte man nun mit den Ergebnissen eines zusätzlichen Intelligenztests abgleichen. Selbstverständlich sollte dieser Test mit verschiedenen Fachspezifischen Anforderungen durchgeführt werden.

 

  1. Am Ende des Vortrags wurden zwei verschiedene Adaptionsmodelle (Weinert, 1997; Leutner, 1992) dargestellt. Finden Sie zu jeder der in den Modellen genannten Reaktionsmöglichkeiten bzw. Adaptionsformen Praxisbeispiele.

Zunächst sind die verschiedenen Adaptionsmodelle von Weinert (Schmidt-Borcharding, 2021, F. 30) zu betrachten, welche sich alle ganzheitlich auf das Konzept Unterricht, bzw. Beschulung stützen. Das passive Adaptionsmodell ist genau betrachtet kein Modell der Adaption, sondern vielmehr der Ignoranz, denn es beschreibt das Arbeiten ohne Rücksicht auf Lernunterschiede, also einem Unterricht auf einem universellen Niveau.

Weiterhin beschreibt das substitutive Modell statt einer Angleichung des Unterrichts an die SuS eine invertierte Adaption (vgl. Schmidt-Borcharding, 2021, F. 30). Die SuS sollen durch homogenisierende Zusammenfassungen in Gruppen verschiedener Niveaus an den Unterricht angepasst werden. Das kann geschehen durch verschiedene Schulformen, die bestimmten Niveaus zugeordnet werden. Es gibt allerdings auch Beschulungsmodelle im Ausland, welche innerhalb einer Schule Unterschiedliche Leistungsniveaus von SuS zu Klassen zusammenfassen.

Die nächste Stufe, das aktive Adaptionsmodell, kehrt diese Anpassung um (vgl. Schmidt-Borcharding, 2021, F. 30). Hier steht im Mittelpunkt, dass der Unterricht einer Leistungsheterogenen Klasse auch auf die verschiedenen Leistungsniveaus ausgerichtet sein muss. Dies ist ein Konzept, welches in Gesamt- beziehungsweise Oberschulen beobachtet werden kann. So kann zum Beispiel mit verschiedenen Aufgabenniveaus gearbeitet werden, welchen die Schüler zugeordnet sind. Auch eine Formulierung eines unterschiedlichen Lernziels ist möglich.

Schließlich ist die letzte Stufe des Modells nach Weinert das proaktive Adaptionsmodell, welches den Leitgedanken des aktiven Modells noch erweitert (vgl. Schmidt-Borcharding, 2021, F. 30). Diese Erweiterung kann sich darin niederschlagen, dass nicht nach Leistungsniveaus, sondern den Bedürfnissen einzelner SuS gearbeitet wird und er Unterricht diesen Bedürfnissen durch unterschiedliche Fördermethoden gerecht wird. Vermutlich sind aber verschiedene Faktoren entscheidend, um dieses Modell umsetzen zu können. Als eine Voraussetzung sehe ich beispielsweise die Lerngruppengröße an, da in kleineren Lerngruppen diesem Modell vermutlich deutlich besser Rechnung getragen werden kann.

 

 

Verwendete Literatur:

Langfeldt, H.-P. (2006). Psychologie für die Schule (1. Aufl.). Beltz, PVU.

Schmidt-Borcharding, F. (2021). RV11 Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg: Intelligenz vs. Vorwissen Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.

RV10 // Dr. Eileen Schwarzenberg // Also die Rahmenbedingungen sind absolut entscheidend“ – junge Menschen mit einer Behinderung berichten retrospektiv über ihre Erfahrungen in der Schulzeit“

  1. Welche Modelle von Behinderung sind Ihnen in Ihrer eigenen Bildungsbiografie und den schulischen Erfahrungen als angehende Lehrkraft begegnet? An welchem Zuweisungspraktiken (z.B. durch Äußerungen) machen Sie das fest? (zum Weiterlesen: Waldschmidt, 2005)

In meinen eigenen Erfahrungen finden sich sowohl Elemente des „sozialen Modells“ wie auch des „individuellen Modells“ nach Waldschmidt wieder (Waldschmidt, 2005, S. 20). Da ich selbst mit einer Sehbehinderung an einer Regelschule beschult wurde, konnte ich diese Modelle durch vor allem institutionelle Zuweisungspraktiken an mir selbst erkennen. Die Klassifizierung von mir als Schüler mit „I-Status“ (Integrationsstatus) legt bereits eine Zuweisungspraktik und Abgrenzung der restlichen Schüler*innengruppe dar und spricht damit auch für eine Identitätsgebung als „Behinderter“ und für das individuelle Model (vgl. Waldschmidt, 2005, S. 14). Ein Teil dieses Programms war es, gesonderte Förderstunden und Maßnahme zu Planen und durchzuführen. Dazu gehörte auch die Bereitstellung spezieller Arbeitsmaterialien (z.B. ein höhenverstellbarer Tisch, eine Leselupe). Diese Maßnahmen legen nahe, dass meine Angleichung an die Normale Gesellschaft im Mittelpunkt stand und damit in der individuellen Behandlungsweise nach Waldschmidt wiederzufinden ist (vgl. Waldschmidt, 2005, S. 14). Trotzdem sind auch Hinweise auf das soziale Modell in meiner Bildungsbiografie erkennbar. Beispielsweise, gab es an meiner Schule ein Programm zur sogenannten „Erlebnispädagogik“ welche durch verschiedene Übungen den Gruppenzusammenhalt stärken sollten. Hierbei war es ein deutlicher Teil des Konzeptes, die ganze Gruppe für die Bedürfnisse einzelner zu sensibilisieren um Aufgaben erfüllen zu können. Eine gleichverteilte Partizipation an den Entscheidungen der Gruppe war die Folge. Diese spielerisch eingeübte Anpassung des Umfeldes findet sich sozialen Modell nach Waldschmidt wieder (vgl. Waldschmidt, 2005, S. 15-16).

 

 

  1. Bitte reflektieren Sie die Erfahrungen mit Exklusion und Inklusion in der Bildungsbiografie der beiden Gäste (Frau Dittmann und Herr Palkowski) vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen:
    Gab es Punkte in meiner Bildungsbiografie, an denen mein Bildungsweg befördert wurde? An denen er begrenzt wurde? Was spielte hierbei eine Rolle? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für mich als angehende Lehrkraft?

Bereits seit meiner Grundschulzeit wurde mein Bildungsweg durch zusätzliche Maßnahmen im Sinne einer Förderung und des Nachteilsausgleiches stark beeinflusst. So kann ich Teile der Erfahrungen von Frau Dittmann Teilen, wenn es darum geht, das einzige Kind in einer Klasse zu sein, welches auf (offensichtliche) Fördermaßnahmen angewiesen ist. Dass dies zu Spannungen innerhalb der Klasse und zu Unverständnis führen kann, kann ich ebenfalls bestätigen. Gerade hier ist es wichtig, als Lehrkraft nicht nur den „medizinischen Aspekt“ der Behinderung zu im Auge zu haben und zu befördern, sondern solchen Spannungen gezielt durch Kommunikation mit Eltern, und Schüler*innen vorbeugen und begegnen zu können. In meinem Fall kann ich als Beispiel anführen, dass als eine Maßnahme zum Nachteilsausgleich eine Zeitzugabe beim Schreiben von Klausuren und auch des Abiturs gewährt wurden. Dies führte zu Unverständnis bei einigen Mitschüler*innen. Daraufhin trat dann das besonnene Handeln einiger meiner Lehrkräfte zu Tage, welche dieses Problem offen kommunizierten und diese Spannung zum Thema eines gelenkten Diskurses innerhalb der Klasse machen konnten. Für mich veranschaulicht diese Tatsache, dass der sensible Dialog und das Gespür für das Gruppenklima innerhalb einer Klasse wichtiger sein können, als das penible Umsetzen eines medizinisch orientierten Nachteilsausgleiches. Als angehende Lehrkraft möchte ich diesem Prinzip unbedingt Rechnung tragen.

 

  1. In der Vorlesung wurde auch die Perspektive von Eltern angesprochen. Bitte schauen Sie sich das Video zum Engagement von Eltern (Gespräch mit Elke Gerdes) an: https://uni-bremen.de/themen/engagement-von-eltern/:
    Welche Meinung haben Sie zum Elternwahlrecht? Was sind Vor- und Nachteile?, Welche Bedeutsamkeit messen Sie der Zusammenarbeit mit Eltern bei und was sind zentrale Gelingensbedingungen? (zum Weiterlesen: Wocken, 2017)

Das Elternwahlrecht, wie es bei Wocken definiert wird, nämlich als Recht der Eltern „zwischen einer inklusiven Unterrichtung an einer allgemeinen Schule und einem Unterricht an einer separierenden Sonder- oder Förderschule frei zu wählen.“ (Wocken, 2017, S. 1) ist in jedem Fall in Teilen zu befürworten. Eltern diesbezüglich teilweise ein Bestimmungsrecht einzuräumen ergibt insofern Sinn, als das Eltern im Regelfall als Bezugsperson am nächsten an ihren Kindern sind und daher auch oft am besten deren Bedürfnisse identifizieren können. Dies gilt auch für Kinder mit gesondertem Förderbedarf, die Regelschulen besuchen und denen sonst der Weg in eine andere Schulform verwehrt wäre. Gleichwohl liegt es aber nahe, dass Eltern auf der anderen Seite Fehleinschätzungen treffen können, was den pädagogischen Aspekt der Beschulung angeht, welcher über die bloßen Bedürfnisse des Kindes hinausgeht. Damit ist klar, dass ein alleiniges Entscheidungsrecht der Eltern außer Frage steht, da Eltern naturgemäß nicht über bestimmte Kompetenzen verfügen, um ein alleiniges Urteil fällen zu können. Dies gilt aber auch für alle anderen beteiligten Personen und Institutionen. Es stellt sich also nicht die Frage ob, sondern inwieweit, Eltern ein Wahlrecht eingeräumt werden sollte. Da viele Instanzen von einem Entscheidungsprozess zu Schulwahl betroffen sind, ergibt es auch hier Sinn, diese Entscheidung auch im Dialog zu fällen. Eine feste Instanz sollte hierbei selbstverständlich auch das Kind selbst sein. So könnte man argumentieren, dass das endgültige Wahlrecht durchaus bei Eltern liegen sollte um ihr Grundrecht auf die Erziehung ihres Kindes nach dem deutschen Grundgesetz zu wahren (vgl. Wocken, 2017, S. 1). Dennoch muss die Entscheidungsfindung so vielseitig wie möglich gestaltet werden, um eine sinnvolle Lösung zu erzielen.

 

 

Verwendete Literatur

Waldschmidt, A. (2005). Disability Studies: individuelle, sozial und/oder kulturelles Modell von Behinderung? In: Psychologie und Gesellschaftskritik, 29 (1), S. 9-31.

Wocken, H. (2017). „Wer andern eine Falle stellt, tappt selbst hinein“ Über die unfreiwillige Demaskierung des Elternwahlrechts durch die „Inklusionsfalle“ (Felten). In: magazin-auswege.de, S. 1-11, URL: https://www.magazin-auswege.de/data/2017/09/Wocken_Elternfalle.pdf (Stand: 18.06.2021).

 

RV08 // Prof. Dr. Matthis Kepser // Heterogenität und Inklusion im Deutschunterricht der Sekundarstufen

  1. Greiner (2019) formuliert verschiedene Dilemmata, die mit der Forderung nach Inklusion an den Schulen verbunden sind. Nehmen Sie zu dreien Ihrer Wahl Stellung.

Die Dilemmata der inklusiven Bildung stellen die größten Herausforderungen des Handelns der Lehrkräfte in der inklusiven Bildung dar. Besonders signifikant ist dies am sogenannten Kategorisierungsdilemma (Kepser 2021, Folie 8) zu beobachten. Dieses lenkt den Blick auf den Konflikt der widerstreitenden Prinzipien der Klassifizierung und der Individualisierung in der der inklusiven Pädagogik. Für die Lehrkraft einer inklusiven Klasse erscheint es nahezu unmöglich, auf Kategorisierungen, wie etwa medizinische Diagnosen bei seinen SuS zu verzichten. Auf der anderen Seite darf diese erkannte Kategorisierung keinen Eingang in seinen Umgang mit den SuS finden, indem die Lehrkraft ihr Handeln nach der Kategorisierung ausrichtet (vgl. Kepser 2021, Folie 8). Die Lösung dieses Dilemmas könnte ein Stück weit im Bruch mit dem System „Eine-Klasse-Eine-Lehrkraft“ liegen, so wie er bereits an vielen Schulen existiert. Schulbegleiter*innen, aber auch reguläre Lehrkräfte können in strukturierter Teamarbeit in einer Klasse beiden Prinzipien dieses Dilemmas Rechnung tragen.

Wissend um dieses Dilemma erscheint das Umgehen mit einem weiteren Dilemma, dem Autonomiedilemma (Kepser 2021, Folie 9) nun noch komplizierter. Aufbauend auf dem Konzept der Individualität, welche im Zentrum der inklusiven Bildung stehen muss, ergibt sich auch ein verschiedenes Maß an Autonomie und Selbstregulierung bei den SuS. Daher ist das trainieren des autonomen Arbeitens hier eine besondere Herausforderung, SuS unterschiedlich viel Unterstützung auf dem Weg zu dieser Fähigkeit benötigen (vgl. Kepser 2021, Folie 9). Sowohl das Extrem der „vorgekauten“ Unterrichtsstunde, als auch das des knallharten Selbststudiums sind hier also nicht zielführend. Ebenso wenig, wie die Kategorisierung nach selbstständigen und hilfsbedürftigen SuS. Vielmehr kann auch hier das Konzept zusätzlicher unterstützender Lehrkräfte, wie auch ein komplexeres Aufgabensystem, welches verschiedene Stufen von Autonomie abfragt ein Teil der Lösung sein.

Schließlich entsteht hierbei aber noch ein weiteres Dilemma, nämlich das sogenannte Individualförderung-statt-Unterricht-Dilemma (Kepser 2021, Folie 9). Triebe man die bereits angeführten Lösungsansätze der starken Differenzierung nach Voraussetzungen der einzelnen SuS auf die Spitze, so wäre das Resultat wohl kaum noch mit einem herkömmlichen Klassenunterricht, dem Lernen in Gemeinschaft, gleichzusetzen. Eben dieses ist jedoch ebenso Ziel der inklusiven Pädagogik (vgl. Kepser 2021, Folie 9). Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass separate Individualförderung einzelne SuS durchaus vom Klassengefüge entfremden kann, da weniger Zeit im Kollektiv verbracht werden kann. Diese Erscheinungen treten jedoch (zumindest in meinem Fall) vor der Tatsache in den Hintergrund, dass überhaupt durch diese Individualförderung eine Regelbeschulung möglich ist. Wie so oft ist hier das Maß zwischen beiden Extremen entscheidend.

 

  1. Die Vermittlung und Reflexion der deutschen Sprache ist nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts, sondern fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip. Wo sehen Sie in Ihrem (ggf. zweiten) Fach Möglichkeiten, um
  1. Vielsprachigkeit als Ressource zu nutzen,

In meinem zukünftigen Unterrichtsfach Musik bietet das Einbinden der Vielfalt von Sprachen und Sprachvarietäten eine große Chance. Genau betrachtet ist Musik in vielen Fällen ein sprachlich bereits nichts sehr homogenes Fach. Mindestens Songs aus dem Jazz/Rock/Pop-Bereich werden in jeder Schule in englischer Sprache gesungen, und internationale Lieder haben längst den Weg in jedes Schulmusikbuch gefunden. Dennoch orientiert sich dies oft nicht am Umgang mit sprachlicher Heterogenität der Klassen und läuft sehr eindimensional auf das Englische bezogen ab. Der Einbezug verschiedener Sprachen und kultureller Hintergründe im Fach Musik kann dazu führen, dass zum etwa spielerisch die Rollen der Lehrenden und Lernenden verändert werden können, indem fremdsprachige Liedtexte erarbeitet werden. Auch der Einbezug sämtlicher Sprachvarietäten kann Gegenstand des Musikunterrichtes sein. Das Spiel mit diastratischen Sprachvarietäten (Roviro 2021, Folie 3) ist vielfach Thema von beispielsweise Musicals oder Genres wie Rap oder Punk. Das Analysieren und eigene Interpretieren solcher Musikrichtungen kann ein Teil deren Reflexion im Bezug auf die eigene Sprache und die Verwendung verschiedener Sprachvarietäten sein.

  1. gendersensibel Unterrichtsgegenstände auszuwählen und Aufgaben zu konstruieren. (ACHTUNG! Ein * genügt dafür nicht!)

Die Kunstmusik und vor Allem die im umgangssprachlichen Sinne klassische Musik war lange Zeit ihrer Geschichte eine männlich besetzte Domäne. Bis auch bis ins 20. Jahrhundert hinein findet man kaum weibliche Komponistinnen oder Dirigentinnen. Daher finden auch maßgeblich männlich besetzte Themen ihren Weg in die Musik, die teilweise bis heute noch unkritisch rezipiert und schlicht nachgespielt wird. Das können beispielsweise stark vereinfachende oder pauschalisierende Darstellungen von weiblichen Personen sein. Der einer stark männlichen dominierten Musikgeschichte lässt sich an sich nicht ändern, aber ein kritischer Umgang mit dem Inhalt ihrer Produkte ist eine Aufgabe eines modernen und gendersensiblen Musikunterrichts.

Verwendete Literatur:

Kesper, M. (2021). RV08 Heterogenität und Inklusion im Deutschunterricht der Sekundarstufen. Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.

Roviro, B (2021). RV06 Umgang mit Sprachvarietäten im (Fremd-)Sprachenunterricht: Welches Französisch oder Spanisch soll unterrichtet werden? Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.

 

 

 

 

RV07 // Prof. Dr. Nadine Rose // „Lässt sich ‚Heterogenität‘ im Klassenzimmer beobachten und was sieht man, wenn man so guckt?“

  1. Welche theoretischen Schwierigkeiten ergeben sich bei dem Versuch, „Differenz“ oder „Heterogenität“ im Schulkontext identifizieren und beobachten zu wollen? Und was hat dies mit „Differenz“ oder „Heterogenität“ als Gegenstand selbst zu tun?

 

Die beiden Begriffe erweisen sich im Schulkontext insofern als problematisch, als dass sie zunächst im kollektiven Verständnis zu unkonkret formuliert werden. Zunächst einmal bezeichnet der Begriff Heterogenität in der allgemeinen Auffassung einen Zustand, den es zu beobachten und mit dem es zu arbeiten gilt. Dass er jedoch vielmehr einen Überbegriff darstellt, der verschiedene Arten der Heterogenität unterschiedlicher Kategorien nebeneinander stellt, ist hierbei eine wichtige Erkenntnis (Rose 2015, S. 192). Sie zeichnet ihn gleichermaßen als zu ungenau für die Verwendung in der Schulpraxis aus, da er die eigentlich wichtigen Differenzierungskategorien außer Acht lässt.

Der Begriff der Differenzierung ist insofern mit Vorsicht zu behandeln, als dass er ebenfalls (ähnlich zum Begriff der Heterogenität) einen allgemeingültigen Zustand der grundsätzlichen Verschiedenheit voraussetzt. Die sogenannte Beobachtung der Differenz stellt jedoch nicht die Differenz als Zustand dar, sondern konstruiert sie regelrecht. Dies liegt darin begründet, dass der Prozess der Differenzierung immer von einer impliziten Norm aus Sicht des Beobachtenden ausgeht und die zu differenzenzierenden Praktiken ins Verhältnis dazu setzt (Rose 2015, S. 193). Es sollte also vielmehr vom Prozess der Differenzierung mit einer expliziten Formulierung der Norm (also wonach differenziert werden soll), als vom Beobachten des Natürlich gegebenen Zustands der Differenz gesprochen werden (Rose 2015, S. 194).

 

  1. Welche Differenz-Kategorien legen Sie vermutlich – eher unbewusst – im Blick auf Ihre zukünftigen Schüler*innen an und welche erweisen sich – nach Ihrem bisherigen Kenntnisstand – warum als eher problematisch als andere?

 

Die Differenzierung nach dem Kriterium der schulische Leistung, so wie sie auch in Roses Beispiel von SuS wird (Rose 2015, S. 206) ist fester Bestandteil des Lehrerberufs und damit in der Ausübung desselben nicht zu umgehen. Der Notengebung können sich Lehrkräfte (zumindest an Regelschulen) nicht entziehen. Weitere Differenzierungen in anderen Kategorien sind aber ebenfalls notwendig um mit der differenten Leistungsfeststellung der SuS umgehen zu können. Dabei ist jedoch stark danach zu unterscheiden welche Kategorien hier zielführend sind und welche nicht. Um Lernschwierigkeiten in einer Klasse begründen und begegnen zu können, kann es beispielsweise sinnvoll sein, SuS nach sozioökonomischem Hintergrund zu differenzieren um daran spezielle Unterstützungsangebote auszurichten. Ebenso ist die Differenzierung nach gesundheitlichen Lernvoraussetzungen sinnvoll.

Nicht zielführend ist aber die Differenzierung nach Kategorien, welche kein explizites Handeln seitens der Lehrkraft zum Verbessern der schulischen Leistung oder Persönlichkeitsentwicklung bieten. Darunter fallen beispielsweise die Differenzierung nach Kategorien wie Gender oder Migrationshintergrund, weil sie in keinem Zusammenhang mit der schulischen Leistung stehen.

 

  1. Würde(n) sich die Interpretation(en) der im Vortrag zugrunde gelegten Szene der „Gruppenarbeit in Klasse P“ aus Ihrer Sicht verändern (und wenn ja, wie), wenn Sie sie explizit unter der Aufmerksamkeitsrichtung der Bedeutung von „Migrationshintergrund“ oder „Gender“ in Unterricht zu lesen versuchten?

 

Prinzipiell ist der Gedanke der übergeordneten Stellung der leistungsorientierten Differenzierung als übernommene institutionalisierte Form der Differenzierung plausibel (Rose 2015, S. 206). Schließlich ist sie in der Institution Schule mit ihrem Rahmen aus Regeln und Ritualen, hier verkörpert durch die Gruppenaufgabe, am leichtesten zu beobachten. Dass sie sämtliche andere Kategorien der Differenzierung, Gender oder Herkunft einschließt ist ebenfalls plausibel dargelegt. Dennoch ist es sinnvoll Überlegungen anzustellen, welche Differenzierung sich ergäbe, würde man andere Kategorien hier an erste Stelle stellen.

Einfacher zu bewerkstelligen ist dies hier noch bei der Kategorie Gender, da diese für denBeobachter noch gut zu durchschauen ist. Auffallend ist, dass die Rollen der sozial „aktiveren“ den als weiblich gelesenen SuS zufallen und die der „inaktiven“ den männlich gelesenen. Dies könnte mit der Atributisierung bestimmter Gender-identitäten verbunden sein, welche hier als Differenzierungsnorm angenommen werden können. Diese Form der Differenzierungskategorie ist jedoch für den Beobachter der Szene schwer zu fassen, da er nur über das Aussehen auf Gender der SuS rückschließen kann.

Noch problematischer ist die Differenzierungskategorie „Herkunft“, da hier alle ausschlaggebenden Merkmale, welche die Herkunft eindeutig identifizieren können, weder dem Beobachter, noch den SuS offensichtlich vorliegen. Der Vorname der Gruppenmitgliedes „Hatif“ impliziert einen möglichen Migrationshintergrund und damit eine mögliche Wertung der beiden „aktiveren“ SuS im Bezug auf die schulische Leistung. Dennoch lässt sich für den Beobachter bei anderen Gruppenmitgliedern kein Migrationshintergrund zweifelsfrei ausschließen. Damit sind die Grenzen dieser Kategorie hier zu ungenau um sie bei der Beobachtung an erste Stelle setzen zu können. Da ergibt der Schulische Rahmen, anhand welchem man zweifelsfreier die Differenzierung festmachen kann, als übergeordnete Kategorie für dem Beobachter durchaus Sinn. Inwiefern diese und die anderen Differenzierungskategorien aber tatsächlich in Beziehung zueinander stehen, ist aus dieser Beobachtungsperspektive nicht einzuschätzen.

 

Verwendete Literatur:

Rose, Nadine. 2015. „Differenzierung unter Schüler_innen im reformorientierten Sekundarschulunterricht – oder: warum wir vorwiegend ‚Leistung‘ beobachten, wenn wir nach ‚Differenz‘ fragen“. Zeitschrift für qualitative Forschung 16(2): 191–210.

 

RV04 // Dr. Nadja Belova // Chemie – Kein Fach für alle? Gesellschaftskritische Ansätze aus der Chemiedidaktik

 

  1. Formulieren Sie basierend auf den Vorlesungsinhalten drei Thesen, die für Sie (!) einen modernen Chemieunterricht für alle ausmachen. Orientieren Sie sich gerne an den Grundannahmen von STL (Scientific and Technological Literacy for All), setzen Sie jedoch eigene Schwerpunkte.
  1. Ziel des Chemieunterrichtes ist es, SuS an die Fähigkeiten der Anwendung und Diskussion von Fachinformationen der Chemie auf gesellschaftlicher, beruflicher und persönlicher Ebene heranzuführen. Das dazu notwendige Fachwissen und dessen Vermittlung ist nicht als Selbstzweck zu betrachten, sondern bildet die Grundlage der übergeordneten Fähigkeit des selbstständigen und reflektierten Umgangs (Marks et al., 2014, S. 285, 288)
  2. Die Gegenstände des Chemieunterrichts müssen zum großen Teil neben dem eigentlichen Fachbezug eine für SuS klar nachvollziehbare Relevanz und Authentizität aufweisen. Daneben sollten sie sich dazu eignen, den formulierten Zielen der Reflexion und Diskussion Rechnung zu tragen, indem sie sowohl Kontroversen aufzeigen, als auch Raum für Meinungsaustausch bieten können (Marks et al., 2014, S. 289, 290).
  3. Die Methoden des Chemieunterrichts orientieren sich neben der Verwendung von konventionellen Lehr- und Anschauungsmethoden maßgeblich an der Arbeit mit digitalen Medien. Dadurch wird sowohl eine Berücksichtigung des Grundsatzes der Anwendbarkeit, als auch der der erforderten Relevanz gewährleistet.

 

  1. Reflektieren Sie auf Basis der Vorlesungsinhalte und des Grundlagentextes, inwieweit chemisches Wissen im Allgemeinen und naturwissenschaftliches Wissen im Speziellen aus Ihrer Sicht als Teil des Allgemeinwissens (im Sinne einer „Scientific Literacy for All“) angesehen werden kann. Beziehen Sie hier auch ihre eigenen Erfahrungen aus dem schulischen Chemieunterricht/Ihrem Alltag ein.

Der Anspruch des Allgemeinwissens im Sinne der Allgemeinbildung lässt sich nach Marks u.a. zweidimensional beschreiben. Der Begriff umfasst die Allgemeinheit zum einen im Sinne der Zielgruppe an die Bildung gerichtet ist, also die Unabhängigkeit von persönlichen Eigenschaften, wie Herkunft, Geschlecht, Alter oder sozialer Status. Auf der anderen Seite meint der Begriff den interdisziplinären Ansatz der der Allgemeinbildung (Marks et al., 2014, S. 286). Da nun auf die Anwendbarkeit bezogen die meisten außerschulischen Problemstellungen multidimensional und interdisziplinärer Natur sind, ergibt es bereits aus dieser Perspektive wenig Sinn, die naturwissenschaftliche und speziell die chemische Bildung auszuschließen. Mit Blick auf den ersten Aspekt scheint der Einbezug der Chemie zur Allgemeinbildung doch deutlich dringender. Ich selbst konnte in meiner eigenen Schulzeit die Erfahrung machen, dass gerade leistungsschwache Schüler von dieser Allgemeinbildung ausgeschlossen wurden und seitens der Lehrkräfte lediglich auf das Bestehen dieser Schüler und nicht auf den Lernerfolg hingearbeitet wurde. Das in diesem Zusammenhang weder von „Wissen“ noch von „Allgemeinheit“ gesprochen werden kann versteht sich von selbst.

 

  1. In einem Interview zur Sinnhaftigkeit des Hinterfragens naturwissenschaftlicher Informationen in sozialen Medien (zum Beispiel naturwissenschaftsbasierter „Fakenews“) sagte eine Lehrkraft: „Es ist blöd zu sagen, aber es ist im Endeffekt eine intellektuelle Grenze für mich; also auch-… oder Lebensumstandsgrenze, wenn die [Anm.: Die Schüler*Innen] einfach in ihrem Lebensumfeld so anders damit umgehen und nur plakative Äußerungen sozusagen verbreiten und nutzen und das auch völlig in Ordnung ist in deren Umfeld, so…, dann werden die da nicht rauskommen. Also das schaffen die dann alle nicht, das geht dann nicht, das ist dann so Kampf gegen Windmühlen.“. Verfassen Sie eine Antwort darauf.

Zunächst ist deutlich, dass viel mit Annahmen und persönlichen Eindrücken argumentiert wird, trotzdem aber eine sehr ablehnende Haltung hervortritt. Dem möchte ich entgegenhalten, dass ich die ständige Weiterbildung und Abstrahierung der eigenen Empfindungen und Wahrnehmungen eine der wichtigsten Eigenschaften des Lehrerberufs sein sollte. Außerdem wird hier viel auf das Fehlverhalten der SuS hinsichtlich der Mediennutzung Bezug genommen. Zum einen ist diese pauschale Annahme des kollektiven Unvermögens höchst problematisch. Sie spricht den SuS jegliches Potenzial der Besserung ab und ist dabei eine Kapitulation vor der eigenen Verantwortung. Auch die Problematiken nur einseitig in Richtung der Schüler zu beleuchten zeigt, dass hier zu wenig über die eigene Rolle als Lehrkraft reflektiert wurde. Zum anderen ist aber auch deutlich, dass die Lehrkraft selbst über wenig Erfahrung im Umgang mit sozialen Medien verfügt und daher auch das positive Potenzial derselben verkennt. Grundsätzlich mögen alle diese Äußerungen wahren Eindrücken entspringen. Die Schlussfolgerungen daraus sollten jedoch überdacht werden. Dass gerade aus dem Umstand der unreflektierten Mediennutzung heraus und der mangelnden Kenntnis der Lehrkraft diese zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden sollte liegt auf der Hand. Das auch die Grundannahmen des Misserfolgs in dieser Aussage widerlegt werden können, zeigen erfolgreiche Experimente, welche uns im Rahmen der Vorlesung vorgestellt wurden (Belova, 2021, Folien 48–56).

 

Verwendete Literatur:

Marks, R., Stuckey, M., Belova, N., & Eilks, I. (2014). The Societal Dimension in German  Science Education – From  Tradition towards Selected Cases  and Recent Developments. Eurasia Journal of Mathematics, Science & Technology Education, 10(4), 285–296.

Belova, N. (2021). RV04 – Chemie – Kein Fach für alle? Gesellschaftskritische Ansätze aus der Chemiedidaktik. Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.