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7 Argumente gegen die Böllerverbotsdebatte


1. Reiner Paternalismus
Die Debatte ums Böllerverbot zeichnet sich durch eine bevormundende Grundhaltung jener aus, die ein Verbot von Pyrotechnik im Privatverkauf fordern. Ich störe mich vor allem an der Ergötzung des Diskurses der “die Unverantwortlichkeit von Pyrotechnik in privater Hand” betont und die Distinktion Privat/Öffentlich als politische Machttaktik benutzt. Dazu unten mehr. Es geht nicht darum zu verstehen warum Menschen Feuerwerk konsumieren/verwenden, um ggf. einen emphatischen Diskurs zu führen, sondern um die Durchsetzung der eigenen Haltung in Form eines Verbots und eine Pauschalberurteilung, die gegen den Willen von einer wahrscheinlich großen Masse an Menschen geschehen müsste.

2. Rassismus
Rassistisch ist die Debatte dahingehend, dass rassistische Stereotype bezüglich migrantischer Communities bedient werden. Zuvorderst wird das Narrativ von “jungen, gewaltaffinen, muslimischen Migranten” gezeichnet, die die vermeintliche Verantwortung für die Eskalationen tragen. Dabei scheint sich die daraus gezogene Legitimation nicht zuerst auf ein Böllerverbot zu beziehen, sondern vielmehr auf die rassistische Unterdrückung der migrantischen Communities mittels diskursiver Taktiken.

3. Klasseneinseitigkeit
Das Menschen aus migrantischen Communities einen größeren Teil zur Eskalation beitragen als Weiße mag sein. Das hat dann aber NICHTS mit einer rassistisch angedichteten Gewaltaffinität zu tun, sondern mit der überproportionalen Vertretungen dieser Menschen in den unteren Klassen. Ergo: Es gibt keine Rassenfrage, sondern die Klassenfrage! Das bedeutet auch die Forderung nach einem Böllerverbot kommt aus den reicheren Klassen und wer eine Herzenslinke ist, muss da skeptisch werden.

4. Ordnung vs. Chaos
Der Kern der Böllerverbotsdebatte dreht sich um die Frage von Ordnung und Chaos. Menschen und Institutionen, die das Böllerverbot fordern, fordern eigentlich eine verstärkte Durchsetzung von Ordnung und Sicherheit. Eine Law and Order Politik. Entlarvend ist es vor allem, wenn die Innenministerin nach “härteren Strafen” ruft und die GdP das Böllerverbot fordert, obwohl in Vorpandemiezeiten empirisch sogar mehr Übergriffe auf Einsatzkräfte geschehen sind. Dem Chaos muss Einhalt geboten werden, nicht weil es “wirklich schädlich” oder “wirklich dienlich” ist, sondern schlicht aus dem Grund, weil es sich der Ordnung entzieht. Die Moral ist hier nur das Mittel zum Zweck. Es fällt unter das was Foucault das “Sicherheitsdispositiv” nannte, also die Gesamtheit an Strategien die dem Staat dazu dienen Kontrolle über seine Bürger*innen auszuüben. Damit stellt die Böllerverbotsdebatte einen Diskurs dar, der eine Ausweitung bzw. Verstetigung der Macht der Ordnung bedeutet.

5. Spießbürgertum
Diese “mehr Ordnung, weniger Chaos” Haltung ist vor allem eine spießbürgerliche Haltung. Diese verweigert sich einem solidarischen Diskurs und ist lediglich auf die Stärkung des eigenen Klassenstandes aus. Dabei dient ihnen auch die ihnen zukommende Deutungsmacht über die Kultur, mit der sie bestimmen können, was als “schön” und was als “vulgär” zu begreifen ist. Es geht hier um die reine Ablehnung des Chaoses als das Vulgäre, ohne Rücksichtnahme auf die Frage, ob Menschen nicht auch Sinn aus Chaos ziehen.

6. Symptombekämpfung
Unabhängig von diesen eher abstrakteren Punkten ist das Böllerverbot auch in der neoliberal-konservativen Ordnungslogik das falsche Argument. Würde man ein Böllerverbot einführen, wäre es unwahrscheinlich, dass eine Minderung der allgemeinen Gewalttätigkeit erreicht wird. Denn diese ist immer auch ein Ausdruck gesellschaftlicher Unzufriedenheit gerade der unteren Klassen. Wäre ein Böllerverbot eingeführt, ist davon auszugehen dass das Gegenteil des Gewünschten eintritt: Es kommt zu einer Verlagerung und evtl. Ausweitung der Gewalt, aufgrund des (verständlich oder nicht spielt keine Rolle) selbst empfundenen Freiheitsentzug. Und schließt sich der Kreis zur Klassenfrage. Eine Befriedung der Gesellschaft kann nur durch gerechtere Verhältnisse erreicht werden. Das heißt: wer ein Böllerverbot fordert ist im Zweifelsfall gegen eine Veränderung/Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Das heißt übrigens nicht, dass wer dagegen ist, für eine Verbesserung dieser ist.

7. Alternativen
Von allen Punkten abgesehen, finde ich dass es gute Argumente gegen Pyrotechnik gibt. Umweltverschmutzung, Gefährdung von Rettungswagen, Verletzungsrisiko, Warenfetischierung usw. Das Problem der Debatte ist aber, dass diese Argumente in reinen Moralismus verfallen. Die Menschen die laut nach dem Böllerverbot schreien, verkennen zuvorderst, dass es schlicht und einfach eine Form der Unterhaltung und Ausgelassenheit für viele Menschen ist. Das heißt eine politische Lösung muss sich, wenn sie sich schon so sehr nach einem Verbot sehnt, um Alternativen für diese Unterhaltungsform bemühen. Wie diese aussehen, können sich gerne andere überlegen


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