In meinem Public Health-Studium an der Universität Bremen ist im 5. Semester ein Praktikum vorgesehen und für mich war relativ schnell klar, dass ich mich nicht nur in Bremen bewerben werde. Das hatte zum einen den Grund, dass das Studium für mich durch die im Frühling 2020 begonnene Pandemie nicht so abwechslungsreich war wie geplant und mir in Bremen ein wenig langweilig geworden war, als auch dass ich einfach eine neue Erfahrung machen wollte, was mit einem Ortswechsel ja automatisch einher geht. Außerdem war ich mir meiner späteren Berufswahl noch in keinster Weise bewusst und dachte mir, es würde mir sicherlich helfen, meinen Horizont zu erweitern und auch international nach Möglichkeiten zu schauen.

Nachdem ich bereits mit ein paar Stellen Kontakt gehabt hatte, mir manche gar nicht und manche mit Unsicherheiten und Planungsschwierigkeiten aufgrund der Pandemie antworteten erhielt ich erst eine Zusage innerhalb Deutschlands und dann aber nach einem Zoom-Bewerbungsgespräch auch noch eine Einladung nach Barcelona!
Nach einem etwas längeren Entscheidungsprozess fiel meine Wahl; ich würde von September bis Mitte/Ende Dezember nach Spanien gehen und mein Praktikum beim IS Global, einem Forschungsinstitut für Global Health machen.

Nach dem Erledigen einiger Formalitäten ging es an eine langatmige Wohnungssuche. Die Mieten sind in Barcelona wesentlich teurer als in Bremen und anscheinend werden die Wohnungen dort auch eher spontan, anstatt weit im Voraus vermietet. Das stresste mich zwar ziemlich, jedoch konnte ich aus meiner Entfernung auch nicht wirklich einen Einfluss darauf ausüben und so fand ich tatsächlich erst 2 Wochen vor meinem Abflug ein geeignetes und vor allem verfügbares, knapp bezahlbares WG-Zimmer.

Dies war recht klein, mein Bett ebenso und von meinen MitbewohnerInnen verstand nur eine Person Englisch. Mein Spanisch war anfangs noch sehr schlecht, deshalb war die Kommunikation mit den anderen MitbewohnerInnen etwas schwierig. Das viele Menschen in Barcelona nur Katalan sprechen machte die Sache natürlich nicht einfacher. Dafür war die Wohnung weniger als 5 Gehminuten vom Strand entfernt und wenn ich diesen dann weitere 5 Minuten entlang lief, war ich auch schon bei meiner Arbeit angelangt, ins Zentrum konnte man in 20 Minuten laufen und auch was die Metro oder Busse anging, war ich gut angebunden. Über die Lage kann ich mich auf jeden Fall in keinster Weise beschweren und dadurch, dass im Stadtteil Barceloneta viele Katalanen statt nur Touristen leben und dort eben auch in ihrem Alltag zu entdecken sind, hatte ich mehr das Gefühl, die Stadt und die Menschen wirklich kennenlernen zu können.

Das Praktikum nicht in Bremen zu machen, sondern mich international umzuschauen hat mir einige neue Möglichkeiten aufgebracht. Gleichzeitig gibt es natürlich auch mehr Dinge zu beachten und zu erledigen. Ich denke, dass es jeden Aufwand wert ist, es zumindest zu versuchen. Viele Formalitäten müssen einfach bedacht werden und dazu muss man sich natürlich nicht nur an einen neuen Arbeitsplatz, eine neue Stadt, sondern sogar an ein neues Land und in den meisten Fällen auch an eine andere Kultur gewöhnen. Dadurch sammelt man aber auch automatisch mehr Erfahrungen.

Von meiner Zeit in Barcelona kann ich Einiges mitnehmen, sowohl an Fachwissen als auch an kulturellen und persönlichen Erfahrungen. Nach einem also etwas holprigen Start begann ich die Stadt zu lieben und auch am Arbeitsplatz wurde ich mit offenen Armen aufgenommen und unterstützt. Da ich in der Forschungstechnik eingeteilt war, hatte ich viele Aufgaben, die ich vorher noch nie gemacht hatte und so bin ich jetzt wesentlich sicherer mit einigen Computerprogrammen und irgendwann schwand auch die Sprachbarriere. Ich kann zwar nicht wirklich besser spanisch sprechen, da ich im Alltag nicht viel darauf angewiesen war, jedoch verstehe ich wesentlich mehr, da ich jedes Gespräch, dass ich von KollegInnen oder MitbewohnerInnen mitbekam gebannt verfolgte.

Für die Zukunft kann ich sagen, dass mir die Forschungstechnik glaube ich etwas zu computerlastig ist. Ich mag es einfach nicht, den ganzen Tag im Büro vor einem Bildschirm zu sitzen. Aber die Forschung insgesamt ist super spannend und deshalb war ich sehr froh, dass ich die Möglichkeit hatte, in mehrere Bereiche des Instituts hineinzuschnuppern und somit auch in Laboren war, Lärm und Luftverschmutzung in verschiedenen Stadtteilen Barcelonas messen konnte und für ein Studie auch in mehreren Grundschulen zu Gast war.

IS Global selbst ist auf weltweite Gesundheitsforschung spezialisiert. Je nach Kooperationen und Förderungen arbeiten sie mit Instituten und Universitäten aus anderen Ländern zusammen. Die Studie, bei der ich während meines Aufenthalts half, kooperierte mit Melbourne und Hong Kong und erforschte somit über drei Kontinente hinweg. Hier ging es um Einfluss von Stadtgesundheit und körperlicher Aktivität auf die Gehirnkapazität, mit dem Ziel, Erkrankungen wie Alzheimer zu erforschen und Risikofaktoren zu verringern. Dadurch, dass ich schon als Praktikantin das Gefühl hatte, einen wichtigen Beitrag zu leisten, kann ich mir gut vorstellen, später auch im Bereich der Bevölkerungsgesundheit zu arbeiten. Dafür war das Praktikum ziemlich gut, denn vorher war ich mir noch überhaupt nicht im Klaren darüber, was ich später mit meinem Studium anfangen möchte.

Was ich während meiner Zeit in Barcelona recht früh gemerkt habe, ist dass man dort so wenig wie möglich plant, weil dann immer die besten Dinge passieren. Die schönsten Läden oder Straßen sah ich immer, wenn die, die ich geplant hatte zu sehen geschlossen hatten. Die nettesten Leute lernte ich immer kennen, wenn ich mich um 23 Uhr aus dem Bett klingeln ließ und doch noch rausging, oder mich auf ein Gespräch mit Fremden in einem Vintagestore einließ.

Was natürlich keine Neuigkeit ist, aber immer wieder gesagt werden muss: Barcelona ist eine unglaublich schöne Stadt und die süßen Häuser und schmalen Gassen mit den kleinen Tapas-Bars und Cafés haben einfach ihren Charme. Man darf nicht erwarten, dass es überall so aussieht, natürlich gibt es auch Neubauten oder sehr heruntergekommene Gebiete. Aber wenn man sich in den richtigen Stadtteilen bewegt, oder auch einfach den Blick öffnet, so kann man wirklich viele kleine schöne Details entdecken. Vor Allem in der Altstadt sollte man sich angewöhnen, den Blick mehr nach oben zu richten, so kann man die kleinen Balkone mit Blumen und Wäscheleinen und entdecken, auf denen Menschen gerade Blumen gießen, ihre Hunde frisieren oder Schuhe und Socken flicken. Viele stehen auch einfach den ganzen Tag auf dem Balkon und rauchen und unterhalten sich lautstark über die Straße hinweg. Da sich der Großteil des Lebens dort draußen abspielt, fühlt sich die Innenstadt manchmal an wie ein Freilufttheater.

Auch für kleine, schöne Überraschungen ist die Stadt immer gut und so sind Straßenmusiker vor Restaurants, unangekündigte Märkte und Straßenfeste oder wärmere Temperaturen als angekündigt definitiv Dinge, die den Alltag aufwerten.
Außerdem gibt es für wirklich Alles und jeden eine Szene, die Menschen sind sehr aktiv was Sport, Kunst und spezielle Hobbies angeht und die Freizeitaktivitäten, die die Menschen ausüben gehen weit über das Fußballspielen hinaus.
Auch die Grundstimmung und das Wissen, am Meer zu wohnen wirkt sich auf die Mentalität der Menschen aus und davon konnte ich merklich etwas mitnehmen.

Auch kulturell gibt es Einiges zu entdecken. Insgesamt spielt die Stadt mit vielfältigen Eindrücken, so dass für jeden was dabei ist und obwohl ich es am Anfang nicht erwartet habe, will ich keinen einzigen Moment mehr missen und bin froh diese Erfahrung gemacht zu haben!