Motivation, Reisevorbereitungen und erste Schritte in Toulon
Ich hatte bereits einen Auslandsaufenthalt als Erasmusstudentin in Rouen (Nordfrankreich), ein Schulpraktikum mit dem Programm Erasmus+ in Nantes (Westfrankreich) in meinem Bachelor absolviert, als ich mich gegen das Ende meines Masters nochmals entschied nach Frankreich zu gehen. Zu dem Zeitpunkt habe ich Französisch und Musik für das Lehramt an Gymansium und Oberschulen studiert. Ich hatte in meinem vorherigen Schulpraktikum mit der Erasmus+förderung in einer Privatschule in der Nähe von Nantes viele positive Erfahrungen gesammelt und konnte hier meine didaktischen Fähigkeiten im Fremdsprachenunterricht und Sprachkenntnisse weiterentwickeln. Da ich zudem noch in einer weiteren Region, im Süden Frankreichs, leben und diese kennenlernen wollte, entschloss ich mich, mich auf einen Platz als Fremdsprachenassistentin im Rahmen des Pädagogischen Austauschdienstes (PAD) zu bewerben. Eine Fremdsprachenassistenz mit dem PAD von mindestens sechs Monaten bringt zudem in der Referendariatsbewerbung in einigen Bundesländern (wie Hamburg) Vorteile. Der PAD ermöglicht es Studierenden durch das Assistent_innen-Programm mindestens ein halbes Jahr in einem anderen Land zu leben und in diesem im schulischen ereich mitzuarbeiten und zu unterrichten. Es stehen hier 14 unterschiedliche Länder mit einer unterschiedlichen Programmdauer zur Auswahl. Das Programm wird für Frankreich im Zeitraum vom 01.10 – 31.3 angeboten und man erhält durch die Académie, in der man arbeitet, für die Aktivität als Fremdsprachenassistenz monatlich einen Lohn. Die vorgesehene Dauer der Fremdsprachenassistenz sowie der Lohn unterscheiden sich jedoch je nach Land.

Nachdem ich meine Bewerbungsunterlagen für diesen Dienst Ende Oktober eingereicht und ein Vorstellungsgespräch im Januar des Jahres absolviert hatte, bekam ich eine Zuweisung der Region, der Académie de Nice, im Mai des Jahres, in der ich für sechs Monate leben und unterrichten sollte. Der Platz wurde mir zugeteilt und später erfuhr ich, dass ich für die Stadt Toulon ausgewählt wurde. Ich freute mich damals sehr, da Toulon zwar eine eher kleinere Stadt ist, aber sehr südlich sowie direkt zwischen den Städten Nizza und Marseille liegt und die Provence als Region wirklich sehenswert ist. Zusätzlich zu diesem Programm bewarb ich mich, als ich durch dieses einen Platz erhielt, auf das Erasmus+-Stipendium.

Um ein Zimmer in der Region zu finden und mich den Lehrkräften, die ich begleiten sollte, vorzustellen, wandte ich mich schnell an die Kontakte, die mir durch meine Schulzuweisung zugesendet wurden und fand durch meine Vorgängerin zügig ein Zimmer in einer Zweier-WG. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit sich selbst eine WG zu suchen wie über das Portal Leboncoin, welches das französische Pendant zu Ebay-Kleinanzeigen ist. Ich würde empfehlen möglichst mit französischsprachigen Menschen zusammenzuleben, da man so gleich einen Kontakt in der Stadt hat und seine Sprachkenntnisse vertiefen kann. Es besteht dennoch auch die Möglichkeit sich in der Facebookgruppe „Assistants de langue en France / TAPIF 2019 – 2020“ mit anderen Assistant_innen auszutauschen, die auch auf Wohnungssuche sind und eine WG zu gründen. Französische Wohnungen hierfür finden sich ebenfalls auf Leboncoin und sind meist bereits vollständig eingerichtet. In Toulon kostet ein einzelnes Zimmer in einer WG etwas über 400 Euro Warmmiete. Die Côte d’Azur ist im Gegensatz zu anderen Regionen durch höhere Mieten als eher teuer zu beschreiben. Frankreich ist zudem etwas teurer als Deutschland, was sich an vielen Aspekten zeigt wie dem einfachen Lebensmitteleinkauf oder auch an den Preisen für Pflegeprodukte. Vor der Fremdsprachenassistenz sollte man über ein Budget von etwa 1500 Euro verfügen, um den Flug, die Kaution für die neue Wohnung, die erste Miete zu bezahlen sowie den ersten Monat erfolgreich zu meistern, da der erste Lohn erst Ende des Monats überwiesen wird.

Kurz nach meiner Ankunft in Frankreich habe ich ein französisches Konto bei der BNP Paribas eröffnet. Dies tat ich, damit mir mein Gehalt für die Fremdsprachenassistenz von dem Rektorat überwiesen werden konnte. Hierfür ging ich in die Bank und machte mir einen Termin für die Eröffnung des Kontos, zu der ich umfangreiche Unterlagen mitbringen sollte wie z.B. den Ausweis meines Vermieters, ab. Dass mit dieser Kontoeröffnung sämtlicher unerwarteter Stress verbunden sein wird, bemerkte ich nach einiger Zeit. Die Bank buchte mir zum Teil doppelt Geld ab und schloss sofort mein Konto, weil ich meine Kündigung mit einem völlig anderem Kündigungsdatum schlichtweg einfach zu früh einreichte (in Frankreich sollte man bei BNP somit erst fünf Tage bevor man das Land verlässt kündigen). Einen Handyvertrag habe ich in Frankreich nicht abgeschlossen, da ich durch kostenfreies Datenroaming und Messenger-Dienste mit meinen Lehrkräften und den anderen Assistant_innen kommunizieren konnte. Zudem war ich durch meinen Arbeitsvertrag krankenversichert, wodurch ich mich von meiner deutschen Versicherung befreien lassen konnte und erhielt auch nach etwa drei Monaten meine französische Versicherungskarte, mit der ich zum Arzt gehen konnte. Es ist in Frankreich direkt nach der Ankunft zudem möglich zusätzlich als ausländische/r Student_in CAF, das französische Wohngeld, zu beantragen, durch welches man eine zusätzliche finanzielle Unterstützung erhalten kann.

Erfahrungen im Praktikum

Insgesamt habe ich zwölf Stunden in der Woche den Deutschunterricht mit drei Lehrkräften in unterschiedlichen Schulen begleitet, was für die Assistent_innen in Frankreich so vorgesehen ist. Hinzu kam noch zusätzliche Zeit für die Unterrichtsvorbereitung, was jedoch sehr davon abhängig war, wie viele und welche Aufgaben die Lehrkräfte mir aufgetragen haben. Da ich in sehr unterschiedlichen Stadtteilen in Schulen und verschiedenen Schulformen gearbeitet habe, habe ich einen umfangreichen Einblick in das französische Schulsystem erhalten. Ich war in zwei französischen Lycées, sprich zwei Schulen nur mit Oberstufe sowie einem Collège, einer Mittelschule, als Fremdsprachenassistentin tätig. In den Lycées war ich jeweils fünf Stunden, in dem Collège nur zwei Stunden wöchentlich. Ich habe insgesamt elf verschiedene Klassen von der sechsten bis zur zwölften Klasse in drei unterschiedlichen Schulen in der Woche begleitet. Ich war sehr zufrieden mit den Schulen und den Lehrkräften, fühlte mich dennoch hin- und hergerissen zwischen den Schulen sowie bis Ende nicht richtig in eines der Lehrerkollegien der Schulen integriert, da ich oft nur ein bis zwei Tage wöchentlich in den einzelnen Schulen war. Diese Zerrissenheit zwischen den Schulen liegt daran, dass die Nachfrage an Assistent_innen im Fach Deutsch hoch ist, sich jedoch zu wenig für den Dienst im Süden bewerben. Im Süden Frankreichs zieht das Fach Deutsch weniger Schüler_innen an, da es in Konkurrenz zu Fächern wie Italienisch, Spanisch und in einer Schule sogar zu Chinesisch steht. Die Klassengröße belief sich von daher oft auf unter 20 Schüler_innen. Das Niveau der Lernenden ist als sehr gemischt zu beschreiben. Anders als die Schüler_innen in Deutschland haben die französischen Lernenden ab Anfang des Fremdsprachenlernes nur zwei Stunden mit 55 Minuten jeweils wöchentlich Deutsch, dennoch sind einige Schüler_innen hochfasziniert von deutschsprachigen Ländern und der Sprache, andere jedoch eher weniger.

Ich wurde von den Lehrkräften sehr unterschiedlich im Unterricht als Fremdsprachenassistentin eingesetzt. Zum Teil bereitete ich ganze Unterrichtsstunden vor. Diese bezogen sich beispielsweise auf deutsche Popsongs oder auch einen Rap über Klischees. Manchmal entwarf ich jedoch nur ausgewählte Aktivitäten wie zu einem Hörverstehen und kreierte einzelne Materialien. Zudem bereitete ich fortgeschrittene Lernende im Kleingruppenunterricht auf die mündliche B1-Deutschprüfung vor und entwarf hierfür den Unterricht und korrigierte ihre Texte. Zeitweise assistierte ich im Unterricht, indem ich Gruppenarbeiten begleitete und Vokabeln anschrieb.

Hinzukommend korrigierte ich Texte oder auch Vokabeltests. Zudem begleitete ich und gestaltete ein Schulprojekt der Schüler_innen des zwölften Jahrgangs durch meine Ideen mit, das sich mit der Berliner Mauer befasste.

Teilweise hospitierte ich jedoch auch im Unterricht, da die Lehrerinnen in einigen Phasen frontal unterrichteten. Ich war zeitweise überrascht, da ich zuvor in meinem ersten Erasmus+-Praktikum in einer Privatschule in Frankreich andere Eindrücke gewonnen hatte und hier meiner Ansicht nach etwas kommunikationsorientierter sowie weniger frontal unterrichtet wurde. Dies ist sicherlich aber auch ein von den Lehrkräften und ihrem Unterricht abhängiger Aspekt. Dennoch muss ich sagen, dass ich mich vor allem in meinen beiden Lycées durch die Fachlehrkräfte gut betreut fühlte und meine Rolle als Assistentin sehr wertgeschätzt wurde. Ich konnte hier viel von den Lehrkräften profitieren, auch sprachlich. Sie unterstützten mich zudem bei meinen Unterrichtsentwürfen sowie Vorhaben und nahmen sich Zeit für mich, um diese zu besprechen. Ein persönlicher Punkt, der sich für mich geändert hat, ist, dass ich durch die neue Unterrichtserfahrung wesentlich selbstbewusster und gelassener vor den Klassen auftrete sowie mich vor allem zum Ende meines Praktikums in dem Umgang mit den Schüler_innen konsequenter und selbstsicherer fühlte. Ich entdeckte zudem persönliche Schwächen, gewann eine deutlichere Gewissheit darüber, was meine Toleranzgrenze im Umgang mit Störungen ist sowie beschäftigte mich mit Lösungsansätzen vor allem bezüglich eines kompetenten Classroom Managements, an denen ich in meinem nachfolgenden Referendariat weiter arbeiten möchte.

Die Stadt Toulon und ihre Region

Toulon ist insgesamt eher als kleinere ruhige Stadt zu beschreiben. Die Stadt in der Provence hat etwa 150.000 Einwohner und verfügt über einen wichtigen Militärhafen. Als bergige, direkt am Mittelmeer liegende Stadt an der Côte d’Azur zieht Toulon vor allem im Sommer viele Touristen an. Die Region und die Stadt sind an sich als sehr lebenswert zu beschreiben, da man hier auch im Winter die Sonne sieht, im März bereits der Sommer beginnt und die Umgebung sehr vielfältig ist. Dennoch ist es, vor allem aus dem Norden Deutschlands eher umständlich in die Stadt zu kommen, da man einmal das Flugzeug wechseln muss. Toulon/Hyères hat zwar einen gemeinsamen Flughafen, dieser wird jedoch nur von Inlandsflügen angeflogen und liegt mit einer Stunde recht weit außerhalb. Ich bin somit immer bis Marseille geflogen und von dort aus mit dem Bus oder der Bahn (SNCF) weiter nach Toulon gefahren. Zum Fliegen gibt es unterschiedliche Flughäfen, die angeflogen werden können wie der Flughafen in Toulon/Hyères selbst, in Marseille oder in Nizza, zum Teil auch durch Direktflüge aus Hamburg.

Ein großes Plus der Stadt Toulon ist auf jeden Fall ihre Nähe zum Meer durch einen Hafen und Strand sowie zu den umliegenden Städten in der Provence (Hyères, Nizza, Marseille, Cannes, Antibes, Aix), die recht einfach und preisgünstig mit Ouibus, Flixbus, Stadtbussen (wie z.B. Saint-Tropez) oder der Bahn zu erreichen sind. Unter 27-Jährige haben in Frankreich die Möglichkeit für das Zugfahren eine Carte jeune zu beantragen, die etwa 50 Euro kostet und durch die man Reduktionen auf die Zugtickets bekommt. Ich habe zudem ab und zu Blablacar benutzt, was auch eine sehr kostengünstige Möglichkeit ist, um in der Region zu reisen. Toulon ist an sich gut angebunden und die Busse fahren regelmäßig, allerdings nicht, wenn man ausgehen möchte, da die Busse unter der Woche nur regelmäßig bis 21 Uhr fahren und am Wochenende etwa bis 0.30 Uhr. Busfahren ist recht günstig. Eine Einzelfahrt kostet 1,40 Euro, ein Zehnerticket 10 Euro und ein Monatsticket bei über 26-jährigen 34,50 Euro, bei unter 26-jährigen 21 Euro. Die Busse kommen hier gerne mal zwei Minuten zu früh oder auch zeitweise aufgrund von Demonstrationen überhaupt nicht. Derzeitig wird recht viel in den französischen Städten demonstriert, sodass oft am Samstag ein Stadtbesuch nicht zu empfehlen ist bzw. man hier bestimmte Gebiete nicht betreten kann.

Das studentische Leben scheint in der Stadt etwas eingeschlafen, was man nicht nur am Stadtbild sieht, sondern wir Assisten_innen auch daran feststellten, dass selbst in den Erasmus-Facebook-Gruppen der Stadt monatelang nichts passierte. Es sind jedoch zahlreiche andere Fremdsprachenassistent_innen aus aller Welt in Toulon. Zur Freizeitgestaltung gibt es zudem eine Oper mitten in der Stadt, die unterschiedliche Stücke zur Auswahl stellt. Zudem finden sich im Stadtzentrum zwei Kinos mit unterschiedlicher Filmauswahl beispielsweise das Cinéma Pathé Toulon mit einer eher am Mainstream orientierten Filmauswahl und einem Eintrittspreis mit Studentenausweis von etwa neun Euro. Man kann sonst auch gut wandern gehen in Toulon oder Sport machen wie z.B. laufen, die Strände sowie die berühmten Calanques bei Marseille in der Umgebung besuchen und täglich zum Einkaufen auf den Markt mit teilweise regionalen Produkten in der Stadtmitte gehen. Es gibt somit eine Menge Möglichkeiten seine Freizeit in Toulon zu gestalten. Bis Ende Oktober kann man hier im klaren Mittelmeer baden sowie im Winter in der Region Skifahren, jedoch auch den Strand besuchen.

Fazit
Für mich war die Fremdsprachenassistenz eine tolle Möglichkeit mich sprachlich und auch professionell weiterzuentwickeln. Ich wurde von den Lehrkräften gut betreut und konnte hier, auch durch die Rückmeldung der Lehrkräfte nach meinen Unterrichtsdurchführungen, neue Impulse erhalten. Kritisch fand ich jedoch in drei unterschiedlichen Schulen zu arbeiten und somit nicht richtig in das Schulleben der drei Schulen sowie die Klassen eingebunden zu sein, was an der Anzahl der Schulen (drei), Klassen (elf) und Stundenverteilung lag. Nach vier Monaten kam mir die Assistenzzeit jedoch etwas lang vor, da ich zeitweise weniger Aufgaben zugewiesen bekam sowie durch die Schulstreiks im Dezember und Fortbildungen der Lehrkräfte für eine neue Reform der Unterricht teilweise ausfiel. Ich kann insgesamt sagen, dass die Fremdsprachenassistenz eine bereichernde Erfahrung für mich war, ich mich etwas weiterentwickeln konnte und ich einen weiteren, mir bisher unbekannten und sehr sonnigen Teil Frankreichs sowie nette, engagierte Deutschlehrkräfte kennenlernen durfte.