Als ich herausfand, dass die NGO „Pelagios Kakunjá“ in La Paz, Baja California Sur, Mexiko Projekte vieler Art für die Erforschung und den Schutz der nordamerikanischen Haiarten unternimmt, war für mich klar, dass ein Aufenthalt bei diesem Team von Wissenschaftlern die ideale Ergänzung zu meinem Studium in Meeresökologie an der Uni Bremen und zu meinem Lebenslauf wäre. Der erste Schritt war dann natürlich die Anfrage bei der Organisation selbst, ob sie mich als Gastinstitution aufnehmen würde. Die mexikanischen Forscher hießen mich willkommen und per Skype besprachen wir mögliche Projekte für mich, bei denen ich meine Vorkenntnisse und bisherigen Fähigkeiten gut einbringen konnte, die für mich aber auch neues Terrain und interessante Herausforderungen darstellen würden.

Als mit der Gasteinrichtung alles geklärt war, und mir von ihr auch eine Bestätigung über meinen Aufenthalt unterschrieben wurde („Confirmation of Host Institution.doc“) reichte ich alle Unterlagen für ein PROMOS-Stipendium für mein Praktikum bis zum Bewerbungsschluss im November 2015 über die Plattform MOBILITY ONLINE beim International Office der Uni Bremen ein, so dass ich evtl. für den Förderzeitraum 1. Jahreshälfte 2016 unter den Stipendiaten sein konnte.

Für meinen Aufenthalt in Mexico hatte ich nämlich den Winter gewählt, denn das ist die relevante Saison: Bullenhaie, die Fokustiere meines Projekts, können vor der Küste von Baja California regelmäßig gesichtet werden. Im Januar, was für mich durch die Vorlesungspause meines Master- Studiengangs möglich war, flog ich also nach La Paz in Mexiko, mit dem Ziel 3 Monate (also den Mindestförderzeitraum von PROMOS) in der Gasteinrichtung zu verbringen. Vor Ort gab es wenig Formalitäten zu erledigen, denn in Mexiko können Praktikanten, die nicht länger als ein halbes Jahr im Land bleiben, mit einem einfachen Touristenvisum (Stempel im Flughafen) einreisen. Ich benutzte auch nur mein deutsches Bankkonto, mit dem ich problemlos in fast allen Banken Zugriff auf Bargeld hatte. Auch die Organisation selbst machte mir den Einstieg leicht, holte mich vom Flughafen ab, und wir machten uns direkt daran zu planen, wie wir meine Zeit und meinen Einsatz am besten für das mir zugeteilte Projekt, die Erforschung der ökologischen und ökonomischen Folgen des Tauchtourismus mit Bullenhaien im Meeresschutzgebiet Cabo Pulmo, nutzen können. Vor Ort gab es viele Studenten aus diversen Ländern und Kontinenten, die sich auch der Meeresforschung und Meeresbiologie widmeten, was die Atmosphäre gleich von Beginn an sehr produktiv machte. Ich bekam die Erlaubnis im Headquarter von „Pelagios Kakunjá“, wo mehrere kleine Schlafzimmer zur Verfügung stehen, zu wohnen, wodurch mir auch zu Beginn eine komplizierte befristete Wohnungssuche erspart blieb, und ich immer direkt am Arbeitsplatz war. Für die Unterkunft berechnete mir die NGO 300 USD im Monat, was leider weit über den lokalen Mietpreisen liegt. Deshalb zog ich nach 3 Wochen in ein Fremdenzimmer in der Stadt, das ich über ein Schild im Stadtzentrum ausfindig machen konnte. Dort lebte ich bis zum Ende meines Praktikums.

Durch diese Nähe zum Team war ich schnell in das Wissenschaftsleben vor Ort integriert: Schon wenige Tage nach meiner Ankunft nahm ich an den ersten Ausfahrten teil um die Haipopulationen im Schutzgebiet über und unter Wasser zu beobachten und die Fragen zu beantworten: Wie viele Haie welcher Art befinden sich wo? Wie verhalten sie sich? Wie reagieren sie auf die Störungen durch den Menschen? Dafür wurde mir durch meinen Vorgesetzten, Dr. James Ketchum, und die anderen Studenten genauestens erklärt wie die Beobachtungsprotokolle auszufüllen sind, auf welche Feinheiten beim Beobachten der Tiere zu achten ist und wie verschiedene Verhaltensweisen interpretiert werden können. Da Tauchen mit Bullenhaien auch Risiken birgt, wurde mir außerdem eine ausführliche Belehrung zur Sicherheit bei den Tauchgängen gegeben. Die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen war dabei immer fruchtbar und die vielen kleinen Hindernisse, die sich bei der Feldarbeit ergaben, konnten wir meistens schnell aus dem Weg räumen. Bei der Planung der Exkursionen für bis zu 7 Teilnehmer in den verlassenen Nationalpark für mehrere Tage kam es verständlicherweise manchmal zu logistischen Problemen, und so standen wir zeitweise ohne Lageplan, ohne Transportmöglichkeit oder ohne Ausrüstung da. Die lokalen Einwohner und unser Team halfen aber in solchen Situationen immer zusammen und so konnte jede einzelne Exkursion erfolgreich abgeschlossen werden, d.h. mit einer Menge Daten und mit Sicherheit und Spaß bei der Arbeit. Meine persönlichen Ziele, nämlich die Verbesserung meiner praktischen Fähigkeiten bei der Feldarbeit im Haischutz, die Konfrontationen mit Theorien und Methoden in der Verhaltensbiologie, und der Ausbau meiner Spanischfertigkeiten, konnte ich von Anfang an effektiv verfolgen, und das ganze machte auch noch riesig Spaß, da mich die anderen Studenten z.B. in die lokale Kultur einführten, viele versteckte Orte an den Stränden Baja Californias zeigten oder mich mit in die Uni nahmen, wo ich an ihrem Studienalltag teilnahm.

Die große Gastfreundlichkeit und Geduld meines Teams zahlte ich zurück durch viel Arbeit am Projekt und durch einen kostenlosen Kurs in ökologischer Statistik, den ich den Studenten und Wissenschaftlern über zwei Tage gab, um die Methoden, die mir an den deutschen Universitäten vermittelt worden waren, auch für die ansässigen Meeresforscher zugänglich zu machen. Der Kurs war ein voller Erfolg für beide Seiten. Ich kann wärmstens empfehlen an der Gasteinrichtung so viel wie möglich solch einen Wissensaustausch zu betreiben, das verbindet Menschen und Ideen. Einer anderen deutschen Studentin half ich beispielsweise beim Design ihrer Fragebögen einer sozioökonomischen Studie zu den historischen Ausmaßen des Fischfangs von Haien und durfte daraufhin auch an ihren Exkursionen teilnehmen und selbst Interviews führen, wodurch ich wiederum viel lernen konnte.

La Paz ist eine besonders ruhige mexikanische Stadt, ist aber nicht von der generell hohen Kriminalität verschont, die das Land seit Jahren heimsucht. Das war für mich von Anfang an ein Grund vorsichtig zu sein, und ich versuchte mir auch schnell die Verhaltensweisen der Einheimischen abzuschauen und in Erfahrung zu bringen zu welchen Uhrzeiten welche Gebiete der Stadt besser nicht betreten werden. Es ereigneten sich keine Zwischenfälle und ich kann aus persönlicher Erfahrung nun sagen, dass ich diese Region von Mexiko nicht für zu gefährlich für einen Gastlandaufenthalt halte. Zwar herrscht auf den Straßen und in den Wohngebieten von La Paz eine erhöhte Wachsamkeit, aber wer sich nicht bewusst in Risiko stürzt, der wird nur freundliche Menschen kennenlernen. Andere Eigenheiten des Alltags haben mir dann auch ein bisschen Gewöhnungszeit abverlangt: der unregelmäßige öffentliche Transport, der lockere Umgang mit Terminen, Zusagen und Pünktlichkeit, die allgemein schlechte Internetverbindung, oder die Essensgewohnheiten. Dies waren aber keine Hürden, sondern mein Aufenthalt wurde dadurch auch im Hinblick auf kulturelle Besonderheiten spannend.

Bei mir ergab sich nach einigen Wochen begeisterter Forschungsarbeit leider, dass ich ernsthaft krank wurde. Nachdem sich die Symptome mehrten, brachten mich meine Kollegen in eine lokale Arztpraxis und ich bekam eine Krankheit diagnostiziert, die mich von diesem Zeitpunkt an ans Bett fesselte und außerdem mit der Aussicht auch nach Genesung mindestens einen Monat nicht tauchen zu können auch meine Projektplanung zunichtemachte. Andere Studenten und Praktikanten übernahmen meine bisherigen Ergebnisse und begannen meine Arbeit fortzuführen. Als sich keine merkliche Besserung einstellte beschloss ich meine Genesung in einer sichereren und ruhigeren Umgebung Deutschland fortzusetzen und meinen Aufenthalt abzubrechen. „Pelagios Kakunjá“ zeigte sich da sehr kooperativ und half mir trotzdem mein erstes Teilprojekt (Design von Fragebögen für Tauchtouristen, Durchführen der ersten Interviews, regelmäßige Aufzeichnung der Anwesenheit und des Verhaltens von Bullenhaien) abzuschließen. Das International Office der Uni Bremen half mir auch bei verkürztem Förderzeitraum ein Teilstipendium des DAAD zu bekommen, wofür ich sehr dankbar bin.

Zusammenfassend war der Aufenthalt menschlich und akademisch ein großer Gewinn, leider zu kurz, und ich konnte meine Ideen für ein Ph.D.-Thema nach dem Masterstudium deutlich besser sortieren und eingrenzen und habe viele Kontakte geknüpft. Ich denke das sollte ein Hauptziel eines Praktikums während der Studienzeit sein.