Vorbereitung
Neben meinem Masterstudium im Bereich Produktionstechnik arbeitete ich als HiWi. Ich erkundigte mich bei meinem damaligen Vorgesetzten nach interessanten Firmen mit Sitz im Ausland, bei denen ich ein freiwilliges Praktikum absolvieren könnte. Aufgrund positiver Berichte von Freunden und Verwandten, sowie aus eigenem Interesse favorisierte ich die skandinavischen Länder. Mein Vorgesetzter stellte Kontakt zu Swerea KIMAB her und es ergab sich ein Bewerbungsgespräch auf einer kurz darauf stattfindenden Messe. In Schweden gilt in vielen Fällen das gesprochene Wort, sodass oft explizit nach Verträgen gefragt werden muss.
Formalitäten

Ein kürzerer Schweden-Aufenthalt erfordert keine besonderen Formalitäten, da Schweden EU-Mitgliedsstaat ist. Demnach ist ein Personalausweis / Reisepass zur Einreise ausreichend.

Für einen längeren Aufenthalt oder bei einem vergüteten Praktikum ist es empfehlenswert sich vom schwedischen Finanzamt („Skatteverket“) eine „Personnummer“ ausstellen zu lassen. Jeder Schwede besitzt eine eigene Nummer, da sie im Alltag sehr häufig gebraucht wird. Beispielsweise gestaltet sich eine Anmeldung zu einem Sprachkurs oder einem Fitnessstudio, sowie die Wohnungssuche ohne „Personnummer“ äußerst schwierig. Die „Personnummer“ ist auf der „ID-Kort“ (einer Art Personalausweis) vermerkt, die man ebenfalls beim Finanzamt beantragen kann. Die Nummer ermöglicht auch einen problemlosen Arztbesuch, da man durch Besitz der Nummer automatisch in Schweden krankenversichert ist. Man sollte sich im Vorfeld gründlich über das schwedische Gesundheitssystem informieren, da es gewisse unterschiede zum deutschen Äquivalent gibt, was sich zum Beispiel bei der Arztwahl äußert. www.1177.se gibt hilfreiche Informationen zu allen Themen rund um das schwedische Gesundheitswesen.

In Schweden fast ausnahmslos mit Kredit-/Debitkarte oder Bezahl-Apps wie z.B. „Swish“ bezahlt. So ist es nicht ungewöhnlich die Brötchen beim Bäcker mit Kreditkarte zu bezahlen, da dieser oft kein Bargeld annimmt. Daher sollte man unbedingt eine Kreditkarte mitnehmen und sich zuvor erkundigen, ob diese auch im Ausland einsetzbar ist.

Anreise und öffentliche Verkehrsmittel
Meine Anreise erfolgte über einen Direktflug von Hamburg nach Stockholm Arlanda. Dieser Flughafen ist etwa eine Stunde vom Stadtzentrum entfernt, sodass ein zusätzliches Zug- oder Busticket („Flygsbussarna“) erforderlich ist, um in die Stadt zu gelangen.

Innerhalb Stockholms liegt ein sehr gut ausgebautes Bus- und U-Bahn-Netz („Tunnelbana“) vor. Mit dem Erwerb einer „SL-card“ kann man beides im gesamten Stadtgebiet fahren. Zudem ergänzen Fähren und Kurzstreckenzüge den Nahverkehr. Alle Nahverkehrsmittel sind durchweg pünktlich und sauber. Vergünstigungen für Studierende gelten leider nur für diejenigen, die auch tatsächlich an einer Stockholmer Einrichtung immatrikuliert sind.

Weiterhin ist Stockholm äußerst fahrradfreundlich und mit dem Kauf einer „City Bikes“-card kann man sich an unzähligen Stellen in der Stadt Fahrräder ausleihen.
Im Falle einer Taxifahrt sollte im Vorfeld der Preis abgeklärt werden, da man ansonsten teilweise überhöhte Preise zahlen muss.

Unterkunft
Die Wohnungssituation in Stockholm ist äußerst angespannt. Zum einen sind die Mietpreise enorm hoch und zum anderen sind viele Wohnungen nur über teilweise jahrelange Wartelisten verfügbar. Im Allgemeinen ist der Wohnungsmarkt für Außenstehende nur schwer durchschaubar, da Wohnungen – oft nur zur Untermiete verfügbar sind. In einer zentrumsnahen Wohnlage kostet ein Zimmer in einer WG etwa 1000 € im Monat. Einen Platz im Studentenwohnheim bekommt man meiner Erfahrung nach auch nur wenn man direkt an einer Stockholmer Universität studiert. Daher war ich überaus glücklich, dass ich über eine Mitarbeiterin ein Zimmer bekommen konnte. Dieses lag sogar sehr zentrumsnah auf der Insel Kungsholmen, sodass ich weder zur Arbeit, noch für Freizeitaktivitäten große Wege zurücklegen musste.

Allgemein empfiehlt es sich für die Wohnungssuche den Arbeitgeber um Hilfe zu bitten, da Wohnungen teilweise bevorzugt an Firmen vermietet werden. Oftmals haben Arbeitgeber auch Kontakt zu Vermittlerfirmen, die das Bindeglied zwischen Vermieter, Arbeitgeber und Mieter darstellen.

Ansonsten empfiehlt sich “blocket“ – das schwedische Äquivalent zu Ebay für die Wohnungssuche. Bei der Suche über soziale Medien ist Vorsicht geboten, da diese oftmals zwielichtige Angebote enthalten.

Praktikum
Ich war als Praktikant im Bereich der Pulvermetallurgie und des Additive Manufacturing tätig. Während des Praktikums bekam ich verantwortungsvolle und vielseitige Aufgaben übertragen. Zu meinen Aufgaben gehörten die Planung und Durchführung von Versuchen, sowie das Verfassen von Berichten und der Kontakt mit Kunden. Ich musste zudem meine Ergebnisse regelmäßig auf präsentieren und konnte mir dabei von Kollegen neue Anregungen und Verbesserungsvorschläge einholen. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit, durfte ich auch mit sehr teuren Geräten, wie beispielsweise einem 3D-Drucker für Metall arbeiten. Zudem wurde ich sehr gut in den Firmenalltag eingebunden, d.h. ich konnte an Besprechungen teilnehmen, durfte an Firmenbesichtigungen teilnehmen und wurde auch privat von Kollegen zu gemeinsamen Aktivitäten eingeladen.

Ich konnte die Arbeitszeiten flexibel wählen und bei Bedarf ohne größere Absprachen Urlaub nehmen. Zu einem gewissen Anteil war auch Arbeit von zu Hause aus möglich.

Anfangs gab es geringfügige sprachliche bzw. interkulturelle Missverständnisse, die aber sehr gut aufgenommen wurden und auch nur in den ersten Tagen vorkamen. Die Kollegen waren durchweg sehr freundlich, hilfsbereit und aufgeschlossen, sodass ich mich zu keinem Zeitpunkt unwohl fühlte.

Nach dem Praktikum wurde mir eine Masterarbeitsstelle angeboten, die ich gerne annahm. Die Masterarbeit war thematisch in einem ähnlichen Bereich angesiedelt, sodass ich von den Erfahrungen aus dem Praktikum profitieren konnte. Der Zeitraum der Masterarbeit wurde ebenfalls durch Erasmus gefördert.

Freizeitangebote, Kulturelles
Stockholm ist Schwedens Hauptstadt und bezeichnet sich auch gerne als Hauptstadt Skandinaviens. Im direkten Stadtgebiet leben ca. eine Million Menschen. Je nach Stadtviertel kann man sowohl durch eine schöne Altstadt schlendern, oder Museen und Nachtleben genießen. Obwohl Stockholm eine Großstadt ist, ist sie nur an wenigen Stellen hektisch und laut. Viele Parks, Felsen und unzählige Wasserflächen lockern das Stadtbild auf.

Stockholm liegt eingebettet in eine wunderschöne Insellandschaft. Dieser „Schärengarten“ besteht aus ca. 30 000 Inseln und Inselchen, die sich in die Ostsee erstrecken und von Wald, Blaubär-Büschen und Felsen geprägt sind. Zahlreiche Fähren ermöglichen den Besuch verschiedener Inseln, auf denen unter anderem auch die bekannten bunten Holzhäuser zu sehen sind. Zudem kann man die Natur mit mietbaren Kajaks, Fahrrädern, oder im Winter auch mit Schlittschuhen erkunden. Weiterhin besteht die Möglichkeit nahegelegene Städte wie z.B. Uppsala, Göteborg oder Helsinki mit dem Zug, Flugzeug oder der Fähre zu erreichen.

Aufgrund der geographischen Lage Stockholms, sind die Sommernächte extrem kurz, da die Sonne extrem früh auf- und spät untergeht. Allerdings sind dadurch auch die Wintertage von langer Dunkelheit geprägt, die auf die Stimmung schlagen kann. Allgemein ist es in Stockholm etwas kühler als in Deutschland und Winter sind viele Seen über Wochen zugefroren, sodass Schlittschuhlaufen problemlos möglich ist. Auch anderen Wintersportarten, wie z.B. Cross Country Skiing, Curling oder Eishockey kann man vielerorts nachgehen. Allerdings werden manche Wege nur spärlich geräumt und gestreut, sodass sich Spikes an den Schuhen empfehlen.

Sowohl in der Arbeit, als auch in der Freizeit kommt man in Schweden mit Englisch sehr gut zurecht. Die meisten Schweden sprechen weit besseres Englisch als man selbst. Dennoch habe ich aus persönlichem Interesse bei der schwedischen Volkshochschule „Folkuniversitetet“ mehrere Schwedisch-Kurse besucht. Schwedisch weist viele Ähnlichkeiten mit Deutsch und Englisch auf, sodass es (verhälnismäßig) leicht erlernbar ist.

Das Leben in Stockholm ist relativ teuer. Ein gewöhnlicher Supermarkteinkauf kostet etwa doppelt so viel wie in Deutschland. Andererseits haben fast alle Geschäfte auch sonntags geöffnet. Viele Freizeitangebote bieten vergünstigte Preise für Studierende an, die aber oft nur für diejenigen gelten, die an einer Stockholmer Universität immatrikuliert sind. Auch das Nachtleben ist sehr kostspielig, da sowohl die Eintrittspreise, als auch kosten für alkoholische Getränke die Preise in Deutschland teilweise um ein Vielfaches übersteigen. Ferner ist der Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit verboten und für die meisten alkoholhaltigen Getränke kann man außerhalb von Bars nur in einem speziellen Laden „Systembolaget“ kaufen.

Trotz der geographischen Nähe fallen einige kulturelle Unterschiede auf. Beispielsweise besteht in Schweden zum Teil eine große Technikaffinität: Anstelle eines Hausschlüssels gibt es ein Nummernpad, für manche Fitnessstudios muss man seinen Fingerabdruck einscannen und auch Kleinstbeträge werden mit Kreditkarte bezahlt oder per App überwiesen. Weiterhin ist die Stadt sehr sauber und weist eine hervorragende Infrastruktur auf. Andererseits fällt es schwer Kontakte zu knüpfen und beispielsweise in der U-Bahn wird in der Regel kaum geredet. Allerdings sind die meisten Leute ausgesprochen hilfsbereit und freundlich, wenn sie nach etwas fragt oder um Hilfe bittet. Über Apps wie „meetup“ oder Facebook-Gruppen ist es dennoch möglich Freunde zu finden. Leider gab es kaum Möglichkeiten sich mit anderen Erasmus-Studierenden zu treffen, da ich aufgrund meines Praktikums an vielen unter der Woche stattfindenden Aktivitäten nicht teilnehmen konnte und keine wirklichen Kontakte mit anderen Erasmus-Studenten hatte.

In Stockholm kann man unzählige Museen besichtigen. Besonders hervorzuheben sind das Vasa-Museum, in dem ein perfekt erhaltenes, auf seiner Jungfernfahrt gesunkenes antikes Holzschiff ausgestellt ist, sowie das Freilichtmuseum Skansen, in dem skandinavische Tiere und Traditionen lebhaft näher gebracht werden. Zu den kulturellen Höhepunkten zählen typisch skandinavische Feste, wie z.B. Midsommar oder das Lucia Fest.

Auch kulinarisch hat Stockholm einiges zu bieten, neben den allseits bekannten Köttbullar sind auch Spezialitäten wie z.B. Elch- und Rentierfleisch zu finden. Es gibt zudem viele maritime Speisen wie z.B. Flusskrebse, Kaviar oder alle möglichen Fischgerichte.

Fazit
Ich empfand das Auslandspraktikum als vollen Erfolg. Zum einen verbinde ich viele schöne Erinnerungen mit Stockholm, wie zum Beispiel die Midsommar-Feier oder unzählige Ausflüge in die schöne Natur. Zum anderen ebnete dieses Auslandspraktikum meinen Weg in meine berufliche Zukunft: Im Anschluss an das zunächst für ein halbes Jahr geplante Praktikum ergab sich die Möglichkeit meine Masterarbeit ebenfalls im selben Unternehmen in Stockholm zu schreiben. Daraufhin wurde mir von diesem Institut sogar eine Stelle angeboten, sodass ich nun auf unbestimmte Zeit in Stockholm bleiben werde.

Weiterhin half das Praktikum mir meinen Horizont vielfältig zu erweitern. Zum einen konnte ich meine Sprachkenntnisse in Englisch ausbauen und zum anderen Schwedisch als komplett neue Sprache lernen. Außerdem lernte ich eine in andere Kultur kennen und schätzen. Auch auf schwedischer Seite bestand großes Interesse an meiner Heimat, sodass ein wirklicher kultureller Austausch stattfinden konnte.

Zusammengefasst war ich mit meinem Praktikum sowie Schweden im Großen und Ganzen sehr zufrieden und kann einen Auslandsaufenthalt in diesem Land nur empfehlen.