Warum ein Praktikum im Ausland?
In meinem Studiengang „English-Speaking Cultures“ ist ein Auslandssemester planmäßig vorgesehen. Während Profilfächler dieses an einer Universität im englischsprachigen Ausland absolvieren müssen, steht es Komplementärfächlern frei dieses entweder an einer Universität oder als Praktikum durchzuführen. Da ich in meinem Profilfach „Kommunikations- und Medienwissenschaft“ ebenfalls ein Praxissemester vorgesehen ist, entschied ich mich dazu beides zu kombinieren und neben umfangreichen Sprachkenntnissen auch etwas Praxiserfahrung zu sammeln.

Organisation
Die Organisation meines Praktikums stellte sich zunächst als relativ schwierig heraus. Da ich mein Praktikum am liebsten in einer Werbeagentur gemacht hätte, suchte ich mir eine Vielzahl von Unternehmen heraus, die für meine Bewerbung in Frage kamen. Mit Hilfe von Thomas Obieglo vom Career Center feilte ich dann an meinem englischen Lebenslauf, der sich sehr vom deutschen unterscheidet. Einige arbeitsintensive Wochen folgten, in denen Bewerbungen geschickt und anschließende Anrufe bei den Unternehmen getätigt wurden. Leider gab es bei vielen Unternehmen keine Rückmeldungen, bzw. es wurde nur gesagt dass die Bewerbung entweder nicht angekommen sei oder sich jemand melden würde. In den meisten Fällen war dies leider nicht der Fall. Bei einem Unternehmen in Dublin hatte ich jedoch Erfolg und wurde zum Skype-Interview eingeladen. Vor dem Gespräch war ich ziemlich aufgeregt, was sich dann aber als unbegründeten herausstellte, da meine Kontaktperson im Unternehmen mich vergessen hatte. Nach mehrfachem Versuch sie telefonisch zu erreichen, gab ich schließlich auf. Fünfzehn Bewerbungen und ein großes Maß an Frustration später, erfuhr ich durch eine Kommilitonin vom International Placement Office (ISPO), das Praktika an internationale Studenten im Raum Nottingham vermittelt. Hierbei bewirbt man sich ausschließlich auf eine Stellenausschreibung und der Name der Firma ist bis zum Zeitpunkt eines Interviews unbekannt. Endlich zahlte sich die Arbeit an den Bewerbungen und dem Lebenslauf aus. Ich wurde zu einem Interview mit der Firma Weiss Technik UK LTD eingeladen und diesmal funktionierte alles. Meine Ansprechpartnerin stellte mir ein paar Fragen zu meinen bisherigen Erfahrungen und bedankte sich für das Gespräch. Noch am gleichen Nachmittag bekam ich dann die Zusage für meinen Praktikumsplatz bei Weiss Technik in Loughborough.

Praktikum
Weiss Technik UK LTD ist der britische Ableger des deutschen Unternehmens Weiss Technik GmbH mit Sitz in Reiskirchen-Linderstruth. Neben dem Hauptsitz in Deutschland hat das der Schunk-Group angehörige Unternehmen Sitze in Ländern wie Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Auf seiner Website beschreibt Weiss Technik sein Leistungsspektrum wie folgt: „Weiss Umwelttechnik ist einer der innovativsten und bedeutendsten Hersteller von Umweltsimulationsanlagen. Mit unseren Prüfsystemen können verschiedene Umwelteinflüsse rund um den Erdball und sogar darüber hinaus im Zeitraffer simuliert werden. Ob Temperatur-, Klima-, Korrosions-, Staub- oder kombinierte Stressprüfung: Wir haben die passende Lösung. Wir liefern Systeme in allen Größen, von Serienausführungen bis zu kundenspezifischen, prozessintegrierten Anlagen für hohe Reproduzierbarkeit und präzise Prüfergebnisse.“ Zu ihren Produkten gehören Pflanzenwuchsschränke, die hauptsächlich von Universitäten und Laboren gekauft werden. Weiss Technik UK beschäftigt derzeit etwa zweihundert Mitarbeiter, die auf die unterschiedlichen Standpunkte Ebbw Vale, Wales und Loughborough, England aufgeteilt sind. Die Aufgaben beschränken sich auf die Bereiche Sales, Service und Produktion. Meine Aufgabe war es, die Social Media Kanäle des Unternehmens zu übernehmen und das Online- Marketing voranzutreiben. Hierbei war ich für LinkedIn, Facebook und Twitter zuständig, erstellte regelmäßig Posts, entwickelte eine neue Kommunikationsstrategie und bekam eigene Marketingprojekte, wie die Umgestaltung der Produktwebsite. Auch das Schreiben von Presseberichten gehörte zu meinen Aufgaben. Alle von ISPO organisierten Praktika sind unbezahlt, jedoch kommen die Unternehmen für eine Unterkunft sowie ggf. anfallende Transportkosten zur Arbeit auf. Für mich persönlich ein guter Kompromiss, da die meisten Praktika in Großbritannien sowieso unbezahlt sind.

Leben in Großbritannien
Das Leben und Arbeiten in Großbritannien unterscheidet sich auf jeden Fall von Deutschland. Ich hatte den Eindruck, dass hier vieles entspannter gesehen wird als in Deutschland. Auch in der Arbeitswelt läuft vieles persönlicher ab, so adressiert man E-mails beispielsweise nicht wie in Deutschland üblich an „Frau/Herrn Soundso“, sondern spricht Kunden und Geschäftspartner direkt mit Vornamen an. Auch an einige kulturelle Dinge musste ich mich erst gewöhnen. Es scheint sehr stereotypisch, aber Engländern lieben es sich anzustellen. So übersah ich relativ am Anfang meiner Zeit hier die Schlange für den Bus und stellte mich wie aus Deutschland gewohnt einfach vor die Bustür, bis mir jemand auf die Schulter tippte und sagte „Excuse me, there’s a queue“. Auch dass man die Hand herausstrecken muss, damit ein Bus überhaupt an einer Haltestelle hält und man einsteigen kann, war für mich neu. Generell habe ich die Briten aber als sehr höflich empfunden. So hört man das Wort „sorry“ relativ oft, sogar wenn man beispielsweise aus Versehen im Supermarkt jemanden anrempelt, kann es gut sein, dass diese Person sich selbst entschuldigt ohne überhaupt etwas falsch gemacht zu haben. Auch „Excuse me“ gehört zum Standardwortschatz der Briten.

Da ich mein Praktikum in einem kleineren Ort in den East-Midlands gemacht habe, versuchte ich möglichst viel von Großbritannien zu sehen. Da eine gute Freundin von mir zur gleichen Zeit ein Praktikum in Nottingham absolvierte, unternahmen wir gemeinsam viele Ausflüge mit der Organisation „Citylife Nottingham“. Neben diversen Bar Crawls und Social Events organisieren diese Ausflüge für internationale Studenten und Praktikanten. So verschlug es uns unter anderem nach Edinburgh, Brighton und Cambridge. Ich kann Euch nur empfehlen während Eures Praktikums möglichst viel von Eurem Gastland zu entdecken, ihr seid schließlich höchstwahrscheinlich nur einmal in dieser Situation und lernt dadurch Land und Leute noch besser kennen.

Fazit und Tipps
Insgesamt kann ich sagen dass meine Zeit in England trotz Höhen und Tiefen sehr wertvoll war. Ich muss zugeben dass mein Praktikum an sich sehr durch eigenverantwortliches Arbeiten geprägt war, so dass ich mir manchmal förmlich Aufgaben suchen musste, aber auch das hat mich voran gebracht. Dadurch habe ich gelernt eigene Strategien zu entwickeln und selbstständig produktiv zu arbeiten. Großbritannien ist ein sehr gastfreundliches Land und es gibt immer viel zu entdecken. Auch gemütliche Abende in einem Pub gehören natürlich zu dieser Erfahrung dazu.

Tipps
Ich kann Euch nur empfehlen Euch frühzeitig um organisatorische Dinge, wie Euren Lebenslauf und in Frage kommende Unternehmen zu kümmern. Der Prozess ist relativ langwierig und kann auch oftmals ganz schön nervenzehrend sein, aber bleibt dran, es lohnt sich! Mir hat zum Beispiel der Weg ins Career Center wirklich geholfen, da ich zu Anfang überhaupt keine Ahnung hatte wie man so einen englischen Lebenslauf schreibt und auch die Literatur dazu nicht wirklich hilfreich war. Da meine Unterkunft für mich organisiert wurde kann ich hierzu leider nicht so viel sagen, außer dass ich von anderen Studenten gehört habe, dass wohnen in England ziemlich teuer ist. Also informiert Euch gut und lasst euch nicht abzocken, es gibt immer schwarze Schafen die denken sie könnten ausländische Studenten ausnutzen.

Da ich persönlich es relativ schwer fand neben der Arbeit Leute in meinem Alter kennen zu lernen, würde ich vorschlagen sich über Organisationen wie zum Beispiel die Students Union der ortsansässigen Uni, oder andere studentische Organisation zu informieren. Hier trifft man schnell auf junge, aufgeschlossene Leute. Zu guter letzt möchte ich noch sagen, dass es sich wirklich lohnt den Weg ins Ausland zu gehen. Neben der Verbesserung Eurer Sprachkenntnisse und umfangreicher Praxiserfahrung, lernt ihr auch noch mehr über euch selbst. Ihr schaut über Euren Tellerrand hinaus und erlebt nebenbei noch ein paar Monate abseits der heimischen Uni. Besser könnte es doch eigentlich nicht sein. 🙂