Im Rahmen meiner Doktorarbeit am Institut für Umweltphysik der Universität Bremen absolvierte ich einen 3-monatigen Forschungsaufenthalt am norwegischen Polarinstitut (NPI) in Tromsø, Norwegen vom 01.09.17 bis 30.11.17.

Leben nördlich des Polarkreises
Tromsø liegt 344 km nördlich des Polarkreises und ist hinter Murmansk die 2. größte Stadt auf dieser Höhe. Die Stadt lebt von Forschung, Lehre, Verwaltung und der Fischerei. Der Hauptteil der Stadt liegt auf der kleinen Insel Tromsoya umgeben von Fjorden und Bergen. Auf ca. 23 km² wohnt hier ein Großteil der 75.000 Einwohner. Auch sind hier die Hauptarbeitgeber wie etwa die Universität, das Universitätsklinikum, die Fischereihochschule und das Framcenter zu finden. Da ein Großteil der Arbeitgeber Forschungseinrichtungen und Universitäten sind, ist das Durchschnittsalter in Tromsø sehr niedrig und es herrscht eine sehr angenehme, kulturell und intellektuell geprägte Atmosphäre.

Mit 75.000 Einwohnern hat Tromsø gerade mal die Größe einer Kleinstadt. Trotzdem gibt es ein sehr gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz und es lassen sich fast alle Orte bequem mit dem Bus erreichen. Auch das kulturelle Angebot an Museen, Theatern und Veranstaltungen ist für die größe der Stadt erstaunlich umfangreich. So besitzt Tromsø die nördlichste Kathedrale der Welt, das nördlichste Kammerorchester und viele kulturelle Veranstaltung mit dem Beinahmen “nördlichste”. Nicht umsonst wird die Stadt auch das Paris des Nordens genannt.

Tagsüber (vor allem an den Wochenenden) sind die Straßen der kleinen Innenstadt gefüllt mit zahlreichen Touristen, die per Schiff (Tromsø ist eine Station der Hurtigrouten) oder per Flugzeug anreisen. Auf der Insel Tromsoya gibt es unzählige, gut besuchte Restaurants und Bars und es lässt sich leicht vergessen, dass man sich hier an einem der nördlichsten Punkte der Zivilisation befindet. Kaum 5 km außerhalb der Stadt bietet sich eine gänzlich andere Szenerie. Tromsoya ist umgeben von Fjorden und Bergen und am Ufer der Fjorde stehen die gemütlichen norwegischen Holzhäuser. Meist gibt es nur eine Straße, die sich entlang der Fjorde schlängelt, so dass man für 50 km mit dem Auto schon mal über eine Stunde braucht. Die Berge laden zu ausgiebigen Wandertouren ein, auf fast jeden Gipfel führt ein Wanderweg hinauf.

Die abgeschiedene Lage Tromsøs hat seinen Preis und dieser wird vor allem in den Lebensunterhaltungskosten, welche selbst für norwegische Verhältnisse sehr hoch sind, deutlich.
So kostet ein Bier in der Bar im Schnitt 8 – 10 € (0.5 l) und auch in den Supermärkten sind gerade frische Lebensmittel sehr teuer.
Eine bezahlbare und vernünftige Unterkunft auf der Insel zu finden ist nur mit sehr viel Glück möglich. 8 m² Zimmer werden auf den üblichen Wohnungsmarktseiten schon gerne mal für 700€ und mehr pro Monat angeboten. Alternativen gibt es wenige, es sei denn, man sucht auch etwas weiter außerhalb und nimmt eine tägliche, längere Busfahrt in die Stadt in Kauf.
Meine Unterkunft lag in dem gut 20 km entfernten Ersfjordbotn, einer kleinen, gemütlichen Häuseransammlung umringt von Bergen und Fjorden. Mit dem Bus dauerte es in die Stadt ca. 40 Minuten. Die Landbusse fuhren zwar nicht sehr oft waren aber insgesamt sehr zuverlässig und kamen selbst bei Schneesturm einigermaßen pünktlich an.

Blick auf Tromsø und Tromsdalen vom 471 Meter hohen Berg Fjellheisen

Das Nordmeer vor Sommarøy’s Küste, einem beliebten Touristenziel in der Nähe von Tromsø

Leben und arbeiten in der Polarnacht
Mein Praktikum begann im Spätsommer und endete in der Polarnacht. Von September bis Mitte Oktober waren die Tage einigermaßen lang, so dass ich an den Wochenenden und auch nach der Arbeit ausgiebige Wandertouren unternehmen konnte. Spätestens ab November wurde jedoch deutlich, dass es nicht mehr viele Tage bis zur Polarnacht und zur ewigen Dunkelheit sind. Die Sonne zeigte sich, wenn überhaupt, nur noch 1 -2 Stunden am Tag. Solange genügend Schnee lag und der Himmel wolkenfrei blieb, war es auch in der Polarnacht einigermaßen hell. An den meisten Tagen hingegen gab es nur für einige Stunden Dämmerlicht am Tag. Sich daran zu gewöhnen dauerte einige Wochen. In den ersten Wochen bauchte ich deutlich mehr schlaf und es wurde immer schwieriger sich bei der Arbeit zu konzentrieren oder für Freizeitaktivitäten zu motivieren.

Arbeitsstelle- und Ablauf
Meinen Forschungsaufenthalt absolvierte ich am norwegischen Polarinstitut (NPI). Das NPI ist Norwegens zentrale Regierungsinstitution für wissenschaftliche Forschung, Kartierung und Umweltbeobachtung der Arktis und Antarktis und untersteht dem Ministerium für Klima und Umwelt. Dabei hat das NPI eine beratende Rolle. Alle norwegischen Firmen/Institutionen die eine Aktion in der Arktis oder Antarktis planen müssen sich von den Fachleuten des NPI vorher beraten lassen. Neben der oben genannten Aufgabe, ist es auch Ziel des NPI, wissenschaftliche Forschung im Bereich Klima (Ozean und Meereis) und Biodiversität im arktischen Raum zu betreiben und zu koordinieren. Mit über 180 Mitarbeitern und davon über 60 wissenschaftliche Mitarbeiter/Postdocs ist das NPI eine sehr große Forschungseinrichtung und gehört im Bereich der polaren Klimaforschung zu den weltweit führenden Institutionen.

Das NPI besitzt ein eigenes Forschungsschiff Lance (Ab Sommer 2018 wird das neue Forschungsschiff “Kronprinz Harald” einsatzbereit sein) mit dem Wissenschaftler des NPI aber auch von anderen Forschungseinrichtungen alljährlich mehrere Expeditionen in die Arktis durchführen.
Gesammelt werden auf diesen Expeditionen unter Anderem Daten über das Meereis, dem Schnee auf dem Meereis sowie ozeanographische- und Biodiversitätsdaten.

Daher haben die Wissenschaftler des NPI eine besondere Expertise im Erfassen und Auswerten von In Situ Messdaten im Arktischen Ozean und auf dem Meereis. Während meines Forschungsaufenthaltes arbeitete ich an einer Studie mit dem Microwave Emission Model for Layered Snowpack (MEMLS) und nutze für diese Studie Schnee- und Meereismessungen, welche während einer 5-monatiegn Messkampagne im Winter und Frühling 2015 (N-ICE2015) nördlich von Svalbard gesammelt wurden. Mit den Wissenschaftlern, die die Daten während der Messkampagne gesammelt hatten, vor Ort zu arbeiten und zu reden war sehr hilfreich. So konnten wir zusammen viele offene Fragen bezüglich der Daten diskutieren. Dies war vor allem in Bezug auf die Analyse der Ergebnisse meiner Studie sehr wichtig.

Vom 15.10. – 17.10. nahm ich an einem N-ICE2015 Workshop teil. Hier trafen sich Forscher aus der ganzen Welt um mögliche Zusammenarbeit bezüglich der N-ICE2015 Daten zu diskutieren und zu koordinieren. Dies war ein sehr interessanter Einblick in die Arbeitsweise internationaler Wissenschaftler.

Arbeiten bei -20°C
Zusätzlich zu meiner Arbeit an der Modellstudie arbeitete ich jeden Tag 1,5 Stunden im Eislabor. Dort präparierte und analysierte ich Zusammen mit Mitarbeitern des NPI Eisbohrkerne von verschiedenen Messkampagnen. Die Temperatur im Eislabor betrug ca. -20°C und entsprechend warm musste man sich ankleiden. In den etwas sperrigen Jacken und mit dicken Handschuhen bestückt ist es eine besondere Herausforderung mit den teilweise nicht mal Milimeterdicken Eisblöcken zu arbeiten. Die Arbeit umfasste das Zusägen der Eisbohrkerne in ca. 10 cm lange und 1 cm dicke Blöcke. Diese Blöcke wurden dann mit einem Mikrotom auf 5 mm Dicke geschliffen (sogenannte dick Schnitte) und unter diffusem Licht fotografiert. Anhand dieser Bilder analysierte ich die Verteilung der Luftbläschen im Eis. Anschließend wurden die Eisblöcke auf 1 mm Dicke geschliffen (sogenannte dünn Schnitte) und unter polarisiertem Licht fotografiert. Nun zeigt sich ganz deutlich die Struktur der einzelnen Eiskristalle und hieraus können Rückschlüsse auf das Wachstums des Eises und die Bedingungen während des Wachstums gezogen werden.

Eisbohrkern im Eislabor des NPI

Foto von einem Eisbohrkern dünn Schnitt aufgenommen unter polarisiertem Licht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fazit
Wer das Leben im hohen Norden kennenlernen, mit Wissenschaftlern aus aller Welt zusammenarbeiten oder die großartige Landschaft Nordnorwegens genießen will, dem kann ich ein Austauschsemester/Praktikum in Tromsø nur empfehlen. Die Universität und die Forschungseinrichtungen in Tromsø bieten auf jedenfalls genug Möglichkeiten. Näheren Kontakt zu Norwegern oder zu norwegischen Traditionen herzustellen ist in Tromsø allerdings schwierig, da die Einheimischen doch eher unter sich bleiben und man auf Veranstaltungen oder in den Bars/Restaurants überwiegend auf internationales Publikum trifft. Die 3 Monate am NPI haben mir sehr interessante Einblicke in die Arbeitsweise an einem internationalen Forschungsinstitut gegeben. Die Arbeit mit den Eisbohrkernen im Eislabor und der Austausch mit Experten im Bereich Schnee- und Eismessungen haben mir wichtige neue Erkenntnisse gebracht die für meine weitere Forschung sehr hilfreich sind.

Danksagung
Ohne die zahlreiche Unterstützung wäre dieser Auslandsaufenthalt nicht zustande gekommen. Deswegen will ich diesen Bericht nutzen um den Personen/Institutionen zu danken die diese Reise möglich gemacht haben. Danken möchte ich zum einem meinen Betreuer Gunnar Spreen und mein Co-betreuer und Host in Tromsø Sebastian Gerland für die Hilfe bei der Organisation der Reise und die gute Betreuung während meines Aufenthaltes. Weitere Dank geht an das ERASMUS+ Programm sowie an meine Doktorandenschule PIP für die notwendige finanzielle Unterstützung. Ohne diese wäre der Forschungsaufenthalt nicht zustande gekommen.