Zum Abschluss meines Masterstudiums zog es mich noch einmal ins Ausland, um dort ein Forschungsprojekt für meine Masterarbeit durchzuführen. Nachdem ich während des Bachelors schon ein ERASMUS-Semester in Norwegen verbrachte hatte, sollte es diesmal nach London gehen – den Regen ist man in Bremen schließlich gewohnt.

1. Vorbereitung
Ich hatte auf eigene Faust verschiedene Wissenschaftler in London angeschrieben, um zu erfragen, ob es in den jeweiligen Laboren noch Platz für einen Masterstudenten gebe. Nach vielen erfolglosen Versuchen wurde ich dann auch fündig: am Institute of Neurology (IoN) des University College London (UCL) war man in der Gruppe für experimentelle Neuroinflammation freudig bereit, mich als Praktikant aufzunehmen.

Dann musste alles schnell gehen: Innerhalb eines Monats wollte ich nach London und dort starten. Zum Glück konnte ich alle nötigen Unterlagen besorgen und den Antrag für den ERASMUS Grant noch einreichen. Alles weitere, inklusive der Anmeldung der Arbeit und BaföG Angelegenheiten, konnte das größtenteils per e-Mail erledigt werden – lediglich ein Dokument musste den weiten Postweg nach Deutschland finden, aber auch das lief reibungslos. In allen organisatorischen Belangen war Herr Bücken vom International Office ein hervorragender Ansprechpartner.

Ich hatte das Glück, vor meiner Ankunft nicht auf Wohnungssuche gehen zu müssen, da meine Freundin bereits in London lebte und ich daher bei ihr einziehen konnte. (Wie der ein oder andere vielleicht vermutet hat, war dies sicherlich der treibende Faktor für mich, mir einen Platz in London zu suchen.)

2. Das Praktikum
Zu Beginn musste noch einiges an Bürokratie – die in England offenbar ähnlich aufgeblasen ist wie man es aus Deutschland kennt – erledigt werden. Lizenzen mussten erlangt, Sicherheitsbestimmungen beachtet und Standardprozeduren gelernt werden. Aufgrund der sensitiven Art meiner Arbeit werde ich hier darauf verzichten, ins Detail zu gehen, ich konnte jedoch mit der Zeit immer selbstständiger im Labor arbeiten und war zum Glück nicht dazu verdammt, reine Literaturrecherche zu betreiben oder Daten zu analysieren. Dass das natürlich nicht komplett ausblieb, war angesichts dessen, dass ich meine Abschlussarbeit schreiben wollte, offensichtlich.

Die Atmosphäre in Büro und Labor war freundlich und professionell. Es herrschte reger Austausch über die aktuellen Projekte im Labor und so konnte man sich eventuell benötigter Hilfe immer sicher sein.

3. London
London ist – glaube ich – für jeden das, was er oder sie draus macht. Für die einen ist es unfassbar groß, für andere vor allem ein kultureller Hotspot, für wieder andere einfach nur viel zu teuer. Für mich ist es vermutlich eine Mischung aus vielen Aspekten: Ich habe mich auch nach sechs Monaten noch nicht an die schiere Größe Londons gewöhnt, viel eher jedoch an die fast unbegrenzten Möglichkeiten etwas zu unternehmen. Es gibt Restaurants aus wohl jedem Teil der Welt, faszinierende Museen, ausladende Grünflächen und eine Vielzahl an Events und Veranstaltungen. Ein persöhnliches Highlight sind definitiv das Natural History Museum (wer mag denn auch keine Dinosaurier?) und auf der anderen Seite des kulturellen Spektrums der Notting Hill Carnival (auch wenn ich für den normalen Besucher den Familientag empfehlen würde, um den betrunkenen Horden aus dem Weg zu gehen).

Das wenige, was es in London wohl nicht gibt ist Ruhe und Dunkelheit – und bezahlbare Mieten (etwa 1000€ im Monat für ein WG Zimmer sind leider durchaus üblich). Für Nachteulen sind die ersten beiden Punkte sicher kein Problem, ich habe aber während es kurzen Trips nach Hause gemerkt, wie sehr ich die Ruhe und Schwärze der Nacht in der Kleinstadt genieße und vermisse. Mein persönlicher Ratschlag: gute Vorhänge halten sowohl Geräusche als auch Licht aus dem Schlafzimmer.

Heutzutage kommt man ja auch nicht umhin, Terroranschläge einerseits und Brexit andererseits zu erwähnen, wenn man über London spricht, weshalb ich darüber auch schnell ein paar Worte verlieren möchte. Ich habe kein Vergleich wie London vor den gehäuften Anschlägen war, aber ich habe nicht das Gefühl, dass sich der Alltag für die meisten Bewohner großartig geändert hat. Dennoch bemerkt man eine klar erhöhte Polizeipräsenz, speziell auf Großveranstaltungen, und eine gewisse erhöhte Hellhörigkeit – da kann im Bus wenn dieser über eine Wasserflasche fährt schon schnell etwas Aufregung herrschen. Von Brexit dagegen merkt man eigentlich abgesehen von den Schlagzeilen nicht viel im Alltag. Nur wenn man sich näher mit jemandem unterhält, kommt das Thema schnell auf – und ich habe bisher noch mit keinem (offenen) Befürworter gesprochen.

4. Fazit
Im Allgemeinen hat mir mein Aufenthalt in London sehr gut gefallen, das größte Problem waren sicherlich die extrem hohen Mietpreise, die einem doch sehr regelmäßig sauer aufstoßen. Ich konnte aber die Zeit nutzen, mich sowohl professionell als auch persöhlich weiterzuentwickeln. Nachdem ich nun das zweite mal in den Genuss der ERASMUS Förderung gekommen bin, kann ich nur den Wert eines Praktikums im Vergleich zum Studium im Ausland betonen. Sicher hat beides seine Vorteile, dennoch lernt man vieles über den Alltag im Ausland (und auch zu Hause) erst kennen, wenn man sich den Problemen der arbeitenden Bevölkerung ausgesetzt sieht. Ich bin deshalb sehr dankbar für die Möglichkeit, sich einen solchen Aufenthalt fördern zu lassen, und kann nur jedem empfehlen, das in Erwägung zu ziehen.