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„Warum gibt es hier keine Kasse mehr?“ – Interview mit Paul W.

Schriftliches Interview mit Paul Wegener (Betriebsleitung im Cinespace)

Frage 1: Was waren die Hauptgründe dafür, Bestellautomaten im Kino einzuführen?

Paul W. : Zwei Gründe sind hier ausschlaggebend: Zum einen sind die Bestellautomaten ein grundlegender Schritt in der Digitalisierung der Systemgastronomie und des Bargeldlosen Zahlens. Zum anderen reduziert es den Personalaufwand, wobei die Automaten natürlich kein vollwertiger Personalersatz sind.

Frage 2: Wie haben sich die Arbeitsverläufe und die Rolle des Personals seitdem verändert?

Paul W. : Es gibt nun eine eigene Theke und Personalrolle für die Bestellungen an den Automaten. Diese ist losgelöst von der Kasse an der bei einer Person bestellt und auch bar gezahlt werden kann. Bis auf die Bestellungsabwicklung und das Ausrufen der Abholung bleiben die Prozesse gleich.

Frage  3: Welche Rückmeldung erhalten Sie von Ihren Mitarbeiter*innen zur Umstellung?

Paul W. : Es gab gemischte Resonanz. Einigen fehlt der persönliche Kundenkontakt und die Möglichkeit Kunden zu beraten. Außerdem kam auch der Vergleich zu Fast Food ketten, mit denen man uns auf einer Stufe sehen würde. Anderen wiederum gefiel irgendwann der reduzierte Kundenkontakt und, dass man nun keine Vollständige Abrechnung mehr machen muss. In jedem Fall war es aber eine Umstellung für alle.

Frage 4: Wie reagieren die Besucher*innen auf die Automaten? Gibt es bestimmte Gruppen die Schwierigkeiten haben?

Paul W. : Die Besucher*innen mussten sich anfangs ebenfalls damit auf etwas Neues einstellen und wir mussten uns etwas Mühe geben die Automaten aktiv zu bewerben. Inzwischen ist die Aufteilung Automaten-Bezahlkasse gleich 50-50. Ein großer lokaler Vorteil den wir haben ist die Bremer Freikarte, welche ein jährliches Guthaben von 60€ für Kinder und Jugendliche u. A. für Kinotickets beinhaltet und an unseren Automaten als Zahlungsmittel gültig ist.

Probleme haben wenn dann Personen fortgeschrittenen Alters (50-65 Jährige) was dazu führt, dass diese Personengruppe die Automaten eher meidet. Dies ist vor allem auf die Selbstbedienung und das selbstständige digitale Zahlen zurückzuführen.

Frage 5: Beobachten Sie eine Veränderung im Bestellverhalten – etwa in der Art und Menge der Käufe?

Paul W. : Die Besucher*innen bestellen auf jeden Fall größere Mengen an den Automaten und geben auch tendenziell mehr Geld aus, als bei einer Kasse mit einer Person. Zum einen, weil es anonymer ist und die Hemmschwelle zum Überkonsum damit niedriger und man weniger nachfragen muss und nach dem Amazon Prinzip einfach per 1-Click bestellen kann. Zum anderen kennen die Leute auch, da die persönliche Beratung wegfällt, nicht die Ideale Preiskombi oder Menüs für ihre Bedürfnisse, weswegen ein höherer Preis zustande kommt.

Frage 6: Kritisch gefragt: Geht durch die Automaten auch ein Stück persönliche Atmosphäre verloren?

Paul W. : Ja unweigerlich. Nicht nur der finanzielle Aspekt, wie zuvor erwähnt, des Kinobesuchs leidet für unsere Besucher*innen darunter, auch der persönliche Austausch mit dem Personal an der Kasse. Letzteres muss nicht zwingend etwas Negatives sein, viele schätzen auch den geringen Menschenkontakt, aber es macht das ganze mehr zu einem anonymen Geschäftsprozess als vorher.

Frage 7: Glauben Sie, dass wir uns als Gesellschaft durch solche Technologien auch ein Stück weit bewusst voneinander distanzieren?

Paul W. : An der These mag etwas dran sein, sie ist jedoch meiner Einschätzung nach nur ein marginaler Entscheidungsfaktor hinter der kapitalistischen Hauptentscheidung für solche Formen der Digitalisierung. Immerhin ist es für einen Betrieb profitabler digitale Zahlungen abzuwickeln und so gleichzeitig eine Personallast auf eine Maschine zu übertragen. Aus der Kunden Perspektive ist es dann höchstens ein netter Nebeneffekt, bei der Entscheidung für eine solche Technologie, nicht mit einem Menschen Reden zu „müssen“. Von bewusster, sozialer Distanzierung kann daher kaum die Rede sein.

Frage 8: Wie sehen Sie die Zukunft: Wird der Einsatz von Automaten weiter ausgebaut – oder sollte es eine Balance mit persönlichen Service geben?

Paul W. : Meiner Meinung nach ist eine persönliche Serviceinstanz unabdingbar und sollte immer in der Balance mit technologischen Fortschritten stehen. Gerade hierzulande ist die Technologie noch zu anfällig für Fehler und Ausfälle, weswegen wir bspw. immer genug Personal haben um einen Ausfall auffangen zu können. Über den Gastrobereich hinaus sehe ich einen Ausbau als durchaus sinnvoll, gerade in zu automatisierenden Prozessen wie Bürokratie oder dem medizinischen Sektor z.B. Apotheke.

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