Mehrsprachigkeit in der Primarstufe

Mehrsprachigkeit in der Primarstufe

  1. In der Lehrer*innenkonferenz diskutieren Sie die Empfehlungen für die jeweilige weiterführende Schule der einzelnen Schüler*innen. Für einen Schüler, der vor zwei Jahren nach Deutschland und nach einiger Zeit in der Vorklasse in Ihre Klasse gekommen ist, soll – lediglich aufgrund seiner Deutschkenntnisse – von einer Empfehlung für das Gymnasium abgesehen werden. Nehmen Sie auf Basis der Inhalte der Vorlesung Stellung dazu.
  2. Welche Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit – in der hier verstandenen breiten Sicht – in Schule und Unterricht (selbst als Schüler*in und/oder Praxiserfahrungen) haben Sie bislang gemacht? Diskutieren Sie die Erfahrungen vor dem Hintergrund dieser Vorlesung

  3. Was möchten Sie nach dem Besuch dieser Vorlesung bei Ihrer zukünftigen Unterrichtsgestaltung beachten? Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen dafür noch?

  4. Wie muss Schule unserer mehrsprachigen Gesellschaft gestaltet sein. Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Sie die Mehrsprachigkeit Ihrer Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten können?

1.

Ich finde es schwierig mit diesen bedingten Informationen eine Stellung zu dieser Meinung zu nehmen, da diese von den weitern Kontexten stark abhängig ist. Eine große Frage wäre z.B. in welchem Schulsystem bzw. Bundesland dieser Fall stattfindet. In Niedersachsen, welches noch eine Strikte Teilung in Gymnasial/Real/Hauptschule hat ist die Situation eine andere als in Bremen, welches die Oberschule und das Gymnasium anbieten.
Findet dieser Fall in Bremen statt, so ist zumindest verständlich, wenn man keine Empfehlung auf ein separates Gymnasium geben will – Die Gymnasien in Bremen haben aufgrund des hohen Andrangs einen sehr hohen Leistungsstandard. Zudem ist ein Abitur hier nur in 12 Jahren möglich. Dadurch bleibt oft auch wenig Zeit für ausgiebige Spracharbeit neben der Schule.
In diesem Fall wäre die Oberschule die bessere Wahl, die, sofern seine rein fachlichen Kompetenzen dafür genügen, auf Gymnasialen Niveau bestritten werden könnte. Hier kann auf den Schüler besser mit Spracharbeit eingegangen werden.

Spielt sich dieser Fall allerdings in einem anderen Bundesland ab, oder geht es auch um die Abstreitung des Gymnasialen Niveaus generell, so ist diese Aussage eher kritisch zu beurteilen. Der Schüler hatte noch wenig Zeit sich an die deutsche Bildungssprache zu gewöhnen. Eine solche zu Entwickeln dauert meist mehrere Jahre, abhängig davon wie gut die Bedingungen sind, unter denen der Schüler lernt.
Im Endeffekt muss jeder Schüler diese formelle Sprache erst lernen, aber ein*e Schüler*in mit Deutsch als Zweitsprache hat meist einen Nachteil in dem Erwerb dieser. Dadurch braucht er*sie länger.
Es ist klar, dass er das formelle Register noch nicht genügend beherrscht. Wenn er vor 2 Jahren nach Deutschland kam und jetzt schon die Grundschule verlassen soll, hatte er effektiv 2 Jahre, um das zu lernen, was die anderen Kinder in 4 lernen – und das obwohl er, wie bereits erwähnt, eigentlich sogar länger bräuchte.

Dennoch fehlen viele Rahmenbedingungen, um eine Endgültige Stellungnahme zu formulieren.
Es ist unklar, wieviel Spracharbeit mit dem Schüler schon geleistet wurde und wie sein derzeitiger Deutschstand ist. Hat er noch immer Probleme mit der mündlichen Sprachkenntnis, obwohl neben dem Unterricht Spracharbeit geleistet wurde, könnten weitere Probleme den Sprachlernprozess behindern.

2.

Generell gab es in der Klasse, in der ich hospitiert habe, viele SuS mit Deutsch als Zweitsprache bzw. generell einer Mehrsprachigkeit. Sehr prägnant im Bezug auf die heutige Vorlesung war jedoch ein Erlebnis in der Klasse. Einer unserer Schüler war noch einige Zeit in einer Vorklasse, um Deutsch zu lernen. Gegen Ende meiner Hospitationszeit kam er bereits einige Stunden zu uns in den Unterricht rein, um sein*e Klassenkamerad*innen kennenzulernen.
Schnell wurde jedoch klar, dass er immernoch große Probleme hat auf Deutsch zu kommunizieren und entsprechend überhaupt die Arbeitsaufträge zu verstehen.
Daher beschloss meine Mentorin, die Sitzordnung so zu ändern, dass neben ihm nun ein Schüler saß, der die gleiche Sprache wie er sprechen konnte. Dadurch konnte dieser Schüler nun wie ein Übersetzer zwischen uns und ihm arbeiten.

3.

Ich finde es sehr spannend mit den Schüler*innen ins Gespräch zu Ihrer Sprachbiografie zu kommen. Gerade der Fall mit der Schülerin, die nicht mehr türkisch sprechen konnte aufgrund der Scheidung ihrer Eltern ist das beste Beispiel dafür, wie viel hinter den Sprachkenntnissen der Schüler an Informationen stecken kann.
Das Format des Sprachenporträts finde ich entsprechend sehr interessant.

Gleichzeitig ist ein Unterricht, der auf die sprachliche Heterogenität einer Klasse eingeht, auch noch weit über meinem derzeitigen Erfahrungslevel. Die Arbeit mit SuS die einen teils nicht richtig verstehen hat sich auch im Orientierungspraktikum als schwer herausgestellt. Im Praktikum waren diese Situation dann zwar bewältigbar, allerdings nur mit viel Zeit und Aufmerksamkeit die man dann in diese*n eine*n Schüler*in investiert hat.
Das mag möglich sein, wenn man zu zweit in einer Klasse ist – als einzelne Lehrkraft braucht es aber andere Methoden hierfür.

4.

Wichtig sind vorallem Fachkräfte, die auch neben dem Unterricht Spracharbeit mit den SuS leisten können und mich als Lehrkraft ebenfalls beraten, wenn ich Hilfe im Unterricht brauche.
Dafür muss es aber auch Fachkräfte geben, die zu den diversen Sprachen der Schüler*innen das jeweilige know-how haben.

Gleichzeitig sollte Mehrsprachigkeit auch im Unterricht gefördert werden. Idealerweise nutzen wir die Mehrsprachigkeit als Vorteil für uns alle, als Lernmöglichkeit. Beispielsweise könnte man neben dem typischen Deutsch Unterricht auch die Mehrsprachigen Schüler mit einbeziehen und einige Wörter aus ihrer Sprache lernen.

Mehrsprachigkeit sollte nicht als etwas Schlechtes angesehen werden, sondern ebenfalls einen Einzug in den Unterricht finden.

One thought on “Mehrsprachigkeit in der Primarstufe

  • Starker Beitrag. Interessante Differenzierung zu Frage 1.
    Und die Bedeutung von Teamteaching für den Umgang mit einer Mehrsprachigkeit, die sich vor allem auf Sprachanfänger in der Unterrichtssprache bezieht, haben sie auch gut erfasst. Dazu passt ja auch das Beispiel, wo die Lehrerin in ihrem Praxiserlebnis sozusagen einen Mitschüler zum Teamteacher gemacht hat, weil er die Herkunftssprache des Neuzugewanderten verstand. Auch so kann es gehen. Wenn eine anerkennende Grundhaltung erst mal da ist, finden sich wirklich auch noch eher die guten Lösungswege…

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