Abschlussreflexion

Benennen Sie die für Sie zentralsten (mindestens zwei verschiedene, gerne auch mehr) theoretischen Erkenntnisse (auf allgemeine Konzepte oder empirische Studien aufbauend), die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei Bezug auf:
a.) unterschiedliche fachdidaktische Aspekte. Übertragen Sie, wenn möglich, die in der Ringvorlesung gewonnenen Erkenntnisse auf die Didaktiken der von Ihnen studierten Fächer.
b.) generelle Erkenntnisse zur Beziehungsarbeit in Schule und Unterricht.
Bitte benennen Sie für Aufgabenteil 1 konkret mindestens zwei relevante Literaturquellen  (Namen, Jahr, Titel). Hinweis: Die Vorlesungsfolien stellen keine Literaturquellen dar. Sie können jedoch gerne auf die Literatur zurückgreifen, auf die auf den Folien verwiesen wird.

Eine wichtige Erkenntnis war der Umgang mit konkreten Diskriminierungserfahrungen in der Schule, der insbesondere in den Vorlesungen zu Rassismus und Antisemitismus thematisiert wurde. Die Bedeutung des Schutzes und der besonderen Beachtung der Situation der Betroffenen ist hier besonders zu nennen (vgl. Bernstein/Diddens 2020, 46f.). Von besonderer Bedeutung ist in einem solchen Fall die Thematisierung des Problems der Diskriminierung. Hierbei ist eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Diskriminierungsformen, den Motiven und Gründen wichtig, um nicht ungewollt diskriminierende Ansichten zu reproduzieren, sondern stattdessen das Durchbrechen von Stereotypen und Feindlichkeit zu erreichen (vgl. Bernstein/Diddens 2020, 44ff., Mendel 2020, 39f.). Eine Zuschreibung einer vermeintlichen Andersartigkeit von Schüler*innen mit Diskriminierungserfahrungen ist eine Gefahr eines nicht ausreichend reflektierten Umgangs mit Diskriminierung (vgl. Fereidooni/Massumi 2015, 39f.). Wichtig ist es, die gesellschaftlichen und historischen Hintergründe von Stereotypisierung und Diskriminierung in die Antidiskriminierungsarbeit einzubeziehen (vgl. Mendel 2020, 40f.) Diese Bedeutung der Hintergründe und Umstände zeigt die Bedeutung, auch in anderen Fächern als den naheliegenden, wie Gesellschaftskunde oder Geschichte, Diskriminierung zu thematisieren und zu kritisieren, sowie die Gefahr einer ausbleibenden Reflektion von Diskriminierung. So ist die Konstruktion von vermeintlichen Menschenrassen ein naheliegendes Thema für den Geschichtsunterricht, aber die Legitimation von Rassismus durch Biologie und Medizin macht sie auch zu einem Thema des Biologieunterrichts (vgl. Arndt 2016, 30ff., Hoßfeld 2023, 375f.). Neu für mich waren die Informationen über (Neo)-Linguizismus und die Scheidung der deutschen Sprachsozialisierung in Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache und die Problematik eines mehrsprachlichkeitssensiblen Unterrichts, der aufgrund der Bedeutung der Sprache bei der Vermittlung des Unterrichtsinhaltes letztlich Relevanz für alle Unterrichtsfächer hat (vgl. Daase 2023, 76f., Stratilaki-Klein 2016, 164f.). Wie sehr das Sprachhandeln von Lehrkräften die Schüler*innen in der Kommunikation bestärken oder sie von ihr ausschließen können ist von besonderer Relevanz für das alltägliche Lehrerhandeln und zeigt, wie wichtig eine Sensibilisierung für Diskriminierungspotential im Lehrer*innenhandeln ist. (vgl. Vogel 2023, 446f.) 

  • Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen/-strukturen, schulkulturelle Aspekte, Handeln von Lehrkräften), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark – und warum? Hier können Sie aus Ihrer Sicht besonders gelungene oder auch weniger gelungene Beispiele reflektieren. Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen? Nehmen Sie konkret Bezug auf entsprechende Begriffe, Theorien, Konzepte, die Sie jetzt kennengelernt haben.

Die Auswirkungen der Ökonomie auf die Bildungserfolge und soziale Mobilität in Form von beispielsweise Klassismus haben in meiner eigenen Schulzeit eine große Rolle gespielt. Ich bin in einer sehr wohlhabenden Stadt auf ein Gymnasium gegangen. Die Zuschreibung eines vermeintlichen Unwillens, aus der Prekarität auszubrechen, zeigte sich in verschiedenen Situationen (vgl. Chassè 2016, 37f.). Einer Mitschülerin, die sich über hohe Kosten für Schulbücher beschwerte, wurde von einer Lehrkraft vorgehalten, das solle “einem die eigene Bildung schon wert sein”. Dass ein Schulbuch für 30€ für die finanziell abgesicherte Studiendirektorin sowie für die meisten Schüler*innen keine allzu große finanzielle Herausforderung darstellt, die Schülerin aber bereits auf ihre Mitschüler*innen angewiesen war, um die Fahrscheine für den Schulweg zu bezahlen, war für die Lehrkraft eine Frage der Wertschätzung des Bildungserfolgs und nicht ein Ausdruck der Armut. Auch die Frage der sprachsensiblen Unterrichtsgestaltung ist bedeutend für den Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft. Aus praktischer Erfahrung zeigt sich, dass Schüler*innen, die aus verschiedenen Gründen Schwierigkeiten im Umgang mit der deutschen Sprache haben, auch in anderen Fächern als Deutsch in Schwierigkeiten geraten, da der Unterricht nicht immer auf mögliche Verständnisprobleme sensibilisiert ist. Hier ist jedoch anzumerken, dass im Vergleich zu meiner eigenen Schulzeit die Sensibilität deutlich zugenommen hat und aktiv nach Lösungen für eventuelle Probleme gesucht wird. Die in der Vorlesung sehr gut aufgearbeiteten Einflüsse gerade auch von Zuschreibungen und Vorurteilen helfen, auch eigene Ansichten und Gedanken kritisch zu reflektieren und so hoffentlich Diskriminierung zu reduzieren. 

  • Zu welchen, mindestens zwei, Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium in Bezug auf das Modulthema UMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie Ihre Wahl.

Mehr erfahren würde ich gerne zur Problematik von Rassismus in der Schule und auch außerhalb der Schule. Mir scheint es so, dass Rassismus zwar oftmals abgelehnt wird, aber eine tiefere Auseinandersetzung mit rassistischen Ansichten und (auch unbewussten) Denkweisen dabei zu kurz kommt und es vielmehr bei Bekenntnissen zum Antirassismus ohne wissenschaftliches oder argumentatives Fundament bleibt oder gar Rassismus in der Argumentation reproduziert wird, beispielsweise das Argument “wir brauchen Ausländer, irgendjemand muss ja die Arbeit machen”. Auch das Thema Antisemitismus in der Schule würde ich gerne vertieft behandeln. Die Geschichte und Ausprägung des Antisemitismus ist komplex und die Problematisierung in der Bildungsarbeit erfordert, wie auch die Problematisierung anderer Formen der Diskriminierung, eine ausreichende Vorbereitung (vgl. Mendel 2020, 40f.) Gerne hätte ich auch eine tiefere Beschäftigung mit den Grenzen der Handlungsfähigkeit der Schule gesehen. Welche Probleme sollten Lehrkräften bekannt sein, welche sollten sie lösen können und welche entziehen sich ihrem Zugriff? Auch eine Verknüpfung mit der staatlichen Institution Schule und daraus resultierenden Konflikten mit Zielen der Antidiskriminierungsarbeit wäre interessant, beispielsweise im Hinblick auf die gesellschaftliche Organisation und Verteilung von Wohlstand und Arbeit und eine Vertiefung der Behandlung von institutionellem Rassismus.

 

Literatur

Arndt, Susan (2016), Rassismus. Eine viel zu lange Geschichte, in: Fereidooni, Karim/El, Meral (Hg.), Rassismuskritik und Widerstandsformen. Springer VS, Wiesbaden, S. 29-45.

Bernstein, Julia/Diddens, Florian (2020), Umgang mit Antisemitismus in der Schule, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 26-27/2020, S. 42-47.

Chassé, Karl August (2016), Doing Class. Wie werden Menschen zum „Prekariat“ gemacht?, in: Fereidooni, Karim/Zeoli, Antonietta (Hg.), Managing Diversity. Die diversitätsbewusste Ausrichtung des Bildungs- und Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung. Springer VS, Wiesbaden, S. 35-53.

Daase, Andrea (2023), Migrationsbezogene Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache in der Schule, in: : Georgi, Viola B./Karakaşoğlu, Yasemin (Hg.): Allgemeinbildende Schulen in der Migrationsgesellschaft. Diversitätssensible Ansätze und Perspektiven.,Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, S. 70-85.

Fereidooni, Karim/Massumi, Mona (2015), Rassismuskritik in der Lehrerausbildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 40/2015, S. 38-43.

Hoßfeld, Uwe (2023), Biologieunterricht und die Neuedition von “Mein Kampf”, in: Porges, Karl (Hg.), Den Begriff „Rasse“ überwinden Die „Jenaer Erklärung“ in der (Hoch-)Schulbildung, Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, S. 365-384.

Mendel, Meron (2020), Herausforderungen antisemitismuskritischer Bildungsarbeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 26-27/2020, S. 36-41.

Stratilaki-Klein, Sofia (2016), Migration, Identität und Rekonstruktionen: vom monolingualen Habitus zur Mehrsprachigkeit., in: Wegner, Anke/Dirim, İnci (Hg.), Mehrsprachigkeit und Bildungsgerechtigkeit. Erkundungen einer didaktischen Perspektive., Verlag Barbara Budrich, Opladen (u.a.), S. 162-184.

Vogel, Cathrin (2023), (Sozialer) Ungleichheit im Kontext von Migration und Mehrsprachigkeit durch professionelles Gesprächshandeln begegnen, in: Haider, Michael; Böhme, Richard; Gebauer, Susanne; Gößinger, Christian; Munser-Kiefer, Meike; Rank, Astrid (Hg.): Nachhaltige Bildung in der Grundschule (Jahrbuch Grundschulforschung; 27), Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, S.446-451.


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