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rv02 – (Welt-) Gesellschaftliche Veränderungen, Migration und die Reaktion von Schule

1.) Ein national orientiertes Bildungssystem zielt vorrangig auf der Aufrechterhaltung des eigenen Wertesystems sowie dem Wachstum der eigenen Nation. So wird jede neue Generation an Schülerinnen und Schülern an den Stand der vorherrschenden, nationalgesellschaftlichen  Normen und Prinzipien herangeführt. Hierdurch werden jedoch oftmals transnationalen Eindrücken und überregionalen Aspekten einen geringeren Stellenwert zugeschrieben, weshalb diese nur sehr oberflächlich behandelt oder komplett außer Acht gelassen werden.

Ich muss rekapitulierend feststellen, dass mir diese nationale Orientierung des Bildungssystems jetzt erst im Nachhinein unter genauerer Betrachtung bewusst wird. Gerade in den Fächern Geschichte oder Politik wurde in meiner Schulzeit fast ausschließlich nur über die vorherrschenden oder früheren, nationalen Verhältnisse gesprochen und diese immer wieder unter neuen Gesichtspunkten erörtert. Besonders in Religion fällt mir auf, dass neben dem ausführlich thematisierten Christentum zwar andere Religionen genannt und kurz angeschnitten wurden, dennoch wurde mir häufig der unterschwellige Eindruck vermittelt, anderweitige Religionen seien „fern“ oder „fremd“, aufjedenfall nicht gängig.                                        Im Nachhinein hätte ich mich über eine deutlich vielseitigere und transnationale Betrachtung wichtiger Themen, gefreut, um diese noch besser zu Verstehen und dem Aspekt der Migration als Realität an Schule offen zu begegnen.

2.) Denn erst durch den öffentlichen Diskurs über „Migration als Herausforderung für die Schule“ wird mir bewusst, in welchem geringen Maße die Schulen das Thema Migration strukturell mit einbeziehen. Eine nationalstaatliche Orientierung des Bildungssystems ist in diesem Ausmaß lange nicht mehr zeitgemäß, denn transnationale, familiäre Bindungen und Migration als prägende Kraft der Gesellschaft sollten auch im schulischen Rahmen eine wichtige Rolle spielen. Demnach ist es für mich von Nöten, das sozial selektive Bildungssystem so zu modellieren, dass auch Kinder aus neu zugewanderten Familien, Kinder mit einem sog. Migrationshintergrund oder Kinder aus sozial schwächeren Familien die gleichen Bildungschancen und Voraussetzungen haben.                                       Auch die aktive Beschäftigung mit dem Thema Migration schon ab dem frühen Alter birgt für mich einige schöne Perspektiven. So würde das Verstehen von differenzierten Gründen der Migration und der überregionalen Auseinandersetzung mit diesem alltagsrelevanten Thema hoffentlich das Bild eines negativ konnotierten Begriffs geprägt von Armut und Problemen beseitigen.

3.) Das beschriebene Fallbeispiel der Schülerin Birgül verdeutlicht eindeutig den Ausdruck von „Doing Culture“ seitens der Lehrerin. Es ist sehr fragwürdig, in welchem Maße Stereotype und Vorurteile in den Köpfen der Menschen verankert ist. Rücksichtslos projiziert die Lehrerin angebliche kollektive Verhaltensweisen einer Kultur auf eine ihrer Schülerinnen, die sich mit möglichen Merkmalen dieser Kultur jedoch in keiner Weise identifiziert, was die Lehrkraft jedoch als selbstverständlich annimmt.

Auch ich habe zu meiner Schulzeit eine ähnliche Erfahrung gemacht. Einige meiner Mitschüler haben sich über einen anderen dunkelhäutigen Klassenkameraden im Sportunterricht lustig gemacht, da dieser beim 100 Meter-Sprint nicht so gut abgeschnitten hatte, „obwohl ja eigentlich alle dunkelheutigen Menschen schnell sind, aufgrund ihrer Genetik“, es stimme also irgendetwas mit ihm nicht.       Dies bekam jedoch unser Lehrer mit, stoppte sofort alle Schüler*innen und diskutierte eine ganze Weile mit uns allen im Plenum, wie es zu so welchen Vorurteilen komme und weshalb die beiden Jungs diese negativen Bemerkungen tätigten. Sichtlich peinlich berührt und ihrer Tragweite dieser Äußerungen nicht bewusst entschuldigten sich die Täter und der Unterricht ging weiter.                                                      Dieses Handeln des Lehrers ist mir mit Nachdruck im Gedächtnis  hängen geblieben, da es für mich der richtige Umgang in dieser Situation war und er interkulturell kompetent reagierte.

 

 

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