1. Bennen Sie ausgewählte, für Sie zentrale Aspekte des in der Vorlesung aufgemachten Spannungsfeldes von Heterogenität und Homogenität im schulischen Feld. Beziehen Sie sich dabei auf die theoretischen Kernaussagen der Vorlesung und begründen Sie deren Auswahl.
Eine Vorlesung in der Universität Bremen. Studenten sitzen nebeneinander und hören den Worten des Dozenten interessiert zu. Niemand der anwesenden Studenten würde behaupten, dass der zu seiner linken und rechten Seite sitzende Student so wäre wie er selbst. Heterogenität ist allgegenwärtig, denn jeder Mensch ist einzigartig. Wir unterscheiden uns in vielerlei Hinsicht: nationale Herkunft, Alter, Geschlecht, Muttersprache, Erziehung, sozioökonomischer Hintergrund, Interessen, Religionszugehörigkeit, Stärken und Schwächen um nur einige wenige Punkte zu nennen. Auch die Lernmethoden und Präkonzepte eines jeden Studenten sind individuell. Trotzdem erleben wir es oft, dass in dem von uns angestrebten Beruf des Lehrers/ der Lehrerin nicht individuell auf die Schüler eingegangen wird. Es wird vielmehr versucht die Gruppe zu homogenisieren um das primäre Ziel „Wissensvermittlung“ zu erfüllen. Dabei müsste der Lehrer oder die Lehrerin auf jeden Schüler unterschiedlich eingehen. Denn jeder lernt anders, findet einen anderen Zugang zu dem Wissen, wird auf verschiedenste Art angeregt und motiviert. Das macht den Lehrerberuf nicht einfach, aber interessant in jedem Fall. Eine Auseinandersetzung mit Heterogenität und des sich „Bewusstwerdens“ ist somit der erste Schritt zum „guten“ Unterricht.
Die Politik in Bremen hat sich dazu entschlossen, mit Heterogenität nicht mehr selektiv umzugehen. So wurde das bremische Schulsystem 2010 in ein zweigliedriges umgewandelt. Es gibt nun neben Grundschulen nur noch Oberschulen, in denen Sonderschulen, Haupt- und Realschule und Gymnasium für die ersten 10 Jahre zusammengelegt wurden. Die Entscheidung ist hochpolitisch, denn dadurch wird versucht den „sozioökonomischen Hintergrund der Eltern“ als wesentlichen Einflussfaktor für Leistungserfolg zu eliminieren. Alle Schüler/innen sollen in unserer meritokratischen Leistungsgesellschaft die gleichen Chancen erhalten. Nicht die soziale Herkunft soll darüber entscheiden, was wir „verdienen“, sondern allein die Leistung. In diesem gesteigerten heterogenen Lernumfeld dürfen die Schüler/innen voneinander profitieren – die Schwachen von den Starken und auch andersrum. Dies machte es auch erforderlich, angehende Lehrer/innen besser auf diese Herausforderung vorzubereiten. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung nachhaltig erfolgreich sein wird.
2. Benennen und diskutieren Sie Beispiele für die von Ihnen unter 1 benannten Aspekte und nehmen sie dabei explizit Bezug zu Ihren bisherigen Praktika oder Ihrer eigenen Schulzeit.
In zwei kürzlich absolvierten Praktika im Land Niedersachsen, in den Fächern Kunst und Englisch, konnte ich erleben, wie unterschiedlich mit Heterogenität an einer Waldorfschule und an einem öffentlichen Gymnasium umgegangen wird. Aufgefallen ist, dass Schüler/innen der Waldorfschule heterogener waren als die Schüler/innen des Gymnasiums, denn dort wurden bereits die Klassen bezüglich des Leistungsniveaus etwas homogenisiert. Diese Homogenisierung führt aber meines Erachtens dazu, dass den Schülern fortan einheitliche Aufgaben gestellt werden. Wer nicht mithalten kann, bekommt einfach eine schlechte Note.
Außerdem fiel auf, dass bei beiden Schulen bereits eine „Auslese“ des sozialen Milieus stattgefunden hatte. Kaum bis keine Kinder hatten einen Migrationshintergrund. Die Muttersprache aller Schüler/innen, der von mir besuchten Klassen, war Deutsch. Diese „soziale Auslese“ des öffentlichen Gymnasiums erfolgte primär durch Leistungsergebnisse der 4. Klasse (Grundschule) und ambitionierter Eltern, die sich eine schulische Ausbildung ihres Kindes ausschließlich am Gymnasium wünschten und oft entgegen der schulischen Empfehlung des Grundschullehrers oder der Grundschullehrerin handelten. Bei der Waldorfschule wurde durch die Erhebung des Schulgeldes, das sich nur besserverdienende Eltern leisten konnten, „aussortiert“. Sie waren nicht weniger ambitioniert als die Eltern der Schüler/innen, die das Gymnasium besucht haben – im Gegenteil. Neben der Unterstützung bei den Hausaufgaben, engagierten sie sich zusätzlich bei der Elternarbeit. Bei beiden Elterngruppen fiel auf, dass der Faktor Zeit für die schulische Ausbildung der Kinder vorhanden war. Zeit, die oftmals nur deshalb vorhanden ist, da nicht beide Elternteile Vollzeit beschäftigt sind, weil sie es sich leisten können.
Das beweist, dass der Erfolg eines Schülers und einer Schülerin noch heute vom Bildungsgrad der Eltern und der verfügbaren finanziellen Mittel abhängig ist. Aber ist das letztlich das, was der Schüler oder die Schülerin eines einkommensschwachen Haushalts verdient? Wohl eher nicht.
In beiden Schulformen waren die Kinder innerhalb der Klasse selbstverständlich heterogen. Die Chancen dieses Tatbestandes wurden aber von den Lehrern unterschiedlich genutzt. Während das Prinzip „schwache Schüler und starke Schüler profitieren voneinander“ in der Waldorfschule gelebt wurde, habe ich es an dem öffentlichen Gymnasium vermisst. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass Waldorflehrer/innen ihre Aufgaben und auch die Vorbereitung der Stunde besser auf die unterschiedlichen Lerntypen angepasst hatten.
3. Formulieren Sie eine Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Spannungsfeld von Heterogenität und Homogenität:
Beobachte die einzelnen Schüler und Schülerinnen in der Klasse und versuche herauszufinden, worin sie sich unterscheiden und wie der Lehrer oder die Lehrerin diesem Spannungsfeld begegnet und wie damit umgegangen wird.
• Welche Stärken und Schwächen haben die Schüler/innen? Ist die Aufgabenstellung in der Klasse immer gleich?
• Welche/r der Schüler/innen fällt auf und welche Schüler/innen nimmst du nicht wahr und warum ist das so? Wie wird darauf eingegangen?
4. Bennen Sie Ihnen bekannte Ansätze/Maßnahmen für Unterrichts- und/oder Schulentwicklung (z. B. bezogen auf Unterrichtsorganisation oder Schulformen,) die systematisch das Spannungsfeld von Heterogenität und Homogenität berücksichtigen und diskutieren Sie Herausforderungen bei deren Umsetzung.
Waldorfschule (Schwerpunkt Englisch): Schüler/innen hatten unterschiedliche Vorkenntnisse im Fach Englisch. Der Lehrer bot unterschiedliche Lernmethoden an wie:
• das gemeinsame Singen in der Gruppe
• aktiver Austausch in der Gruppe mit Fragestellungen wie (What’s vour favourite dish, fruit or vegetable? And why?). Der Lehrer fungierte hier eher als Moderator, so dass in der Stunde die Schüler einen relativ hohen Redeanteil hatten.
• schriftliche (von ihm vorbereitete) Aufgaben, die dem aktuellen Kenntnisstand angepasst waren und gemeinsame mündliche Aufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgeraden (z. B. Bennung von Zahlen von 0 bis 1000). So konnte sich jeder Schüler und jede Schülerin eine Zahl aussuchen, sich mündlich einbringen und ein positives Erlebnis „mitnehmen“.
• Sammlung von unbekannten Vokabeln an der Tafel.
Mir hat die Rolle des Lehrers/ der Lehrerin als Moderator/in sehr gut gefallen. Das Klima in der Klasse war immer sehr angenehm. Die Schüler/innen schienen sehr motiviert und lernfreudig. Der Lehrer bot mit dem abwechslungsreichen Angebot lernintensive und auch entspannte Phasen an. Erfreulich war, dass verschiedene Sinne, der Kinder angesprochen wurden. Sinne wie Hören und Sehen wurden gleichermaßen angesprochen und durch eigenes Tun und der Anwendung des Erlernten (verbal und in Textform) konnten Lernergebnisse optimiert werden. Eine gründliche Vorbereitung auf den Unterricht war zwingend erforderlich. Damit Schüler aber auch systematisch zu Hause lernen können, müssen sie erst einmal sich darüber im Klaren werden, welche Lernwege für sie die besten sind. Schüler brauchen Tipps und Beispiele. Die Waldorfschule bot deshalb allen Schülern der 6. Klasse einen Test an, in dem herausgefunden werden sollte, welcher Lerntyp welches Kind ist. Dieses Angebot finde ich sehr sinnvoll, denn zu wissen, was LERNEN bedeutet war mir als Schülerin nicht von Anfang an klar.