Sprache – ein wichtiger Schlüssel für Bildungserfolg

Versuchen Sie Maßnahmen, Projekte oder Initiativen, die sie im schulischen Umfeld zum Umgang mit soziokultureller Heterogenität kennen gelernt haben (in Praktika, Arbeit, eigener Schulzeit o.ä.) zu charakterisieren, entsprechend dem theoretischen Vergleichsmodel aus der Vorlesung (Ausländerpädagogik/Interkulturelle Bildung/Antirassistische Pädagogik/Diversity Education). Begründen Sie die Einordnung und bewerten Sie die jeweilige Wirkung.

„Sprache ist ein Verkehrsmittel; so wie die Eisenbahn die Güter von Leipzig nach Dresden fährt, so transportiert die Sprache die Gedanken von einem Kopf zum anderen.”
Wilhelm Oswald (1853-1932), dt. Chemiker, Physiker u. Philosoph

Sprache ermöglicht es dem Menschen Gedanken und Gefühle auszudrücken. Deshalb ist Sprache auch das wichtigste Medium der Kommunikation. Voraussetzung ist, dass die Gesprächsteilnehmer/innen die gesprochene Sprache verstehen. Außerdem ist „Sprache [..] ein wichtiger Schlüssel für Bildungserfolg und Partizipation. Das Fundament dafür wird bereits in der frühen Kindheit gelegt.“ 1
Doch, was wenn die frühe Kindheit gar nicht in Deutschland verbracht werden konnte? Was, wenn Kinder aus Kriegsgebieten geflohen sind, ihre Heimat hinter sich gelassen haben und eine neue friedvolle Heimat in Deutschland finden?
Nach den Wellen der Zuwanderung der vergangen Jahre und dem Zuzug von vielen Menschen mit Flüchtlingshintergrund seit 2015, haben sich verschiedene Herangehensweisen herausgebildet wie Zuwanderern bestmöglich, zum Beispiel beim Spracherwerb, geholfen werden kann.

1. Ausländerpädagogik
Das Sprachdefizit soll in einer homogenen Gruppe von Ausländern behoben werden. Innerhalb von Extrakursen werden die Schüler/innen gefördert. Ein Konzept, das vor allem in den 70ern und 80ern umgesetzt wurde und eine Möglichkeit wie mit dem Migrationsprozess umgegangen werden kann.
2. Interkulturelle Pädagogik
Der Erwerb der Sprache soll innerhalb der Klassengemeinschaft erfolgen. Ziel ist die Heterogenität anzuerkennen und einen Lernprozess bezüglich des Kulturverständnisses aller auszulösen. Alle Kulturen in der Klasse sollen nebeneinander und vor allem gleichberechtigt bestehen.
3. Antirassistische Pädagogik                                                                                     Eine Pädagogik, die vor allem Schule, Schulsystem und Gesellschaft adressiert und Diskriminierung systematisch abbauen soll. Ziel der Herangehensweise ist eine „gerechte“ Gesellschaft. Dazu zählt auch das Projekt „Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage“. „Es bietet Kindern, Jugendlichen und Pädagog*innen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, indem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden. Jede Schule kann den Titel erwerben, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllt: Mindestens 70 Prozent aller Menschen, die in einer Schule lernen und arbeiten (Schüler*innen, Lehrer*innen und technisches Personal) verpflichten sich mit ihrer Unterschrift, sich künftig gegen jede Form von Diskriminierung an ihrer Schule aktiv einzusetzen, bei Konflikten einzugreifen und regelmäßig Projekttage zum Thema durchzuführen.“ 2
Hierbei handelt es sich nicht um eine Auszeichnung, sondern vielmehr um eine Selbstverpflichtung.
4. Seit den 2000ern gibt es das Konzept der „Diversity Education“, da vermehrt Leitkulturdebatten aufkamen. Hierbei geht es darum nicht nur die Herkunft zu fokussieren, sondern den Menschen als Ganzes zu betrachten und neben der Herkunft auch Gender, Religion, Beeinträchtigungen und soziale Lage zu berücksichtigen. Es soll Beziehungsarbeit mit jedem einzelnen/einzelner ausländischem/r Schüler/in stattfinden und versucht werden er oder sie bestmöglich zu fördern. Neben Ergänzungsunterricht im Fach Deutsch wird auch versucht die Zusammenarbeit mit den ausländischen Eltern zu verbessern.

Niedersachsen und Bremen regeln den Migrationsprozess wie folgt:

Niedersachsen:
„Wer als Kind oder Jugendlicher im schulpflichtigen Alter nach Niedersachsen kommt und wenig oder gar kein Deutsch spricht, braucht zunächst gezielte Unterstützung in der Schule. Es gilt, möglichst schnell gut Deutsch zu lernen und dann auch im Unterricht so bald wie möglich Anschluss zu finden. Die Schule ist gefordert, diese neu Zugewanderten aufzunehmen, und sie erhält dafür zusätzliche Mittel in Gestalt von Lehrerstunden.“ 3
Bremen:
„Sie meldet außerdem alle Kinder mit Sprachlernbedarf bei der Senatorin für Kinder und Bildung an. Hier erhalten sie einen Platz in den Vorkursen, in denen bis zu 6 Monate in der Grundschule und bis zu 12 Monaten in der Sekundarstufe I lang intensiv Deutsch gelernt werden kann. Gleichzeitig nehmen die Schülerinnen und Schüler stundenweise am regulären Schulbesuch teil.“ 4

Während die Formulierung des Niedersächsischen Kultusministeriums eher „schwammig“ formuliert wurde und konkret den Umgang mit ausländischen Kindern in Niedersachsen nicht erläutert, erfährt man zumindest vom Bundesland Bremen, dass Kindern, denen die sprachliche Bildung in Deutsch fehlt, in einem zeitlich befristeten Zeitraum einen Deutschkurs besuchen müssen, der ausschließlich für die Personengruppe vorgesehen ist. Gleichzeitig sollen die neuen Schüler/innen am normalen Unterricht teilnehmen und Anschluss an die Klassengemeinschaft finden.

Da meine Schulzeit bereits einige Jahre hinter mir liegt und ehemalige Klassenkameraden fließend deutsch sprechen konnten und ich an den von mir, während meiner Praktika besuchten Schulen keine persönliche Erfahrung sammeln konnte, habe ich eine Lehrerin in Niedersachsen befragt wie konkret die ausländischen Schüler/innen beschult werden. Sie selbst unterrichtet eine reine Sprachklasse. Eine interkulturelle Pädagogik ist erst vorgesehen, wenn die Schüler/innen ein bestimmtes sprachliches Level erreicht haben. Erst dann dürfen die Schüler/innen die Klasse wechseln.

Ich kann nur mutmaßen, ob der von Bremen und Niedersachsen eingeschlagene Weg der Beschulung der bestmögliche ist. Für mich stellt sich die Frage, ob sich die ausländischen Kinder ausgeschlossen fühlen, wenn sie „homogenisiert“ werden und ob sie schneller und besser Deutsch lernen würden, wenn sie mit den anderen deutschsprachigen Schülern am Unterricht teilnehmen.

Fakt ist jedoch, dass ausländische Schüler/innen das sprachliche Defizit schnellstmöglich aufholen müssen, denn Sprache ist der Schlüssel zu Bildungserfolg und das kann meines Erachtens nicht ausschließlich im normalen Unterricht stattfinden, da die Schüler/innen einen ganz anderen Ausgangspunkt als Muttersprachler/innen haben. Wieviel kann ein Kind tatsächlich aus dem Erdkundeunterricht verstehen, wenn es noch nicht einmal die Sprache lesen oder gar verstehen kann? Wer erklärt die Grammatik? Wer geht auf ihre Bedürfnisse oder Fragen genauer ein, ohne dass der Rest der Klasse „benachteiligt“ wird?

Die aktuelle angebliche Herangehensweise der „Diversity Education“ zeigt meines Erachtens, dass die Theorie stark von der Umsetzung abweicht. Die aktuelle Schulpolitik ist für mich nur eine Kombination aus Ausländerpädagogik und Interkultureller Pädagogik. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schüler/innen konnte ich schon während meiner Schulzeit nicht feststellen, deshalb bezweifle ich, dass es bei ausländischen Schülern und deren Eltern mehr Bemühungen gibt, da es zwischen Lehrern und den ausländischen Eltern sicherlich zusätzlich sprachliche Probleme gibt. Die Eltern der ausländischen Kinder sind oft nicht der deutschen Sprache mächtig, brauchen zum Erlernen der Sprache länger und verständigen sich zuhause untereinander in den meisten Fällen weiterhin in ihrer Muttersprache.

Glücklicherweise handelt es sich bei dem sprachlichen Defizit der Schüler/innen nur um ein befristetes, da Kinder innerhalb kürzester Zeit bei richtiger Förderung die deutsche Sprache erlernen können.

Welche Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika könnte man aus dieser durch Theorie geleiteten Reflexion ableiten?

Beobachte die Erfolge des Spracherwerbs von Flüchtlingskindern. Wie sinnvoll ist der Förderunterricht? Interessant wäre eine Befragung der Kinder. Fühlen sie sich ausgeschlossen? Würden sie lieber ausschließlich im Regelunterricht beschult werden? Wie gut können Flüchtlingskinder am Regelunterricht teilnehmen?

Sehen Sie durch die Reflexion dieser Maßnahmen und Projekte Ansatzpunkte für mögliche Programme zur grundsätzliche Weiterentwicklung von Schule und/oder Unterricht?

Ich glaube, dass Konzepte wie „Diversity Education“ sehr sinnvoll sind, allerdings bezweifle ich, dass diese umsetzbar sind und Theorie und Praxis stark voneinander abweichen. Vor allem eine Zusammenarbeit mit den Eltern, finde ich, mal ganz unabhängig davon, ob die Schüler deutsch sprechen können oder nicht, immer sehr sinnvoll. Lehrer und Eltern sollten sich als Erziehungsgemeinschaft sehen, denn Erziehung findet sowohl zuhause als auch in der Schule statt. Ein Austausch beider Parteien kann in einer Phase in der Erziehung schwierig ist, sehr sinnvoll sein.

Quellenangabe:

1 Stiftung Mercator, Bildung braucht Sprache. Gleiche Chancen für alle Kinder – von Anfang an, Internetseite, URL: https://www.stiftung-mercator.de/de/projekt/bildung-braucht-sprache/, Abruf am 11.04.2018

2 Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage, 10 Fragen – 10 Antworten zum Projekt, Internetseite, URL: https://www.schule-ohne-rassismus.org/wer-wir-sind/10-fragen-10-antworten/, Abruf am 11.4.2018

3 Niedersächsisches Kultusministerium, Beschulung von neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern ohne ausreichende Deutschkenntnisse, Internetseite, URL: https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/foerderung_von_fluechtlingskindern_niedersaechsischen_schulen/foerderung-von-fluechtlingskindern-136434.html, Abruf am 11.4.2018

4 Freie Hansestadt Bremen, Die Senatorin für Kinder und Bildung, Internetseite, URL: https://www.bildung.bremen.de/sixcms/detail.php?id=117138, Abruf am 11.4.2018

Ein Gedanke zu „Sprache – ein wichtiger Schlüssel für Bildungserfolg“

  1. Liebe Nena,
    Dein Beitrag war sehr angenehm und interessant zu lesen. Ich stimme mit dir überein, dass das, was ein Bundesland, bzw. ein Kultusministerium als Programm durchsetzen möchte und was es sich auf die Fahne schreibt, häufig von der tatsächlichen Praxis und Umsetzung abweicht. Leider handelt es sich besonders bei sozialen Themen wie z.B. im Umgang mit Sprachförderung von Schüler/innen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, oft um Symbolpolitik. Nach außen hin soll der Schein gewahrt werden, dass etwas unternommen wird, um Erfolge in diesen Bereichen vorweisen zu können. Natürlich ist es sinnvoll überhaupt etwas zu unternehmen und hierfür muss auch erst ein entsprechendes Programm erstellt werden. Allerdings muss auch geschaut werden, was in der Praxis umsetzbar ist, besonders im Hinblick auf die Strapazierbarkeit der Lehrenden. Eine Zusammenarbeit der Lehrer mit den Eltern der Kinder ist, wie du auch sagtest, wünschenswert und sogar notwendig. Dies erfordert allerdings einen enormen Kraftakt der Lehrkräfte und zusätzlichen, oft auch nicht kompensierten Arbeitsaufwand. Abschließend würde ich dir in allen Punkten zustimmen. Die Ideen und Programme enthalten gute Ideen und Vorsätze; wären diese entsprechend umsetzbar, wären wir auf einem sehr guten Weg. Hierzu sind allerdings weitere Mittel, Lehrstellen und Sozialpädagogen mit entsprechender Qualifikation notwendig. Das heißt letzten Endes vor allem finanzielle Mittel um diese Stellen zu schaffen. Es ist schade, dass es daran (besonders in Bremen) oft mangelt und dass am Ende die Schüler/innen darunter zu leiden haben.

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