1) Benennen Sie die für Sie zentralsten theoretischen Erkenntnisse, die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei Bezug auf:
a.) unterschiedliche fachdidaktische Aspekte. Übertragen Sie, wenn möglich, die in der Ringvorlesung gewonnenen Erkenntnisse auf die Didaktiken der von Ihnen studierten Fächer.
b.) generelle Erkenntnisse zur Beziehungsarbeit in Schule und Unterricht.
Der Beutelsbacher Konsens stellt für mich eine zentrale Erkenntnis in diesem Modul dar. Denn die Frage, ob und wie ich meine Meinung als Lehrkraft kundgeben darf, stelle ich mir schon seit Beginn meines Studiums. Ich gehe davon aus, dass ich als zukünftiger Politiklehrer womöglich sehr oft in Situationen kommen werde, in denen die SuS nach meiner spezifischen Meinung fragen werden. Der Beutelsbacher Konsens besagt, dass die persönliche Meinungsbildung der SuS nicht durch eine Überwältigung durch eine bestimmte Meinung beeinträchtigt werden darf (Wehling 1977, 179). Zudem fordert der Beutelsbacher Konsens, dass Lehrkräfte wissenschaftlich kontroverse Themen als solche präsentieren und dabei besonders die verschiedenen Standpunkte herausarbeiten (Wehling 1977, 179). Schließlich ist es auch wichtig, die SuS dazu zu befähigen, politische Situationen zu analysieren und ihre eigenen Interessen in diesen Kontexten zu erkennen (Wehling 1977, 180). Diese theoretischen Erkenntnisse haben mir verdeutlicht, dass Neutralität bei der Meinungsäußerung nicht mit Meinungslosigkeit gleichzusetzen ist. Vielmehr geht es darum, die eigene Meinung nicht als die einzig „wahre“ darzustellen und die individuelle Meinungsbildung der SuS zu fördern und keinesfalls selbst zu beeinflussen. Mit anderen Worten sollte die Differenzierung zwischen „politischer Bildung und Indoktrination“ (Wehling 1977, 179) bei jeder Lehrkraft präsent sein.
Eine weitere von vielen Erkenntnissen in dieser Ringvorlesung war der Umgang mit der Mehrsprachigkeit in der Schule. Mehrsprachigkeit wird von Grosjean als die Fähigkeit definiert, sich in zwei oder mehr Sprachen auszudrücken und dabei mindestens eine Teilkompetenz wie Lesen, Schreiben, Sprechen oder Hören zu beherrschen und im Alltag zu nutzen (2020, 14). In der Vorlesung habe ich unter anderem gelernt, dass Mehrsprachigkeit vielmehr als Chance gesehen werden sollte als als Problem. Indem verschiedene Sprachen im Unterricht aufgegriffen werden und Aufgaben von der Lehrkraft bei Unverständnis in einer anderen Sprache als Deutsch erklärt werden, kann sichergestellt werden, dass alle SuS auf ihrem individuellen Niveau lernen können und nicht aufgrund ihrer Sprachkenntnisse ausgeschlossen werden (Meyer & Prediger, 2011). Diese Einbeziehung verschiedener Sprachen fördert somit eine positive und effektivere Lernumgebung.
2) Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen den Schulalltag besonders stark – und warum? Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen?
Für mich war es von zentraler Bedeutung zu verstehen, dass Lehrkräfte immer vor einer heterogenen Gruppe von SuS stehen. Selbstverständlich gibt es einige Klassen, die nicht so vielfältig sind wie andere, aber eine Erkenntnis, die mir mein laufendes Orientierungspraktikum gegeben hat, ist, dass, egal wie homogen eine Klasse wirkt, die SuS immer Unterschiede aufweisen. Diese Heterogenität zeigt sich in vielen Dimensionen, wie etwa kultureller Herkunft, sozialem Hintergrund, Lerntempo und persönlichen Erfahrungen. Diese Erkenntnis ist nicht das Ergebnis eines einzigen Konzepts, sondern eine übergreifende Einsicht aus der gesamten Ringvorlesung.
Rückblickend auf meine eigene Schulzeit habe ich oft beobachtet, dass einige Lehrkräfte nicht wahrnahmen, dass sie es mit SuS zu tun hatten, die alle eine eigene Geschichte, eigene Herausforderungen und unterschiedliche Perspektiven auf das Leben mitbrachten. Dieser Mangel an Bewusstsein führte oft dazu, dass keine wirkliche Beziehungsarbeit geleistet wurde, was sich bei einigen Parallelklassen von mir sehr negativ auf das Klassenklima auswirkte. Ich als Schüler hatte häufig das Gefühl, dass die Lehrkräfte mich nicht wirklich als individuelle Persönlichkeit sahen, sondern eher als einen einfachen Schüler, dem sie stumpf Wissen vermitteln mussten.
Im Gegensatz dazu gab es auch einige wenige Lehrkräfte, die sich sehr bewusst auf die Unterschiedlichkeit der Schülerschaft einstellten und sich aktiv bemühten, eine persönliche Beziehung zu jedem Einzelnen aufzubauen. Diese Lehrkräfte waren in der Lage, „echten“ Kontakt zu uns herzustellen, was zu einem höheren Maß an gegenseitigem Respekt führte. Dadurch änderte sich auch das Verhalten der Klasse. Selbst in meiner damals als etwas „schwierig“ geltenden Klasse gab es Lehrkräfte, bei denen wir uns deutlich wohler fühlten und entsprechend respektvoll und kooperativ verhielten. Diese positiven Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, dass Lehrkräfte die Vielfalt innerhalb der Klasse erkennen und gezielt Beziehungsarbeit leisten.
In meinem Orientierungspraktikum habe ich erkannt, wie wichtig die Beziehungsarbeit zu der Schülerschaft ist. Mein Mentor legt großen Wert darauf, mit seiner Klasse eine gute Beziehung zu führen. Er ist in ihren Augen nicht nur die Person, die vorne unterrichtet und nach 90 Minuten wieder weggeht. Vielmehr ist er eine Person, auf die sich die SuS verlassen können und die sie bei Problemen fragen können. Daraus resultiert, dass die Atmosphäre, die in der Klasse herrscht, sehr angenehm ist. Dies begünstigt in meinen Augen das Lernen der gesamten Schülerschaft der Klasse.
Ein weiterer Aspekt, den ich beobachten konnte, ist der Umgang mit politischer Heterogenität. Mir ist aufgefallen, dass in gewissen sechsten Klassen demokratische Grundprinzipien wie zum Beispiel die Akzeptanz von anderen Meinungen vorhanden sind. Auf Nachfrage bei der jeweiligen Lehrkraft, bei der ich hospitieren durfte, ob sie den Beutelsbacher Konsens kennt, wurde dies bejaht. Mir wurde gesagt, dass Sie sich schon zu Beginn der fünften Klasse die Mühe gemacht hat, dieses Prinzip anzuwenden, insbesondere in den sogenannten Klassenstunden. Dies ist eine Stunde in der Woche, in der die SuS über ihre Anliegen und Probleme reden und diese als ganze Gruppe versuchen lösen. Somit habe ich erkannt, dass der Beutelsbacher Konsens nicht nur im Politikunterricht eine wichtige Rolle spielt, sondern generell in jedem Unterricht und bei jeder Aktion, die man mit der Schülerschaft unternimmt.
3) Zu welchen Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium in Bezug auf das Modulthema UMHET? Welche haben Sie vermisst?
Obwohl das Thema Mehrsprachigkeit in der Vorlesung thematisiert wurde, würde ich gerne mehr darüber lernen, wie man als Lehrkraft Mehrsprachigkeit gezielt als Ressource im Unterricht einsetzt. Die Schwierigkeit, die ich daraus ableite, ist, dass es möglicherweise unbewusst zur Stigmatisierung bestimmter SuS kommen könnte. Zudem frage ich mich, welche professionellen „Werkzeuge“ es gibt, die das Einbeziehen von Mehrsprachigkeit im Unterricht ermöglichen bzw. vereinfachen. Diese Fragestellung ist insofern wichtig, da die wachsende sprachliche Vielfalt in den Klassenzimmern eine Chance darstellt, diese Chance jedoch mit einer großen Herausforderung verbunden ist.
In meinem weiteren Studium würde ich gerne mehr über das Thema „Chemie – (K)ein Fach für alle?“ erfahren. Die Vorlesung zu diesem Thema fand ich sehr spannend. Ich möchte mehr darüber lernen, wie ich es als zukünftiger Biolehrer schaffe, die Schülerschaft für den naturwissenschaftlichen Unterricht zu begeistern.
Ein Thema, das ich gerne in dieser Ringvorlesung behandelt gesehen hätte, ist die Elternarbeit. Dies ist insofern wichtig, da die Einbeziehung der Elternschaft ein entscheidender Faktor ist, um eine Schule zu schaffen, die offen für interkulturelle Vielfalt ist (Karakaşoğlu et al., 201). Wie ich jedoch mit der Elternschaft umgehen sollte, um diese interkulturelle Vielfalt zu ermöglichen, ist mir ein Rätsel. Des Weiteren würde mich das Thema Unterrichtsstörungen interessieren. Wie geht man mit diesen am besten um, und was kann man prophylaktisch dagegen tun?
Literatur:
Grosjean, F. (2020): Individuelle Zwei- und Mehrsprachigkeit. In: Gogolin, Ingrid et al. (Hrsg.): Handbuch Mehrsprachigkeit und Bildung. Wiesbaden. Springer VS. S.14
Karakaşoğlu, Y., Gruhn, A., Wojciechowicz, M. (2011): Interkulturelle Schulentwicklung unter der Lupe. (Inter-)Nationale Impulse und Herausforderungen für Steuerungsstrategien am Beispiel Bremen. Münster: Waxmann.
Prediger, S., Meyer, M. (2011): Mathematiklernen unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit – Stand und Perspektiven der Forschung und Entwicklung in Deutschland.
Wehling, H.-G. (1977): Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch. In: Schiele, Siegfried und Schneider, Herbert (Hrsg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart, S. 179-184.
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