1. Was ist gemeint mit einer ’nationalen Orientierung des Bildungssystems‘? Woran kann das festgemacht werden im Hinblick auf seine Zielgruppen, Inhalte/Fächer, Strukturen? (denken Sie hier auch an ihre eigenen Erfahrungen aus der Schulzeit zurück)

In Deutschland wird der Lebenslauf, in Bezug auf die Bildung, durch eine zeitliche und räumliche Kontinuität charakterisiert. Mit der zeitlichen Kontinuität wird davon ausgegangen, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene ihren Bildungsgang ohne Unterbrechungen durchschreiten. Die räumliche Kontinuität beschreibt, dass im Regelfall ein einziges Bildungssystem durchlaufen werden soll, hierbei geht man von dem des jeweiligen Geburtslandes aus.

Eine nationale Orientierung wird dadurch sichtbar, dass Migration in dem Bildungssystem nicht einkalkuliert wurde und, um dieses System bestehen zu lassen, wurden Sondermaßnahmen und Parallelstrukturen für Menschen mit Migrationshintergrund angefertigt. Die geschichtlichen Ereignisse Deutschlands haben diese Parallelstrukturen begünstigt. Dadurch wurden den Kindern der ausländischen Arbeitnehmer national homogene Parallelklassen bereitgestellt. Zusätzlich wurden Lehrer*innen auf den Unterricht mit den Kindern, die einen Migrationshintergrund besitzen, spezialisiert. Diese Parallelklassen sind jedoch schwierig für eine erfolgreiche Integration.

Heutzutage wird die nationale Orientierung auch noch in den Unterrichtsfächern deutlich, da sie begrenzt auf Deutschland und deutsche Geschehnisse sind. Im Geschichtsunterricht wird hauptsächlich die deutsche Geschichte thematisiert und der Deutschunterricht ist beschränkt auf deutsche Werke, wie zum Beispiel von Brecht, Schiller und Goethe. Es wird selten außerhalb dieser Grenzen gearbeitet.

Aus eigener Erfahrung kann ich von einer Freundin mit einem Migrationshintergrund berichten, die erst in der achten Klasse zu uns kam. Davor besuchte sie eine Vorbereitungsklasse und, als ihre Deutschkenntnisse als ausreichend gesehen wurden, kam sie in unsere Klasse dazu. Bei einer Politikklausur in der neunten Klasse, fiel mir jedoch auf, dass ihr Migrationshintergrund nicht berücksichtigt wurde und, dass sie dadurch eine schlechtere Note bekam. Natürlich sollte man keine bessere Note aufgrund eines Migrationshintergrundes bekommen, jedoch kann man nicht davon ausgehen, das eine Person, die seit etwa drei Jahren in Deutschland ist, die gleichen Deutschkenntnisse, wie alle anderen Schüler*innen hat. Die Klausurnote setzte sich somit hauptsächlich aus ihrer Grammatik und ihrer Rechtschreibung zusammen, und der Inhalt war weniger von Bedeutung.

2. Was nehmen Sie aus dem öffentlichen Diskurs über ‚Migration als Herausforderung für die Schule‘ und über sog. ‚Schüler mit Migrationshintergrund‘ als Informationen wahr und welche (neuen?) Perspektiven hat die Vorlesung dazu für Sie eröffnet?

Durch den öffentlichen Diskurs ist mir der Zusammenhang zwischen den geschichtlichen Ereignissen Deutschlands und dem heutigen Bildungssystem, welches vielmehr national orientiert ist, klar geworden. Eine Ausgrenzung der ausländischen Schüler*innen wird deutlich, da auf national homogene Klassen wertgelegt wurde und ein Zusammenleben nicht in Betracht gezogen wurde. Über die Jahre wurden Fortschritte gemacht, jedoch ist es trotzdessen immer noch ein ernst zunehmendes Problem, welches leider heutzutage immer noch existiert.

Außerdem sollte der Unterricht mehrere Interessen und Perspektiven umfassen und nicht nur auf eine Nationalität ausgelegt sein. Man sollte sich in der Schule mit multinationalen und multikulturen Aspekten auseinandersetzen, statt mit nationalen.

3. Inwiefern kann das folgende Beispiel (siehe unten) von Betül (Interviewausschnitt aus einer qualitativen Studie von Martina Weber) als Ausdruck von ‚DoingCulture‘ durch Lehrer*innenhandeln im Unterricht herangezogen werden? Erinnern Sie sich aus ihrer eigenen Schulzeit an ein Beispiel für ‚DoingCulture‘ im Lehrer*innenhandeln?

In dem genannten Beispiel findet eine deutchliche Stereotypisierung einer Kultur statt, in dem Falle der Türkischen. Die Lehrerin hat sehr vorurteilsvolle Züge, welche Lehrer*innen nicht besitzen sollten. Sie hat ein bestimmtes Bild von der ‚türkischen Kultur‘, welches sie auf ihre Schülerin Birgül überträgt. Aus diesem Grund spricht man in diesem Beispiel von ‚DoingCulture‘.

Ich habe mit diesem Thema bis jetzt keine Erfahrungen gehabt, da es in meiner Schule keine Probleme damit gab. Über das Thema Migrationshintergund wurde nicht viel diskutiert. Von Lehrer*innen habe ich ein Handeln, in der Art, nicht mitbekommen, auch nicht gegenüber mir, obwohl ich auch einen türkischen Migrationshintergrund besitze.