1. An Ihrem Gymnasium gibt es eine – wie üblich sehr heterogen besetzte – Vorklasse, in welcher sogenannte Seiteneinsteiger*innen Deutsch lernen und auf die Teilnahme am Regelunterricht vorbereitet werden. Für einige wird nun der Übergang diskutiert. Ein Großteil der Lehrkräfte plädiert – mit Verweis auf die noch nicht vollständig ausreichenden (bildungssprachlichen) Deutschkenntnisse – sie an eine Oberschule zu überweisen, obwohl die Schüler*innen hinsichtlich ihrer Lernfähigkeit und ihrer Vorbildung eigentlich die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen und gerne an der Schule bleiben würden. Nehmen Sie auf Basis der Vorlesung Stellung dazu.

Prinzipiell ist es nicht hilfreich und zielführend für die Schüler*innen, dass sie aufgrund ihrer nicht vollständig ausreichenden Deutschkenntnisse degradiert werden. Die bildungssprachlichen Deutschkenntnisse können mit der Zeit erlernt werden, da sie auch auf dem Gymnasium engeren Kontakt und Austausch mit ihren Mitschüler*innen haben werden, was ihre Deutschkenntnisse, um einiges erweitern wird. Des Weiteren kann der Wortschatz durch den Unterricht verbessert werden, da jedes Fach ein fachspezifisches Vokabular hat. Durch die Kommunikation mit Mitschüler*innen kann die Alltagssprache auch erlernt werden. Ein Wechsel an die Oberschule, erscheint mir aus diesen Gründen nicht sonderlich sinnvoll, da dies auch negative Auswirkungen, wie eine Demotivierung, haben kann. Schüler*innen mit Defiziten in ihrer Sprachkenntnis, sollten dementsprechend gefördert und auf ein höheres Niveau gebracht werden.

Welche Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit – in der hier verstandenen breiten Sicht – in Schule und Unterricht (selbst als Schüler*in und/oder Praxiserfahrungen) haben Sie bislang gemacht? Diskutieren Sie die Erfahrungen vor dem Hintergrund dieser Vorlesung.

Ich bin selber mehrsprachig aufgewachsen und habe zu Beginn der Grundschule einen Deutschförderkurs besucht, aufgrund meiner mangelnden Deutschkenntnisse. Da ich bis zu meinem dritten Lebensjahr nur Türkisch sprechen konnte, hatte ich meinen ersten Kontakt mit Deutsch im Kindergarten. Obwohl ich schnell dazu gelernt habe, waren meine Sprachkenntnisse nicht ausreichend, sodass ich in der ersten Klasse diesbezüglich gefördert wurde. Dies war sehr hilfreich für mich, da ich dadurch mein Deutsch erweitern konnte und mich nicht benachteiligt fühlte. Hätte ich diesen Deutschförderkurs nicht besucht, wäre mir vieles in der Grundschule schwer gefallen.

Darüber hinaus kam eine neue Schülerin in der achten Klasse zu uns, die vorher eine Vorbereitungsklasse besucht hatte. Nach sechs Monaten durfte sie von ihrer Vorklasse, in unsere Klasse wechseln, da sie Deutsch sehr schnell erlernte. Obwohl sie ihre Sprachkenntnisse erweiterte, hatte sie noch deutliche Defizite. Deshalb bekam ich oft mit, wie sie dadurch in Klausuren benachteiligt wurde. Meines Erachtens war eine Notenverschlechterung, aufgrund von mangelnden Deutschkenntnissen, nicht gerecht, da sie die Klausur nicht unter denselben Bedingungen, wie wir, schrieb. Die Lehrkäfte hätten anders mit dieser Situation umgehen sollen, da ihr Verhalten, bzw. die Notensenkung, einen negativen Aspekt auf die Schülerin hatte. Im Unterricht traute sie sich meistens nicht etwas zu sagen, da sie nichts Falsches sagen wollte, und sie wurde dadurch demotiviert, in Bezug auf die folgenden Klausuren.

3. Was möchten Sie nach dem Besuch dieser Vorlesung bei Ihrer zukünftigen Unterrichtsgestaltung beachten? Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen dafür noch?

Mir ist es sehr wichtig, dass der sprachliche Hintergrund der Schüler*innen nicht ausgeblendet und ignoriert wird. Mehrsprachigkeit ist heutzutage eine Normalität und sollte nicht, wie ein Sonderfall behandelt werden. Die Fächer, die ich studiere, sind beide sprachliche Fächer (Spanisch und Englisch) und ich bin der Meinung, dass ich Bezug auf andere Sprachen in meinem zukünftigen Unterricht nehmen kann. Ich bin eine Person, die ein großes Interesse an fremden Sprachen hat und gerne einzelne Sprachen miteinander vergleicht, hinsichtlich ihres Sprachbaus, bzw. Satz- und Wortbaus.

Ich lege außerdem viel Wert darauf, Schüler*innen mit mangelnden Deutschkenntnissen zu unterstützen, indem ich versuche ihnen zu helfen. Mit vereinfachten Aufgabenstellungen, bzw. leicht verständlichen, kann ich den Schüler*innen in meinem zukünftigen Unterricht helfen. Ich will ihnen zeigen, dass sie sich nicht benachteiligt fühlen müssen und sie damit motivieren. Sie sollen sich keinesfalls ausgeschlossen oder vernachlässigt fühlen. Mir fehlt jedoch die entsprechende Umsetzung meiner Unterrichtsgestaltung, da ich noch nicht die pädagogischen Kompetenzen dafür besitze. Ich weiß nicht, inwiefern ich die Aufgabenstellungen vereinfachen kann, ohne dass ich sie inhaltlich simplifiziere. Sonst würde das dazu führen, dass ich ihnen damit einen Vorteil verschaffe, und andere Schüler*innen benachteiligt werden. Ich darf beim Unterstützen der Schüler*innen mit einem Defizit in Deutsch, nicht andere dabei benachteiligen oder vernachlässigen. Es ist schwierig die richtige Balance zwischen Gleichbehandlung und individueller Förderung und Behandlung zu finden.

4. Wie muss Schule unserer mehrsprachigen Gesellschaft gestaltet sein? Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Sie die Mehrsprachigkeit ihrer Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten können?

Die Mehrsprachigkeit und der sprachliche Hintergrund der Schüler*innen muss vertreten und repräsentiert werden. Obwohl es sich um multilinguale Schulen handelt, gibt es einen monolingualen Habitus („Monolingualer Habitus der multilingualen Schulen“, Gogolin:1994). Den unterschiedlichen Sprachgebrauchen sollte ein Eigenwert zugesprochen werden. Darüber hinaus sollten sich Lehrkräfte diesbezüglich nicht unsicher und unvorbereitet fühlen. Mehrsprachigkeit ist vom Sonderfall zur Normalität geworden, vor allem in Deutschland. Deshalb sollte diese Multilingualität im deutschen Schulsystem repräsentiert und behandelt werden.

Damit Lehrkräfte sich nicht unvorbereitet fühlen, sollten ihnen einen Grundausbildung in Sprachförderung und interkultureller Pädagogik gewährleistet werden. Lehrer*innen müssen Schüler*innen den Wert und die Bedeutung der Mehrsprachigkeit näherbringen. Der sprachliche Hintergrund der Schüler*innen muss anerkannt werden, sodass sie sich, wie ein Teil der Klasse fühlen. Ein bewusster Umgang mit Sprachen beim Lehren und Lernen ist eine Grundvoraussetzung. Sprachsensibler Unterricht muss die Kompetenzen im Sprechen, Schreiben und Lesen von Schüler*innen mit mangelnden Sprachkenntnissen fördern. Genug sprachliche Hilfen müssen also angeboten werden.