Liebe Leser*innen
1. Der folgende Blogbeitrag widmet sich der Baumhet-Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität“ und fungiert als Abschlussreflexion. Hierbei wird ein Bezug zu den zwölf Sitzungen hergestellt, in denen ein facettenreicher Einblick in die wechselnden Vorträge der Dozierenden gewährleistet wurde. Im Anschluss sollen nun bedeutende Ereignisse und die daraus gewonnenen Erkenntnisse veranschaulicht werden sowie in Bezug zu den studierten Fächern gesetzt werden.
Besonders in Erinnerung blieb mir die Sitzung „Inklusive Bildungspraxis in Südtirol/Italien: Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb inklusiver Strukturen“. Inklusive Bildung ist heutzutage allgegenwärtig und spielt eine zentrale Rolle in der Bildungsdiskussion. Die Bedeutung von inklusiven Bildungssystemen wurde in den letzten Jahren zunehmend erkannt und betont. Diese Entwicklung resultiert aus einer wachsenden Bewusstseinserweiterung für inklusive Bildungssysteme und spielt für angehende Lehrerinnen, wie wir, eine entscheidende Rolle. Bildungssysteme wurden oft nach starren und ausschließlichen Kriterien gestaltet, weshalb das Lernen für bestimmte Gruppen erschwert wurde. Doch die Anerkennung der Rechte aller Menschen im Hinblick auf Bildung und die Forderung nach einer inklusiven Bildung haben zur Veränderung in der Bildungspolitik und -praxis geführt (vgl. Powell/Pfahl 2008, S. 2 f). Besonders erkenntnisreich erscheint vor allem die Tatsache, dass eine wesentliche Überleitung zur inklusiven Bildung die steigende Akzeptanz und Sensibilisierung für Individualität und Vielfalt der Lernenden voraussetzt. Bildungseinrichtungen streben vermehrt danach, die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu verstehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um ein inklusives Lernumfeld zu schaffen. Bezüge lassen sich hierbei zu meinem studierten Fach „Interdisziplinäre Sachbildung“ herstellen. Im Seminar „Sachunterricht in heterogenen Lerngruppen“ lernten wir, dass es unterschiedliche Bereiche, Faktoren/Dimensionen, Hintergründe, Entstehungsvermutungen und Ausprägungen von Heterogenität gibt. Lehrpersonen können am besten damit umgehen, wenn sie diese anerkennen und den Umgang mit Heterogenität als grundsätzliches Leitmotiv in Bildungssituationen einstufen. Zudem sollte ein Heterogenitätsbewusstsein entwickelt werden, welches den Blick schärft und die Handlungsfähigkeit unterstützt. In der Grundschule während meiner Arbeitszeit merke ich, dass die Vielfalt im Klassenzimmer immer weiter zunimmt und Schüler*innen unterschiedliche Lernbedürfnisse und -geschwindigkeiten aufzeigen. Aus diesem Grund muss man jederzeit in der Lage sein, auf diese individuellen Bedürfnisse einzugehen zu können und eine differenzierte Unterrichtsgestaltung zu ermöglichen, damit alle bestmöglich gefördert werden.
Ebenso in Erinnerung blieb mir die Sitzung „Heterogenität als Begriff, Merkmal von Gesellschaft und Herausforderung für die Schule“. In dieser Sitzung beschäftigten wir uns mit den Spannungsfeldern von Heterogenität und Homogenität. Besonders ausschlaggebend war hier der Begriff Stereotype, welcher als „Rettungsanker“ für Ordnungsbedürfnisse und Basis für Diskriminierung und Vorurteile verstanden werden konnte. Heterogenität wird als ein Produkt von Ungleichheit verstanden, welches in der Schule hereingetragen wird, dort stabilisiert und fortlaufend produziert wird (vgl. Karst/Bonefeld 2020, S. 282 f.). Stereotype verstärken Vorurteile und Diskriminierung. Schüler*innen, die diesen ausgesetzt sind, tendieren eher dazu, benachteiligt zu werden (Vgl. Ebd.). Erkenntnisreich in der Vorlesung erscheint vor allem die Tatsache, ein ausgewogenes Verständnis von Heterogenität und Homogenität zu entwickeln, um eine inklusive Bildung zu ermöglichen. Stereotype sind tief verankert, deshalb ist es fast undenkbar, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Stereotype vollständig wegzudenken sind. Viel wichtiger ist es zu überdenken, gerade als angehende Lehrkraft, inwiefern mit Stereotypen umgegangen werden kann. Hier kann eine Verbindung zu meinem studierten Fach „ISSU“ hergestellt werden. In einigen Seminaren lehrten uns Dozenten, welche Strategien am effektivsten sind, um diese größtenteils zu vermeiden. Dazu gehört unter anderem, ein Bewusstsein zu schaffen. Hierbei soll man eigene Vorurteile reflektieren sowie die Klasse für Stereotype und ihre Auswirkungen sensibilisieren. Im Gedächtnis bleibt mir auch, kritisches Denken zu fördern und Kinder zu ermutigen, einzelne Stereotype zu hinterfragen. So kann man als Lehrkraft aktiv gegen Stereotype vorgehen, auch wenn diese nicht komplett wegzudenken sind.
2. Viele Aspekte der Vorlesung waren prägend für meine Praxiserfahrung. Da ich zweimal wöchentlich in der Grundschule arbeite, konnte ich zu den eingeführten Inhalten in der Vorlesung direkte Bezüge herstellen. Besonders prägend im Hinblick auf die Praxis zeigt sich die Sitzung „Heterogenität im Schriftspracherwerb“. Ich konnte gut beobachten, dass Schülerinnen meiner ersten Klasse in Bezug auf ihre Lese- und Schreibfähigkeiten sehr unterschiedlich sein können. Einige Kinder zeigen bereits vor der Einschulung Lese- und Schreibfähigkeiten, während andere noch keine Erfahrungen mit Buchstaben und Wörtern haben. Der Schriftspracherwerb hängt von verschiedenen fördernden und weniger förderlichen Bedingungen ab, die ein komplexes Gefüge bilden (vgl. Roos/Schöller 2009, S. 18 f.). Diese Heterogenität sollte den Lehrerinnen bewusst sein.
Daher sollten differenzierte Unterrichtsmethoden angewandt werden, um den Bedürfnissen der Schüler*innen gerecht zu werden. Zudem sollte der Schriftspracherwerb als individueller Prozess betrachtet werden, der durch Unterstützung und Anleitung begleitet werden kann. Interessant waren ebenso die Vorlesungsaufgaben, die im Anschluss der Folien aufgeführt wurden. Begriffe wie „elementare Schriftstrukturen“ wurden uns vertraut gemacht. Die Vorlesungsaufgaben zeigen, wie wichtig die elementare Schriftkultur bereits in der Kita oder im frühen Unterricht ist. Verschiedene Beispiele zeigen praktische Ansätze, wie Kinder spielerisch und kreativ an die Schriftsprache herangeführt werden können. Grundlagen für Bildung und persönliche Entwicklung der Kinder werden somit gelegt. Außerdem wird deutlich, dass die Förderung der elementaren Schriftkultur nicht auf das formale Lernen von Buchstaben und Wörtern beschränkt sein muss, sondern auch Raum für kreative Ausdrucksformen und Fantasie lässt.
3. Meines Erachtens war die Vorlesung insgesamt umfangreich und bereichernd. Verschiedene Themen und umfassende Informationen wurden behandelt und vermittelt. Die Dozentinnen waren bemüht, die Inhalte anschaulich und verständlich zu präsentieren. Zudem konnten wir eine Vielzahl von Ideen und neuen Konzepten kennenlernen, die einerseits bereichernd waren, andererseits aber auch herausfordernd, da inhaltlich viel Neues dazu kam. Mehr erfahren würde ich gerne zu der Fragestellung: „Welche Heterogenitätsdimensionen spielen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht eine besondere Rolle?“ Hier könnte eventuell weiter ausgebaut werden, welche Lehrmethoden und Materialien sich am besten eignen, um verschiedene Lernstile der Schülerinnen anzusprechen und den Lernprozess zu unterstützen, oder wie Lehrkräfte die unterschiedlichen Vorkenntnisse und Erfahrungen der Schülerinnen berücksichtigen, um den Einstieg in neue Themen optimal zu gestalten, insbesondere für angehende Lehrerinnen. Interessant erschien mir auch die Sitzung „Inklusive Bildungspraxis in Südtirol/Italien: Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb inklusiver Strukturen“. Umfangreiche Details im Hinblick auf Inklusion wurden innerhalb der Sitzung behandelt. Weiter ausbauen könnte man den Aspekt: „Welche künftigen Entwicklungen und Trends zeichnen sich im Bereich inklusive Bildungspraxis ab?“ Um diesen Aspekt näher zu behandeln.
- Glock, S., & Kleen, H. (2020): Stereotype in der Schule. Wuppertal: Springer VS. S. 282- 289.
- Powell, J.J-W./Pfahl. L. (2008): Sonderschule behindert Chancengleichheit. Berlin: WZB
- Roos, J., & Scholer, H. (2009): Entwicklung Des Schriftspracherwerbs in der Grundschule: Längsschnittanalyse zweier Kohorten über die Grundschulzeit. Wiesbaden: VS Verlag fur Sozialwissenschaften. S. 18-24.
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