Heterogenität als Begriff, Merkmal von Gesellschaft und Herausforderung für die Schule

Die Spannungsfelder von Heterogenität und Homogenität sind umfassend und können in Bereich schulischer Bildung von verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Stereotype, die als ,,Rettungsanker’’ für Ordnungsbedürfnisse und Basis für Diskriminierung und Vorurteile verstanden werden können und bereits in der Vorlesung thematisiert wurden, sind meines Erachtens von besonders hoher Wichtigkeit. Bei der Anwendung von Stereotypen wird an bestimmten Vorurteilen festgehalten, die über eine Gruppe von Menschen die z. B. aus verschiedenen ethnischen Gruppen hinweg generalisiert werden (vgl. Martiny/Froehlich 2020, S. 2). Zusammengefasst können sie  als fest verankerte Überzeugungsstrukturen definiert werden, die sowohl positiv als auch negativ eingestuft werden können (vgl. ebd.). Stereotypisierung findet im Kontext schulischer Bildung statt, da SuS, die einer ethnischen Gruppe angehören, eher dazu tendieren, benachteiligt zu werden, weil Lehrer*innen ihnen gegenüber keine hohen Erwartungen besitzen. Lehrkrafterwartungen manifestieren im unterrichtlichen Handeln und können sich zugleich auf Schüler*innenleistungen Auswirkungen, was durch zahlreiche Studien belegt werden konnte (vgl. Karst/Bonefeld 2020, S. 301). Demnach besitzen Kinder, die mit Stereotypen zu kämpfen haben, geringere Bildungschancen. Zugleich dient Stereotypisierung als ,,Rettungsanker’’, da Lehrer*innen sich  in komplexen Situationen durch Rückgriff auf Stereotypen zu helfen wissen. Angeführt können hierbei SuS, die z. B. sprachliche Schwierigkeiten aufweisen, weil eventuell DaZ (Deutsch als Zweitsprache) vorliegt. In diesem Zusammenhang helfen stereotypen Lehrkräften, eine Vorstellung zum Umgang mit sprachlichen Herausforderungen zu entwickeln und Lehrmethoden sowie ihren Umgang auf die SuS individuell anzupassen. Voraussetzung ist dabei, dass Lehrkräfte objektive Maßstäbe setzen. Gleichermaßen bedeutend sind die Tendenzen zur Homogenisierung heterogener Gruppen mit stigmatisierender Konsequenz. Homogene Klassen tragen dazu bei, dass effektiveres Lernen gefördert wird, da das Leistungsniveau „homogen“ verteilt ist. Lerngruppen mit einem homogenen Leistungsvermögen lernen gezielter und die Leistungen werden besser (vgl. GEW 2021, o. S.). Die Homogenisierung kann allerdings Nachteile mit sich bringen, da SuS die im Verhältnis schlechtere Leistungen erbringen, stigmatisiert und ausgeschlossen werden können. Als stigmatisierend wird kann hier ein/e ,,Leistungsschwächer’’ Schüler*in verstanden werden. 

Wie oben angeführt spielt Stereotypisierung im Hinblick auf den schulischen Kontext eine tragende Rolle. Während meines Praktikums konnte ich bezüglich dieses Aspekts sämtliche Erfahrungen sammeln. In meiner Praktikumsklasse konnte eine Schüler*in, die mit Stigmatisierung zu kämpfen hatte, dokumentiert werden. Grund dafür war ihr Nachname, ein unumstrittener Familienname, der in Bremen von sämtlichen Stereotypen behaftet ist. Lehrkräfte gingen davon aus, dass die Schüler*in mit schulischen Herausforderungen konfrontiert werden würde und sowohl im schriftlichen als sprachlichen Bereich Auffälligkeiten erkenntlich werden. Möglichst zeitnah stellt sich raus, dass auch hier ,,verankerte Überzeugungsstrukturen’’ vorliegen. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass die Schüler*in zu einer der Leistungsstärksten ihrer Klasse gehörte. Darüber hinaus waren ihre kognitiven Fähigkeiten weiter entwickelter als gleichaltrige in ihrer Klasse. Auch im sprachlichen Bereich zeigte sie keine Probleme. 

Eine Beobachtungsaufgabe für die kommende Praktika zum Spannungsfeld von Heterogenität und Homogenität in der Schule könnte wie folgt lauten:

,,Welche Unterstützungsmaßnahmen werden von Lehrkräften oder Institution Schule eingesetzt, um SuS mit unterschiedlichen Heterogenitätsdimensionen, (z. B. Migration Hintergrund o. Behinderung) welche teilhabe am Unterrichtlichen lernen zu erleichtern ?’’

Literatur: 

GEW (2021): Bessere Lernergebnisse durch strikte Homogenisierung? [Online] URL https://www.gew-bw.de/aktuelles/detailseite/bessere-lernergebnisse-durch-strikte-homogenisierung [Stand:  19.04.2023]. 

Martiny, E./Froehlich, L. (2020): Was sind Stereotype? In: Glock, S./Kleen, H. (Hrsg.): Stereotype in der Schule (1. Aufl.). Wiesbaden: Springer Verlag, S. 1-32. 

Karst, K./Bonefeld, M. (2020): Urteilsakkuratheit von Lehrkräften und Stereotype. In: Glock, S./Kleen, H. (Hrsg.): Stereotype in der Schule (1. Aufl.). Wiesbaden: Springer Verlag, S. 281-308.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Eine Antwort zu „Heterogenität als Begriff, Merkmal von Gesellschaft und Herausforderung für die Schule“

  1. Avatar von Lea
    Lea

    Sehr interessant finde ich in deinem Beitrag die Bezeichnung von Stereotypen als „Rettungsanker“ der Lehrkräfte, da jemandes Rettung immer zugleich auch eine hilflose Lage voraussetzt. Somit wird mit dem Rückgriff auf diesen speziellen Begriff suggeriert, dass sich Lehrkräfte, deren Handeln auf Stereotypisierung beruht, in einer hilflosen Lage befinden oder zumindest in einer Situation, in der sie überfordert sind. Ein wichtiger Faktor spielt dabei die Einstellung der Lehrkräfte selbst: Nehmen sie die Heterogenität innerhalb ihrer Klasse eher als Störfaktor wahr oder aber als willkommene Bereicherung und Herausforderung (vgl. Fantini, Folien-Nr.13)?
    Die Herausforderung besteht darin die Vielfalt als anspruchsvolle Realität anzuerkennen und mit ihr umzugehen, anstatt eine Komplexitätsreduktion vorzunehmen. Welche dieser beiden Wege eingeschlagen wird, hängt zum einen von der Selbstreflexionsfähigkeit der Lehrkraft ab, zum anderen aber auch von ihrer internalen oder externalen Motivation zum vorurteilsfreien Handeln. Gerade durch die internale Motivation kann den negativen Auswirkungen von negativer Stereotypisierung vorgebeugt werden. Zu diesen zählen beispielsweise ein Abfall der Leistungen oder soziale Isolation (vgl. Martiny/Froehlich 2020, S.17, 21).
    Aufgrund dieser negativen Auswirkungen bin ich der Meinung, dass ein Rückgriff auf Stereotypen als „Rettungsanker“ von Lehrkräften vermieden werden sollte, da Stereotypen allein der Lehrkraft dabei helfen mit ihrer Überforderung umzugehen, nicht aber den Kindern. Deswegen würde ich auch nicht sagen, dass Stereotypen Lehrkräften dabei helfen eine Vorstellung zum Umgang mit sprachlichen Herausforderungen zu entwickeln, da sie den Blick auf das individuelle Kind versperren. Vielmehr würde ich deinen Gedankengang, Lehrmethoden individuell auf die Schüler*innen anzupassen, betonen und den Blick auf das Individuum ohne jegliche Generalisierung als Grundlage für den Umgang mit Heterogenität bezeichnen.

    In Bezug zu deinen Erfahrungen mit Stereotypisierung aufgrund von Namen habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Dabei beziehen sich die Vorurteile jedoch nicht auf den Nachnamen, sondern auf den Vornamen. So hat in meiner eigenen Schulzeit eine Lehrerin vor der ganzen Klasse zu dem Beitrag eines Schülers den Kommentar abgegeben, dass dieser wohl der einzige „Kevin“ gewesen wäre, der während ihrer Zeit als Lehrerin eine kluge Antwort gegeben hätte. Aus dieser Äußerung wird deutlich, dass mit dem Namen „Kevin“ eine gewisse Erwartungshaltung einhergeht. Diese Beobachtung stimmt mit den Ergebnissen der Vornamensstudie der Arbeitsstelle für Kinderforschung der Universität Oldenburg überein. Aus dieser Studie geht hervor, dass bestimmte Vornamen bei Lehrkräften bestimmte Assoziationen hervorrufen. So gaben 54,4 % der Befragten an, dass sie den Namen „Kevin“ mit „verhaltensauffällig“ assoziieren würden.
    84 % der Befragten gaben zudem an, dass sie diesen Namen mit Leistungsschwäche verbinden (vgl. Kaiser 2010, S.28).

    Dass die Stereotypisierung von Schüler*innen durch Lehrkräfte nicht allein auf Vornamen basiert, sondern auch Nachnamen eine Rolle spielen können, ist aus deinen Erfahrungen ersichtlich geworden. Daher würde ich es sehr interessant finden, zu welchen Ergebnissen eine Nachnamensstudie zum Thema „Stereotypisierung von Grundschülern aufgrund ihrer Nachnamen“ kommen würde.

    Literatur:

    Martiny, Sarah/ Froehlich, Laura (2020): Ein theoretischer und empirischer Überblick über die Entwicklung von Stereotypen und ihre Konsequenzen im Schulkontext. In: Glock, Sabine/ Kleen, Hannah (Hrsg.): Stereotype in der Schule. Wiesbaden: Springer Verlag, S.1-32.

    Kaiser, Astrid (2010): „Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose!“ Der Vorname in der Grundschule: Klang-, Mode- oder Reizwort? In: Die Grundschulzeitschrift 238.239, S.26-29.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert