Ein letzter Blick auf die Ringvorlesung

Die bedeutungsvollsten Inhalte der Ringvorlesung waren für mich die, die ein ausgewogenes Bild zu Heterogenität vermitteln, wie zum Beispiel in den Vorlesungen zu empirischer Forschung zu Heterogenität und Physikdidaktik oder zu Politikdidaktik bzw. Umgang mit mitgebrachten Wortdefinitionen der SuS. Denn gerade hier wurden Ideen bestätigt, die ich parallel im GO2-Modul erfahren habe (zum Beispiel im Kontext mit Antinomien des Lehrerberufs): nämlich dass es den einen Umgang mit Heterogenität nicht gibt, und dass das, was einem Schüler hilft, einem anderen Schüler oder einer anderen Schülering sogar hinderlich sein kann. Zum Beispiel dass Individualisierung und alternative Konzepte zum „klassischen, Lehrerfokussierten Frontalunterricht“ zwar sehr sinnvoll sein können, aber nicht das Allheilmittel für die Probleme aller SuS sind. So gibt es durchaus SuS, denen klare, festgelegte Struktur hilft, ebenso wie solche, die sich in freieren Strukturen wohler fühlen und dort auch produktiver sind, aber zu behaupten, Schule mit den aktuellen Methoden müsse komplett neu aufgebaut werden, sieht nicht, dass es durchaus viele SuS gab, die gut durch die Schulzeit gekommen sind. Wahrscheinlich sind das gerade meine Kommilitonen, die nun auch Lehrer werden wollen! Weiterhin sind auch sowohl Individualisierung und Inklusion nicht Konzepte, für die gilt „das muss auf jeden Fall gemacht werden und je mehr, desto besser“. Denn, wie wir gerade in den letzten Vorlesungen zu Inklusion gelernt haben, kann auch zeitlich intensive Inklusion ihren Zweck verfehlen, wenn sie nicht für genau diese Gruppe aus SuS mit und ohne Einschränkungen überlegt wurde – zumindest wenn man ein echtes Von- und Miteinanderlernen erzielen möchte; für ein gegenseitiges Kennenlernen könnte dies schon reichen. So wurde auch in dem FSJ, welches ich in einer Klasse für Schüler mit geistigen Beeinträchtigungen geleistet habe, oft gehalten, was auch zumindest sozial nützlich war, da so die beidseitig vorhandene Scheu abgebaut werden konnte. Und zuletzt auch Individualisierung tut nicht allen gut, da es auch SuS gibt, die sich besser weiterentwickeln können und wohler fühlen, wenn sie sich in eine Gruppe einfügen können, anstatt alleine behandelt zu werden.

Für mein Praktikum möchte ich insofern nicht fragen: Wird denn auch genug Inklusion, Individualisierung, nichtfrontaler Unterricht gemacht?, sondern vielmehr: aus welchem Grund wird der Unterricht von dieser Lehrkraft für diese Gruppe von SuS so gestaltet? Ist es aus Überlegung heraus oder nur, weil das „schon immer so gemacht wurde“? Und darauf folgend, kann ich vielleicht Vermutungen aufstellen, ob es besser wäre, für diese SuS vielleicht etwas offenere oder striktere Strukturen zu finden, ob die Inklusion gut durchdacht wurde, und ob jeder Schüler und jede Schülerin ein jeweils für sie und ihn angemessenes Maß an Aufmerkamkeit erhält.

4 Gedanken zu „Ein letzter Blick auf die Ringvorlesung“

  1. Hallo Tim,
    deine Ansicht zu Alternativmethoden des „Frontalunterrichts“ als Allheilmittel finde ich interessant.
    Ich denke eigentlich schon, dass es langfristig die Lösung des Heterogenitätsproblems sein kann. Allerdings glaube ich, dass das ein Ziel ist, das sich nicht von jetzt auf gleich erreichen lässt und das noch sehr viel Entwicklung bedarf, bevor es sich wirklich erfolgreich zeigt.
    Klar, wie du sagst, es gibt auch viele Schüler:innen, die im aktuellen System gut durch die Schulzeit gekommen sind, aber darum geht es ja gerade: viele, aber nicht alle.
    Ich habe mich aber trotzdem auch die ganze Vorlesung durch gefragt, wie es jemals schaffbar gemacht werden soll, Unterricht für alle so neutral und voranbringend wie möglich zu machen und finde die Ansätze, die wir dazu kennengelernt haben, zwar teilweise sehr gut (kann mich da zum Beispiel deinem Interesse für Politikdidaktik und Wortdefinitionen anschließen), aber bisher hauptsächlich als Ansätze, als Denkanstöße, noch nicht wirklich als anwendbare Konzepte.
    Deine Ansicht zur Individualisierung kann ich nachvollziehen, denke aber, dass Individualisierung nicht ausschließt, sich eine Gruppe einzufügen. Ich denke, es bedeutet viel mehr das individuelle Wahrgenommenwerden durch Lehrkräfte und vor allem auch einhergehend damit das Anerkanntwerden. Ich denke, wenn Anerkennung sich gerade zu einer schwierigen Zeit wie in der 7. – 9. Klasse nur über die Identifikation mit Gruppen geschieht, ist das auch zu totalitär (womit ich nicht sagen will dass die Individualisierung/Anerkennung durch Lehrkräfte da einen besonders großen Einfluss haben sollte – aber Einfluss haben sollte sie).
    Deine Schlussfolgerung für deine Beobachtungsfrage finde ich sehr interessant und würde dem zustimmen. Ich glaube, es ist und sollte vor allem in der Schule ohnehin eher die Frage nach dem WIE gestellt werden als die Frage nach dem WAS.

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