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- Probleme im schulischen Umfeld im Zusammenhang mit Gender und Geschlecht beginnen bereits in der Grundschule: denn hier sind die Lehrenden größtenteils weiblich. Damit erhalten also alle Kinder direkt größtenteils weibliche Vorbilder, die zudem selbst teilweise – bewusst oder unbewusst! – Präferenzen haben bei den Verhaltensweisen der Schüler. So sind Schülerinnen die „angenehmen, organisierten, zielstrebigen, ruhigen“ wohingegen Jungen die „lauten, anstrengenden, chaotischen, wilden“ sind. Dies gilt natürlich nicht für alle LehrerInnen und deren Ansichten – aber die Schüler können durchaus von einigen so gesehen werden. Weiterhin ist es für Schüler in meiner Erfahrung von elementarer Bedeutung, ein gutes Verhältnis zu der Lehrkraft zu haben, und das ist einfach für beide Seiten schwer wenn man einfach von der Wesensart in der aktuellen Lebenssituation sehr anders ist als das Gegenüber. Gleichzeitig können Mädchen, die nicht die oben genannten „typisch Mädchenhaften“ Züge innehaben, noch stärkere Probleme bekommen – denn dann sind sie nicht nur „störend“, sondern auch ein „schlechtes Mädchen“, was sie in ihrer Gender- und Geschlechteridentität schwer verwirren kann – „Ist das nicht mädchenhaft, wenn ich das mache? Bin ich ein Mädchen? Oder dann kein Mädchen oder ein schlechtes? Soll ich das dann nicht machen?“ Gleichzeitig können Jungs sich die selben Fragen stellen, wenn sie als „Mädchenhaft“ gesehen werden. Und da beide Seiten in diesem Alter noch nicht wirklich in der Phase sind, sich selbst zu reflektieren und sich noch nicht selbst gefunden haben, versuchen beide Seiten, möglichst „normal“ zu sein.
- Hier fällt mir mein FSJ ein, welches ich in einer achten Klasse mit geistig behinderten Jugendlichen geleistet habe. Gerade in meinem Jahr kam dort als wichtiges Thema Sexualkunde, Sexualität und Geschlecht auf. Und in diesem Kontext wurden gerade die klassischen Bilder propagiert – allerdings vor dem Hintergrund der Vereinfachung für diese besonderen SchülerInnen. Denn wenn man nur zwei Pole „männlich und weiblich“ kennt, ist es natürlich einfacher zu vermitteln. Homosexualität wurde allerdings nicht vorenthalten und ebenfalls als etwas komplett natürliches vermittelt. Ich sehe hier die pragmatische Einstellung, dass es in diesem Fall reicht (und schon schwierig genug ist), zwei Geschlechter und alles in dem dazu jeweiligen Kontext (der dis/ability) zu vermitteln. Hätte die Situation es verlangt, wäre hier auch noch tiefer eingegangen worden. Allerdings war dies auch eine Klasse mit nur 7 Schülern und einer Schülerin, die der Klassenleiter schon seit der fünften Klasse sehr gut kannte.
- Ich würde hier gerne beobachten, ob Jungen und Mädchen in ihren jeweils als typisch zugeordneten Fächern einerseits unterschiedliche Motivation und Leistung zeigen und andererseits von den Lehrkräften unterschiedlich behandelt werden – und wenn ja, ob dies mit unseren „vermuteten“ Bildern übereinstimmt: Ob die Jungen also in Naturwissenschaftlichen Fächern (Physik, Mathematik) „besser sind“ und auch besser behandelt werden, in Geisteswissenschaften (Deutsch, Englisch) hingegen die Mädchen. Dazu wäre noch zu beachten, ob die jeweiligen Fachlehrer selbst männlich oder weiblich sind. Behandeln möglicherweise zum Beispiel Frauen in der Naturwissenschaft Mädchen besonders gut? Oder gerade nicht? Diese komplexe Frage der (Un-?)Gleichbehandlung und -Leistung möchte ich gerne untersuchen.
- Spannende Einsichten zu Heterogenität gab es vor allem durch die Unterschiede in den diversen zitierten Studien der Vorlesung. Einerseits legten diese nah, dass binnendifferenzierende Studien in Mathematik, Biologie und Physik sogar einen negativen Effekt auf den (fachlichen) Lernerfolg haben kann (Gruehn 2007) – definitiv ein überraschendes Ergebnis, das vielleicht auch einen Gegenpol zur (möglicherweise sogar zu?) starken Individualisierung der heutigen Zeit darstellt. Zudem bringt eine Metastudie, also Auswertung vieler Studien, das Ergebnis, dass alle SuS von einer insgesamt starken Gruppe profitieren – also profitieren fachlich starke SuS davon, unter sich zu bleiben (wenn auch nur leicht), wohingegen mittelstarke und schwächere SuS stark darunter leiden, nur unter sich zu sein – ob das nun im Rahmen des „Aussortieren“ oder der „individuellen Behandlung“ stattfindet. Hier ist also wieder einmal das bekannte Problem zu beobachten, dass komplettes individuelles „sortieren“ nicht die richtige Wahl ist, ebenso wie eine komplette Mischung auch nicht immer allen dient – es muss unterschieden werden, was das Ziel ist (besserer Einbezug fachlich schwächerer Schüler? Höchstleistungen starker Schüler? oder vielleicht ein Angleichen des Niveaus – auf Kosten der starken Schüler?).
- Hier kann ich gut zum Beispiel den Mathematikunterricht nennen – sowohl in der Schule als auch nun in der Universität. Phasen mit viel Input durch die Lehrkraft bzw. DozentIn wechselt sich ab mit Übungsphasen, in denen das zuvor nur gehörte auch schnell benutzt und verinnerlicht wird. In der Schule (einem Gymnasium in Niedersachsen) passierte dies durch Aufgaben im Unterricht sowie Hausaufgaben. Nun an der Uni gibt es für die Mathematik ein System, bei welchem jede Woche zu der Vorlesung ein Übungsblatt abgegeben werden muss. Dieses wird bewertet und zählt als Studienleistung. In der Linearen Algebra kommt die Besonderheit dazu, dass die Blätter zweimal abgegeben werden: ein erstes mal, wobei im Schnitt über das Semester 30% der zu erreichenden Punkte erreicht werden müssen. Dieses erhalten wir dann zurück, korrigieren es und müssen bei der zweiten Abgabe 70% erreichen. Dieses System erfordert zwar viel Zeitaufwand von uns, aber es führt dazu, dass wir uns zweimal mit dem Stoff befassen müssen und unsere Lösungen wirklich durchdringen – entweder, weil wir bei der ersten Abgabe schon eine gute Lösung hatten oder weil wir nach der Besprechung der Lösungen im Tutorium noch einmal nacharbeiten. Dies führt zu viel „Time on Task“ und Beschäftigung mit der Materie – auch wenn man die Übungsblätter jede Woche aufs Neue verflucht, weil sie wirklich schwierig sind, muss man doch zugeben, dass sie einfach effektiv sind – also ein Verfahren der „direkten Instruktion“.
- Hier als Beispiel eine Aufgabe aus der Mathematik. Die Schüler sollen die Höhe eines Turmes berechnen, nur mit einem Metermaß als Hilfsmittel. Die Aufgabe könnte zunächst einmal nicht mehr Informationen als das enthalten. Dann müssten die SuS zunächst einmal überlegen, was verlangt wird, eine Skizze anfertigen und sie zweckdienlich beschriften. Dies könnte ansonsten die erste Lernhilfe sein, um SuS, die keinen rechten Ansatz haben, in die generelle Richtung zu leiten. Anschließend müssten die SuS die besondere Form des Dreiecks erkennen (rechtwinklig) und daraus Schlüsse ziehen, welche Gesetze und Sätze zur Lösung des Problems hilfreich sein könnten (Ähnlichkeit von Dreiecken usw.). Dies könnte, wenn die SuS hier nicht wissen, was angewandt werden muss, die zweite Lernhilfe sein, sodass sie im Anschluss miteinander überlegen und sich untereinander austauschen können. Hierdurch sollten dann die konkreten Formeln zur Höhenberechnung ausgetauscht werden, sodass die Aufgabe zu Ende geführt werden kann. Falls dies wiederum Schwierigkeiten bereitet, könnten die Formeln als dritte und letzte Lernhilfe gegeben werden, sodass die Aufgabe dann fertig bearbeitet werden kann.
Ich würde behaupten, dass die Lernhilfen dann erfolgreich gewählt sind, wenn die Schüler sie gar nicht erst benötigen, sondern sich durch Austausch untereinander helfen können. Das setzt voraus, dass zumindest einige Schüler den Stoff schon beherrschen bzw. schon die zugrundeliegenden Prinzipien verstehen, aber sie vielleicht noch nicht in diesem Kontext angewendet haben (im Sinne einer Transferaufgabe). Dieses „Knobeln“ kann, wenn die SuS motiviert dazu sind, zu einer langen Auseinandersetzung mit dem Stoff führen, der sogar dann nützlich zur Vertiefung sein kann, wenn das unmittelbare „Ziel“ (die Berechnung der Turmhöhe) nicht erreicht werden konnte.
Wenn die SuS allerdings nicht zusammen arbeiten oder das nötige Wissen oder auch die Motivation fehlt, kann es allerdings auch dazu kommen, dass die SuS einfach die Lernhilfen nutzen wollen, um die Aufgabe schnell zu beenden, oder dass wenige die Aufgabe bearbeiten und andere sie nur abschreiben. Ebenfalls möglich wäre, dass die SuS arbeitend aussehen, aber am Ende die Austauschphase für Privatgespräche nutzen.