Mehrsprachigkeit und Deutschunterricht

Welche Besonderheiten weist der Erwerbskontext Seiteneinstieg auf und inwieweit orientiert sich die Bremer Konzeption der schulischen und sprachlichen Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler daran?

Von den Kindern und Jugendlichen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen und dort zur Schule gehen, sind SeiteneinsteigerInnen sicherlich die Gruppe, die vor die höchsten Herausforderungen gestellt wird. Allgemein bezeichnet der Begriff neu zugewanderte Jungen und Mädchen im schulpflichtigen Alter (ab 6 Jahren), mit nur sehr geringen oder gar keinen Deutschkenntnissen, die ihre Schullaufbahn nicht im deutschen System begonnen haben. Innerhalb dieser Kategorie gibt es mehrere Untergruppen, die sich je nach Alphabetisierung oder Verlauf der Schullaufbahn vor der Einreise einteilen lassen. Besonders schwierig ist der Eintritt in das deutsche Schulsystem für SeiteneinsteigerInnen mit durch die Umstände in ihrem Herkunftsland oder durch Flucht begrenzter, oder unterbrochener schulischer Bildung, sogenannte „SLIFEs“.

Da in Bremen die Schulpflicht unabhängig vom Aufenthaltsstatus der geflüchteten Kinder greift, mussten Möglichkeiten gefunden werden, diese sprachlich auf den Unterricht in deutschen Schulen vorzubereiten. Die Stadt setzt hierzu auf das sogenannte „teilintegrative Modell“, welches ein sukzessives Übergehen in die Regelklasse, also eine „gleitende Integration“ ermöglichen soll. Die SchülerInnen besuchen demnach bereits während ihrer Vorkurse einige Kurse in den Regelklassen, zunächst insbesondere in solchen Unterrichtsfächern, in denen Sprachbarrieren keine unüberwindbaren Hindernisse darstellen, wie beispielsweise Musik, Kunst, oder zu einem gewissen Grad auch Mathematik. Nach einem Jahr findet dann der komplette Übergang in den Regelunterricht statt. Durch dieses schrittweise Vorgehen können die Seiteneinsteiger bereits Einblick in den zukünftigen Alltag des deutschen Schulsystems erhalten, das sie so nicht kennen und auch Kontakte knüpfen, während die besonders schwierigen Aspekte wie der Spracherwerb intensiv in den Vorkursen betreut werden können.

Diskutieren Sie Ihre Praxiserfahrungen mit der Sprachförderung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern vor bzw. nach dem vollständigen Übergang in den Regelunterricht. Gehen Sie dabei insbesondere auf binnendifferenzierende Maßnahmen ein.

Da ich selbst leider noch keine Praxiserfahrung aus Sicht einer Lehrkraft sammeln konnte, und während meiner eigenen Schullaufbahn die möglichen Maßnahmen, die vor dem Übergang der SeiteneinsteigerInnen in die Regelklasse getroffen wurden, nicht bewusst wahrgenommen habe, kann ich nur die Maßnahmen schildern, die nach dem Übergang getroffen wurden. Denn weder in meiner Grundschulklasse, noch in meiner Gymnasialklasse habe ich Erfahrungen mit einem Modell wie dem teilintegrativen Modell gemacht. Woran ich mich erinnere, ist, dass zu Ende der 1. Klasse ein Schüler in meine Grundschulklasse kam, der so gut wie kein Deutsch sprach. Auch andere Kinder hatten Migrationshintergrund und zum Teil Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, allerdings glaube ich nicht, dass diese als SeiteneinsteigerInnen klassifiziert werden würden. Die binnendifferenzierenden Maßnahmen, die also im Rahmen dieser Situation getroffen wurden, waren, soweit ich mich erinnern kann, eher spärlich. Tatsächlich wurden eher den besseren SchülerInnen Zusatzaufgaben gegeben, als dass den Kindern mit sprachlichen Problemen eigene Aufgaben gestellt wurden. Mir ist allerdings ein Deutschtest in Erinnerung geblieben, bei dem wir eine Geschichte nacherzählen sollten, die die Lehrkraft uns zuvor vorgelesen hatte. Das Leseverständnis wurde demnach bei allen SuS als ausreichend vorausgesetzt, allerdings hatten die Jungen und Mädchen, denen der schriftliche Ausdruck schwer fiel, die Möglichkeit, statt zu schreiben eine kurze Bildergeschichte zu zeichnen. So wurden sie aufgrund eventueller Probleme mit dem Schreiben der deutschen Sprache nicht benachteiligt.

Abgesehen davon war die Sprachförderung von SeiteneinsteigerInnen wohl außerhalb des Regelunterrichts vorgesehen- oder die Sprachkompetenz sollte sich vorwiegend durch den regelmäßigen Kontakt mit deutschsprachigen Mitschülern einstellen. Der anfangs von mir erwähnte Schüler stellt vermutlich eine Ausnahme von der Regel dar, aber im Gegensatz zu meinen Grundschulmitschülern mit LRS hat dieser Seiteneinsteiger im Juni 2015 mit mir zusammen das Abitur abgelegt. Ob das etwas über die Qualität der vorgenommenen Maßnahmen aussagt- darüber lässt sich streiten.

Suchen Sie eine Unterrichtsaufgabe (das Fach können Sie frei auswählen), die als Ersatz- bzw. Erweiterungsaufgabe besonders für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler im Regelunterricht entwickelt wurde. Vergleichen Sie diese Aufgabe mit der „regulären“, also der, die für andere Schülerinnen und Schüler eingesetzt wird. Welche Unterschiede finden Sie? Was halten Sie für hilfreich, was für problematisch?

Ich bin mir nicht sicher, ob das als eine Art Erweiterungsaufgabe zählt, aber mir ist ein Konzept bekannt, das vor allem im Sachunterricht (Biologie, Geographie etc.) angewandt wird und SeiteneinsteigerInnen das Textverständnis erleichtern soll:

Während die Kinder mit Deutsch als Muttersprache einen „normalen“ Sachtext erhalten, wird SchülerInnen mit Deutsch als Zweitsprache ein vereinfachter Text vorgelegt, der zwar den gleichen Inhalt enthält, allerdings beispielsweise weniger Fachwörter, kürzere Sätze, keine Formulierungen im Passiv, kaum indirekte Rede, etc.

Dies kann den SchülerInnen mit Schwierigkeiten in der deutschen Sprache helfen, sich mehr auf den Inhalt zu konzentrieren, da sie weniger Zeit mit der Entschlüsselung des Textes verbringen müssen. Allerdings sind natürlich besonders im Fachunterricht bestimmte Fachbegriffe wichtig und nötig, die die Jugendlichen dann separat lernen müssten und nicht aus dem Textzusammenhang kennen.

Eine Freundin hat mir hierzu jedoch ein Modell erklärt, das diese Problematik abschwächen könnte: Nachdem die SchülerInnen den Text gelesen haben, werden Gruppen aus MuttersprachlerInnen und Mädchen und Jungen mit Deutsch als Zweitsprache bzw. SeiteneinsteigerInnen gebildet. Die Kinder mit DaZ erklären den MuttersprachlerInnen, was sie dem Text entnommen haben, und diese ergänzen dann eventuell fehlende relevante Informationen, beseitigen Missverständnisse und ergänzen und erläutern Fachbegriffe. So wird SeiteneinsteigerInnen nicht nur das Verständnis von Texten im Sachunterricht erleichtert, sondern auch die Beziehungen innerhalb der Klasse werden gestärkt und die Kinder mit Deutsch als Muttersprache profitieren eventuell ebenfalls, da sie durch das Erklären des Textes sich erneut mit dem Unterrichtsstoff auseinandersetzen und diesen so besser verinnerlichen.